Uruguay, Ägypten, Saudi-Arabien - das konnte ja wohl kaum mit rechten Dingen zugegangen sein. Nach der WM-Auslosung vergangenen Dezember dauerte es nicht lange, bis die Verschwörungstheorien bezüglich der leichten Gruppe für den Gastgeber die Runde machten. In Russland wuchs die Euphorie nach den Losen noch zusätzlich. Die Erwartungshaltung ist groß, dass das Team sie erfüllen kann, allerdings fraglich. Denn seit der Auslosung hat sich einiges getan - und damit ist nicht nur der rasante Aufstieg des momentan noch angeschlagenen Mohamed Salah zu einem der besten Spieler der Welt gemeint.
Verletzungspech plagt Cherchesov - Schwachstelle Abwehr
Als er nach der missglückten EM 2016 etwas überraschend als Nationaltrainer von Leonid Slutsky übernahm, kündigte Stanislav Cherchesov einen radikalen Umbruch an. Eine seiner ersten Entscheidungen war die Abkehr vom traditionellen 4-4-2-System hin zu einer Dreierkette bzw. einem 5-3-2. Das Problem: Ohne die alten Abwehr-Recken - die Berezutsky-Zwillinge und Sergey Ignashevich traten 2016 zurück - suchte Cherchesov lange nach der idealen Abwehrbesetzung. Gefunden hat er sie immer noch nicht so richtig - auch aufgrund von zahlreichen Verletzungen musste er (nicht nur die Abwehr) immer wieder umstellen. Die Defensive ist nach den Ausfällen der beiden Leistungsträger Georgi Jikia und Victor Vasin die große Schwachstelle der Russen. Angesichts der Verletzungsmisere kehrte gar Ignashevich zurück und könnte sogar in der Startelf stehen - mit 38.
Kokorins Ausfall schmerzt: Hoffnung ruht auf Golovin
In der Offensive gab es mit dem Kreuzbandriss von Aleksandr Kokorin aber den wohl schmerzhaftesten Ausfall zu beklagen. Seine Geschwindigkeit fehlt der Sbornaja jetzt. So ruhen die Hoffnungen ganz vorne auf Fyodor Smolov (FK Krasnodar) und insgesamt vor allem auf Youngster Aleksandr Golovin (ZSKA Moskau), von dem im zentralen Mittelfeld fast alle Spielzüge ausgehen . Ob der 21-Jährige dieser Drucksituation gewachsen ist, muss sich zeigen. Auch die Miranchuk-Zwillinge Aleksey und Anton (22) gelten als Hoffnungsträger.
Russische Hoffnungsträger: Die Miranchuk-Zwillinge Anton (r.) und Alexey. Getty Images
Droht zum zweiten Mal ein Gastgeber bei der WM zu scheitern? Die Testspiel-Ergebnisse lassen Schlimmes befürchten. Nachdem es auch in den abschließenden Tests gegen Österreich (0:1) und die Türkei (1:1) keinen Sieg gab, startet der Gastgeber mit einer Serie von sieben sieglosen Auftritten ins Turnier. Selbst Staatschef Vladimir Putin meinte unlängst nur noch, er erwarte, "dass das Team mit Würde spielt".
Mit einem Erfolgserlebnis ins Turnier zu starten, wäre für die Sbornaja enorm wichtig, um neue Euphorie zu entfachen. Im Eröffnungsspiel gegen Saudi-Arabien, dem Duell der beiden in der FIFA-Weltrangliste am schlechtesten platzierten WM-Teilnehmer, muss unbedingt ein Sieg her - sonst wird es trotz Heimvorteil eng. Mehr als das Achtelfinale, das Russland bei den drei WM-Teilnahmen seit dem Zerfall der Sowjetunion 1994, 2002 und 2014 verpasste, wäre ohnehin eine Überraschung.