Bundesliga

Kommentar zur Fan-Rückkehr: Normalität kann finden, wer danach sucht

Kommentar von Steffen Rohr zur Zuschauer-Rückkehr

Normalität kann nur finden, wer danach sucht

Die Fans sind zurück - in Rostock kamen über 700 ins Stadion.

Die Fans sind zurück - in Rostock kamen über 700 ins Stadion. imago images

Endlich wieder Theater! Aufgeführt wurde im Berliner Ensemble am Freitag die Inszenierung von Benjamin von Stuckrad-Barres autobiografischem Roman "Panikherz" - vor 350 getesteten, sehr seligen Besuchern. Das Kontingent war binnen vier Minuten vergriffen. Der Berliner Philharmonie, die am Samstag mit Tschaikowskis "Romeo und Julia" einen Testlauf vor 1000 Zuschauern startete, lagen 30.000 Kartenwünsche vor. Und das Rostocker Ostseestadion war am Samstag beim Drittliga-Spiel des FC Hansa gegen den Halleschen FC, dem 702 Fans beiwohnten, die Bühne des Sports, auf die Deutschland schaute.

Die ersten, kleinen Schritte sind die wichtigsten

Die Berliner Kultur wagt sich probeweise aus der Deckung, auch der Sport der Hauptstadt ist mit drei Arenen, darunter die Alte Försterei des 1. FC Union, Bestandteil eines Pilotprojektes. Inmitten der dritten Welle und abermals steigender Inzidenzwerte ist und bleibt das fraglos ein Balanceakt. Und doch ist angesichts des in Berlin und Rostock augenscheinlich gelungenen Probelaufs die übergeordnete Botschaft eine, die Mut macht in bleiernen Zeiten: Mit lokalen Hygienekonzepten, funktionierender Schnelltestung und der Einhaltung der gängigen Abstands- und Schutzmaßnahmen ist Begegnung möglich. Wer - wie mancher Kritiker - die Initiative von Veranstaltern, Vereinen, Verbänden und Branchen dieser Tage als Fata Morgana abtut, argumentiert zynisch.

Nach zermürbenden Monaten sind Schritte wie in Rostock der Versuch, das Machbare auszuloten und mehr Leben trotz Corona zu ermöglichen.

Einen Einstieg zurück in Richtung Normalität und soziales Miteinander kann nur finden, wer danach sucht. Die ersten Schritte, und seien sie noch so klein, sind da die wichtigsten. Kultur und Sport können mit ihren Erfahrungen voneinander profitieren. Nach zermürbenden Monaten, in denen eine schleppende Impfkampagne und arg halbherziges Testen gravierende Managementdefizite auf den Feldern der Politik und der Verwaltung offenbarten, sind Schritte wie in Rostock und Berlin der Versuch, das Machbare auszuloten und umzusetzen - und mit Augenmaß mehr Leben trotz Corona zu ermöglichen. Neid, auch regionaler Art, wäre deplatziert - nicht zuletzt, weil die Events in der Auswertung wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse liefern, die am Ende allen nützen. Und wer den Zeitpunkt tadelt, dem möge gesagt sein: Klubs wie der 1. FC Union hatten bereits in Zeiten sinkender Infektionszahlen ein Konzept mit PCR-Tests vorbereitet, auf grünes Licht wartete man da vergeblich.

Europaweite WM-Qualifikation Fanal der Hybris

Wer im Fußball nach fragwürdigen Experimenten sucht, wird an anderer Stelle fündig. Die anstehende WM-Qualifikations-Periode europaweit wie geplant durchzuziehen, ist ein Fanal der Hybris. Und die U-21-EM auch im Hochrisiko-Land Ungarn abzuhalten, ist mindestens diskutabel. Das Gastgeber-Team, am Mittwoch erster Gegner der deutschen U 21, vermeldete vier Corona-Fälle. Zu befürchten ist, dass die Geisterbahnfahrt im internationalen Fußball noch einige erschreckende Überraschungen bereithält.