Aus Leipzigs Trainingslager in Aigen im Ennstal berichtet Andreas Hunzinger
Wenn man Christopher Nkunku so auf dem Podium des Medienraums im Mannschafts-Hotel der Leipziger in Aigen sitzen sieht, mutet er nicht wie einer an, der auf dem Sprung zum einem Superstar am Fußball-Firmament ist. Der 24-Jährige gibt sich freundlich, aber gleichermaßen zurückhaltend.
Der RB-Shootingstar hat die Arme verschränkt, und seine Blick wandert bei den Antworten auf die Fragen zwischen dem Fragesteller, Dolmetscher Babacar N‘Diaye und der Tiefe des Medienraumes hin und her. Vollmundige Parolen sind von Nkunku nicht zu vernehmen, die Nummer 18 von RB bedankt sich vielmehr bei einem Journalisten, der ihm bei der Fragestellung attestiert, in der vergangenen Saison von einem guten zu einem außergewöhnlichen Spieler geworden zu sein.
Nkunkus Auftritt vor den Reportern ist ein Gegenentwurf zu dem, was der französische Nationalspieler (6 Einsätze bislang) auf dem Fußballplatz abliefert. Dort ist er bisweilen bis an die Grenze frech, virtuos und doch geradlinig sowie mit der Kälte beim Handeln ausgestattet, die ein Torjäger und Unterschiedsspieler benötigt.
Mit den Füßen hat Nkunku in den vergangenen Monaten zahlreiche Ausrufezeichen gesetzt: 57 Scorerpunkte in 52 Pflichtspielen der vergangenen Saison hat der feingliedrige Mann aus östlichen Pariser Vorort Lagny-sur-Marne für RB Leipzig in der Spielzeit erzielt und war damit die Versicherung auf dem Weg zur erneuten Qualifikation für die Königsklasse sowie zum Pokalsieg in Berlin gegen den SC Freiburg.
Ich habe hier eine Aufgabe begonnen, und die ist noch nicht zu Ende.
Christopher Nkunku
Doch wenn Nkunku über seine Taten der vergangenen Saison spricht, wirkt er beinahe demütig. "Ich bedanke mich bei der Mannschaft", sagt er, "ohne mein Team hätte ich nicht so gut spielen können." Auch bei der Frage, was es ihm bedeute, dass die Bundesligaprofis ihn zum Spieler der Saison 2021/22 gewählt haben, kommt er auf seine Kollegen zurück. "Die Jungs haben mir sehr viel geholfen", sagt er. "ich freue mich, dass ich diesen Titel gewonnen habe, aber ich teile ihn mit meinen Mitspielern."
Verlockungen nicht erlegen
Dennoch hat Nkunku für Aufsehen gesorgt und andernorts Begehrlichkeiten geweckt. Die Top-Klubs Europas haben ihn auf dem Zettel. Paris St. Germain, der Verein, bei dem Offensivakteur ausgebildet wurde und von dem er 2019 nach Leipzig gekommen war, meldete deutliches Interesse an einer Rückkehr an. Doch Nkunku ist den Verlockungen nicht erlegen. Zumindest zunächst nicht. Ende Juni verlängerte der 1,79 Meter große und 73 Kilo schwere Techniker seinen noch bis 2024 laufenden Vertrag bei RB bis 2026 - nach kicker-Informationen ohne Ausstiegsklausel.
"Das ist für mich selbstverständlich gewesen", sagt er, "ich habe hier eine Aufgabe begonnen, und die ist noch nicht zu Ende." Nkunku hat "sehr viel Spaß" in Leipzig, in Domenico Tedesco einen Trainer, "der mir Freiheiten gibt" und den Glauben, dass er mit RB noch einiges erreichen kann. "Was wir erreicht haben, ist gut, aber wir wollen uns darauf nicht ausruhen", stellt er klar, "wir wollen noch mehr". Dass noch mehr gleichzusetzen mit dem Meistertitel ist, sagt Nkunku allerdings nicht. Zumindest nicht direkt.
Doch Grenzen nach oben zu verschieben, das hat der Leipziger Topstar schon noch vor. So will er seine Saisonleistung 2021/22 mindestens bestätigen. "Ich will das Level halten oder noch mehr", sagt er. Und das mit RB Leipzig.
Die Frage, ob er denn über die kommende Saison hinaus bei den Sachsen bleibe, oder im Sommer 2023 für sehr viel Geld zu einem europäischen Großklub wechsele, scheint Nkunku zunächst zu amüsieren, ehe er mit Nachdruck antwortet: "Ich habe meinen Vertrag bewusst verlängert. Ich habe nicht den Vertrag verlängert, um nächstes Jahr den Verein zu verlassen." Er könne nicht hellesehen, was in Zukunft passiere, "aber ich weiß, dass ich mich bei RB sehr wohl fühle. Ich habe hier noch Arbeit zu erledigen."
Und dann ist da noch die WM im Winter in Katar. Nkunku wäre natürlich gerne dabei, weiß jedoch um die riesige Konkurrenz im französischen Nationalteam. "Ich muss mir meinen Platz im Team erarbeiten", sagt er. Es ist Nkunku zuzutrauen, dass ihm das gelingt.