Bundesliga

Dardai und Hertha: Vom Weg abgekommen

Kommentar von kicker-Redakteur Jan Reinold

Dardai und Hertha: Vom Weg abgekommen

Arbeiten nach der Saison nicht mehr zusammen: Pal Dardai und Michael Preetz.

Arbeiten nach der Saison nicht mehr zusammen: Pal Dardai und Michael Preetz. imago

Mit der Entscheidung rückt nun auch die Mannschaft in den Fokus. Die Profis, von denen in den vergangenen Wochen einige den Eindruck erweckten, die Saison austrudeln lassen zu wollen und von der Klärung der eigenen Zukunft abgelenkt zu sein, sind gefragt, dem 43-Jährigen den Abschied zu bereiten, der ihm zusteht. Seit Februar 2015 war Dardai als Cheftrainer im Amt. Zunächst rettete er Hertha vor dem Abstieg - damit im Übrigen auch den damals angezählten Manager Michael Preetz. Danach trug Dardai wesentlich dazu bei, den Klub zu stabilisieren und den Weg als Aus- und Weiterbildungsverein zu beschreiten.

Trennung als logische Folge

Zweimal erreichte Hertha unter Dardai, der sein halbes Leben beim Hauptstadtklub verbracht hat, die Europa-League-Plätze. Bereits in der vergangenen Saison aber blieb man hinter den Erwartungen, was schon im Sommer zu Zweifeln an der Klubikone führte. Das Festhalten an dem bei vielen Fans beliebten Trainer lässt sich mit den Verdiensten erklären, die sich Dardai erworben hat. In dieser Saison traten dann jedoch mehr und mehr Risse auch im Binnenverhältnis zu Tage. In den vergangenen Wochen, nachdem Hertha im Niemandsland der Tabelle eingetroffen war, waren die Abnutzungseffekte in der einstigen Traumehe nicht mehr zu übersehen, eine Trennung die logische Folge.

Preetz und Dardai entzweien sich

Schon seit Monaten trat Preetz auch öffentlich fordernder gegenüber seinem früheren Teamkollegen und jetzigen Untergebenen auf, so beispielsweise im Sommer, als der Manager sich eine attraktivere Spielweise wünschte. Dardai reagierte auf diese und andere Wortmeldungen mitunter mit Unverständnis, bisweilen ungehalten. Meinungsverschiedenheiten wurden auch im November deutlich, als Preetz vor dem Heimspiel gegen Leipzig bei Mannschaft und Trainerteam mit dem Ansinnen scheiterte, eine gemeinsame öffentliche Aktion für den bei vielen Fans umstrittenen Paul Keuter, der in der Geschäftsführung unter anderem für die digitale Transformation zuständig ist, durchzuführen. Nach dem Ende der Hinrunde fand Preetz dann klare Worte für die zu oft inkonstant auftretende Mannschaft und formulierte Europapokal-Ambitionen. Dardai, der sich als Realist sieht, tat das als unrealistisch ab und betonte gerne, dass die Qualität für mehr (noch) nicht reiche, Geduld gefragt sei. Auch dieses wie Schicksalsergebenheit wirkende Auftreten stieß zunehmend auf Unverständnis.

Nächster Entwicklungsschritt ohne Dardai

Am Ende setzte sich in der Klubführung die Erkenntnis durch, dass man Dardai den nächsten Entwicklungsschritt mit der talentierten Mannschaft nicht mehr zutraute. Zugutehalten muss man dem Bundesliga-Rekordspieler des Klubs, dass die vielen Verletzungen in dieser Saison Stabilität nicht beförderten, ihn immer wieder zu Umstellungen zwangen. Intern warfen die vielen Ausfälle aber auch die Frage auf, ob eine zu niedrige Trainingsintensität mitverantwortlich für die anhaltenden Probleme waren.

Hertha verliert das Gesicht des Vereins

Im Sommer endet für Dardai nach dann viereinhalb Jahren die Zeit als Cheftrainer. Seinem Nachfolger wird klar sein müssen, dass Hertha nur über bescheidene Mittel verfügt. Abzuwarten bleibt, ob interessante Spieler wie Neu-Nationalspieler Niklas Stark oder Valentino Lazaro mit der Aussicht auf einen Neustart gehalten werden können. Möglicherweise verändert sich das Gesicht der Mannschaft im Sommer deutlich. In jedem Fall verliert Hertha mit der Trennung von Dardai denjenigen, der über vier Jahre das Gesicht des Vereins war. Die Berliner, die insbesondere bundesweit, aber auch vor der eigenen Haustür in der Hauptstadt um Aufmerksamkeit kämpfen, müssen auch dieses Problem künftig bewältigen.

Dardai stellt sich

Klubchef Werner Gegenbauer findet in der Öffentlichkeit seit Jahren praktisch nicht statt, was für den gewählten Präsidenten eines Vereins mit über 35.000 Mitgliedern ein Unding ist. Und Preetz, laut Stellenprofil verantwortlich für die Bereiche Sport sowie Kommunikation/Medien, sucht nicht das Licht der Öffentlichkeit, ist kein Volkstribun - und will das auch nicht sein. Dardai hingegen stellte sich fast täglich den Fragen der Journalisten, bei Wind und Wetter, bei Sieg oder Niederlage, zum Teil auch an trainingsfreien Tagen. Das nötigt Respekt ab, gerade in einer Zeit, in der mehr und mehr Vereine Abschottung zur Maxime ihrer Öffentlichkeitsarbeit erkoren haben.

Zunehmend dünnhäutiger

Zuletzt wirkte Dardai allerdings zunehmend dünnhäutiger und versuchte, die im Klub und im Umfeld stärker werdende Unruhe und Unzufriedenheit auf gezielte Kampagnen der Medien zurückzuführen ("geplanter Mord"). Der clevere Ungar, der manchmal zu emotional wurde, lange allerdings auch als Medienprofi glänzte und oft gezielte Ablenkungsmanöver inszenierte, kam dabei vom Wege ab. Wie seine Mannschaft in der Liga.

kicker-Redakteur Jan Reinold

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