Über die U-21-EM berichten Michael Pfeifer und Carsten Schröter-Lorenz
Er stand da, wo ein Torjäger stehen muss. Anspielbar vor dem Tor und nicht im Abseits. Lukas Nmecha musste den Ball am Samstagabend nach dem herausragenden Durchbruch Jonathan Burkardts in den niederländischen Strafraum nur noch zum 1:1 einschieben. Bereits das zehnte Tor im 16. U-21-Spiel - eine herausragende Quote für den gebürtigen Hamburger, der schon an England "verloren schien.
Nmecha war acht Jahre alt, als seine Familie auf die Insel zog, schnell wurde er von Manchester City gesichtet, durchlief dort die Jugend sowie ab der U 16 auch alle Auswahlteams der Engländer - inklusive der U 21. Stefan Kuntz warb in vielen Gesprächen mit Nmecha und dessen Familie jedoch für einen Verbandswechsel, hatte Erfolg und nahm ihn als Joker schon mit zur EM 2019, die mit dem zweiten Platz endete.
Unter Kompany genießt Nmecha das Vertrauen
Danach zeigte der körperlich starke, dynamische und kopfballstarke 1,85-Meter-Mann noch mehr, wie wichtig Kuntz' Engagement war. Er erzielte all seine zehn Treffer in den zwölf U-21-Einsätzen seitdem. Der Hauptgrund für die starke Form: Endlich passt es auch im Verein. Seit Sommer spielt der 22-Jährige für den RSC Anderlecht, hat 16-mal in 32 Pflichtspielen getroffen. Beim belgischen Klub genießt er das Vertrauen von Trainer Vincent Kompany, der zuvor noch sein Teamkollege bei ManCity war.
Preston North End, VfL Wolfsburg und FC Middlesbrough - Anderlecht ist schon die vierte Leihstation für Nmecha. Während er in der Championship wichtige Erfahrungen sammelte, konnte er sich in der Bundesliga nicht durchsetzen. "Lukas ist in Anderlecht ein bisschen heimisch geworden, hat dort zur Ruhe gefunden", hat Kuntz beobachtet. Das gute Verhältnis zu Kompany sei ein Schlüsselfaktor: "Das tut ihm gut. Es tut ihm für die Persönlichkeitsentwicklung aber auch gut, dass er schon auf mehreren Stationen auf sich allein gestellt ist, ohne Mutter, Vater, Bruder und Schwester", findet Kuntz, der die Familie Nmecha von diversen Treffen kennt und lobt: "Lukas ist insgesamt verantwortungsvoller geworden, und liefert auch im Klub konstant Leistung und Tore ab."
Wo geht es für Nmecha weiter?
Da der Vertrag beim englischen Tabellenführer 2022 endet, geht es für Nmecha in diesem Sommer um eine längerfristige Klub-Perspektive. "Er wartet die Saison ab, um über seine Zukunft zu entscheiden", weiß Kuntz, der als früherer Torjäger und Hauptverantwortlicher für Nmechas Verbandswechsel einen besonders engen Draht zu seinem treffsichersten Stürmer hat.
Falls am morgigen Dienstag gegen Rumänien der Einzug in die EM-Endrunde gelingt, kann die U 21 auch noch im Mai und Juni von der Treffsicherheit des echten Neuners mit der Nummer 10 auf dem Trikot profitieren - und von der lockeren Art. "Ich finde es ganz spannend. Er wirkt ja wie eine coole Socke, der viel sein Ding macht. Aber immer, wenn ich mit ihm rede, ist er sehr offen und auch ein gläubiger Typ, was mir persönlich gut gefällt", beschreibt Teamkollege Amos Pieper den Typen Nmecha: "Er ist für jeden Spaß zu haben, wie eigentlich jeder in der Truppe."
Kuntz: "Ich setze den Jungs keine Rucksäcke auf"
Der Teamgeist ist seit Jahren das große Pfund des von Cheftrainer Kuntz geführten U-21-Teams. Einen Unterschied in den homogenen Ensembles macht letztlich aber dann doch die sportliche Qualität. Und da gehört Nmecha eindeutig zu den Spitzenkräften: "Lukas geht vor allem mit Leistung auf dem Platz voran", betont Pieper.
Und ist damit vielleicht auch bald ein Kandidat für das im Sturmzentrum chronisch unterbesetzte A-Nationalteam? "Er hat sich bei uns als Topstürmer etabliert", sagt Kuntz, bremst aber: "Ich setze den Jungs keine Rucksäcke auf. Es ist ein extremer Sprung in die A-Nationalmannschaft." Dennoch: "Mir gefällt seine Entwicklung, und die ist noch nicht zu Ende." Man sollte auf alle Fälle weiterhin ein Auge auf den "England-Import" haben.
