Bundesliga

Ein verblüffender Schritt: Joachim Löw und das Risiko - Ein Kommentar von kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

Ein Kommentar von kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

Ein verblüffender Schritt: Löw und das Risiko

Hat Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels (im Bild) aus der DFB-Mannschaft aussortiert: Bundestrainer Joachim Löw.

Hat Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels (im Bild) aus der DFB-Mannschaft aussortiert: Bundestrainer Joachim Löw. imago

Selbst wenn in den offiziellen Verlautbarungen seitens der DFB-Oberen - außer Löw äußerten sich noch Präsident Reinhard Grindel und Direktor Oliver Bierhoff - keine Endgültigkeit mitgeteilt wird, so klingen die Statements bezüglich Müller, Hummels und Boateng doch definitiv: Ein mögliches Comeback wird mit keiner Silbe angedeutet, stattdessen die neue Zukunft beschworen.

Wo die drei auch durch ihre vielen internationalen Auftritte in der Champions League höchst erfahrenen Bayern-Profis nach der völlig entgleisten Russland-WM 2018 zusammen mit Toni Kroos noch die neue Achse für eine wieder bessere Zukunft bilden sollten, sind sie nun plötzlich komplett überflüssig geworden . Dabei hatte es im Herbst 2018 noch geheißen, dass Müller ach so wichtig für das Binnenklima sei, eine knappe halbe Stunde hatte er sich gegen die Niederlande sogar noch in sein 100. Länderspiel schleppen dürfen; und Hummels war bei jenem 2:2 zum Jahresabschluss 2018 gegen Holland eine ansehnliche Partie gelungen.

Spielersteckbrief J. Boateng
J. Boateng

Boateng Jerome

Spielersteckbrief Hummels
Hummels

Hummels Mats

Spielersteckbrief T. Müller
T. Müller

Müller Thomas

Der Zeitpunkt verblüfft

Deshalb verblüfft der Zeitpunkt der neuen Einsicht und der Bekanntgabe. Immerhin war es stilvoll, diesen drei Nationalspielern, die die zurückliegende Erfolgsdekade entscheidend mitgeprägt haben, diese krasse Entwicklung Auge in Auge mitzuteilen. Ob die warmen Worte ihrer Lebensleistung für den DFB gerecht werden? Die enorme Enttäuschung der drei Betroffenen wurde dadurch jedenfalls - und nachvollziehbar - nicht gemindert.

Jeder dieser drei Akteure wollte weiterhin in der DFB-Auswahl mitwirken, die EURO 2020 und dort die Korrektur des 2018er WM-Versagens waren ihr erklärtes Ziel. Und mit 30 Jahren sollte ein Fußballprofi heutzutage noch rundum leistungsfähig sein - er muss es aber eben nachweisen. In diesem Zusammenhang drängt sich natürlich die Frage nach Marco Reus (29) auf - nicht wegen dessen unbestrittener Klasse, sondern wegen seiner eingeschränkten Belastbarkeit. Kann der Dortmunder Kapitän der Nationalmannschaft mit seinen häufigen Ausfallzeiten auf Dauer wirklich weiterhelfen?

Abwehrchef Süle & Co.

Zur jungen Generation zählt Reus jedenfalls nicht. Diese nachrückenden Kräfte sollen es nun aber richten, sich vollumfänglich entfalten und die Verantwortung übernehmen, angeleitet von Kapitän Manuel Neuer (32) und von Toni Kroos (29). Diese zwei sind allein von der einstigen Führungsriege übriggeblieben. Ambitionierte Spieler wie Joshua Kimmich (24), Leon Goretzka (24) oder Julian Draxler (25) bietet sich nun die Gelegenheit, in Führungsrollen hineinzuwachsen; Niklas Süle (23) wird den Abwehrchef geben müssen. Und die wegen ihres flotten Spieltempos zuletzt umjubelten Leroy Sané, Timo Werner, Serge Gnabry, Julian Brandt oder Kai Havertz müssen ihre feinen Talente fortan in der Härte des Wettkampfes nachweisen und da Widerstand leisten, schon in den Bewerbungsspielen zur EM 2020 sowie - bei erfolgter Zulassung - gerade auch dort, wenn um die kontinentale Krone gespielt wird.

kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

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Löw hat die nach der WM-Pleite zunächst zögerliche Personalreform - einzig Sami Khedira und Boateng waren, es hieß: vorübergehend, aussortiert worden - nun mit einem radikalen Schritt nachgereicht. Der Bundestrainer geht damit auch ein gewisses Risiko, seinen häufigen Hinweis auf die so nötige Erfahrung hat er gestrichen. Die junge Garde muss das von ihrem Chef jetzt üppig entgegengebrachte Vertrauen bestätigen. Bei allem Wohlwollen für neue Gesichter muss sie in einem erfolgsgewohnten Fußballland wie Deutschland schnell liefern. Schon am 24. März in Amsterdam, wenn es zum Start der EM-Qualifikation gegen die Niederlande geht.