Schon vor dem Duell mit dem BVB las sich Atubolus Leitungsbilanz aus seinen ersten drei Bundesligapartien durchwachsen. Beim Auftakt bei der TSG Hoffenheim (2:1/ kicker-Note 4,0) hatte der U-21-Nationalkeeper Glück, dass ein Gegentor nach einem groben Patzer wegen Abseits aberkannt wurde. Gegen Bremen (1:0/3,0) blieb er dank solider Leistung ohne Gegentor, ehe er sich in Stuttgart gleich fünf einfing (0:5/5,0).
Besonders beim zweiten Treffer, einem Flachschuss von Serhou Guirassy aus dem Stand und etwa 17 Metern Entfernung ins Torwarteck, machte er eine schlechte Figur. "Er kämpft und arbeitet sich in die Saison rein - wie die gesamte Mannschaft", sagte Sportdirektor Klemens Hartenbach vorige Woche im Gespräch mit dem kicker: "Er hat uns zwar noch nicht im Alleingang Punkte gerettet, aber auch noch keine gekostet."
Er schafft sich eine Basis, von der aus die Ausschläge nach oben kommen werden.
Klemens Hertenbach
Hartenbach kann diesem schrittweisen Gewöhnungsprozess durchaus etwas abgewinnen, hofft gleichzeitig natürlich aber auch auf Verbesserungen: "Er schafft sich eine Basis, von der aus die Ausschläge nach oben kommen werden. Wichtig ist, dass er jedes Spiel, jede Situation reflektiert und dementsprechend seine Verhaltensweisen anpasst. Dann kann er auf jedem Spiel aufbauen."
Verunsicherung statt Glanzparaden
Nach den 90 Minuten am Samstag muss man konstatieren: Es ist für Atubolu ein schwieriger Weg bis zur Fertigstellung der Basis - und es gibt noch einigen Bedarf für Anpassungen. Die Hoffnung, sich gegen ein Topteam wie Dortmund womöglich auszeichnen zu können, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil.
Statt Glanzparaden sahen die Zuschauer Verunsicherung beim hoch veranlagten neuen Stammkeeper, vor allem in der Schlussphase. Erst stocherte ihm Mats Hummels den Ball im Fünfmeterraum zum wegweisenden 2:3 durch die Beine. Danach rauschte ein scharfer Pass quer durch den Fünfmeterraum, Atubolu hatte Glück, dass sein DFB-Juniorenkollege Youssoufa Moukoko nicht schnell genug reagierte. Als Marco Reus auf ihn zustürmte, gelang es ihm nicht mehr, den Winkel entscheidend zu verkürzen, und der Ball flog über seinen Arm zum 2:4 ins Netz.
Ich bin nicht überrascht.
Christian Streich
"Noah hat vor zwei Wochen fünf Tore bekommen und heute vier. Das ist ein richtiges Paket. Auszeichnen konnte er sich fast nicht", fasst Christian Streich die Anfangswochen seines jungen Schlussmanns zusammen, zeigt sich deshalb, zumindest öffentlich, aber noch nicht beunruhigt: "Das ist genau das, was passieren kann. Das passiert mit einem älteren Torwart und einem jüngeren in gewissen Phasen. So Phasen gibt es, ich bin nicht überrascht. Von daher her alles okay."
Atubolu habe mit Michael Müller gesprochen und werde weiter mit dem Torwarttrainer sprechen. "Und dann gehen wir ins nächste Spiel", sagt Streich, der großes Vertrauen in seinen Spezialisten im Trainerstab hat: "Das meiste macht Michael mit ihm, dann sind wir anderen Trainer auch noch hier. Aber die arbeiten top, Michael ist ein super Torwarttrainer, der hat schon viel erlebt, er ist ausgebildet von Krone (Andreas Kronenberg, Bundestorwarttrainer, Anm. d. Red.)."
Kein Risiko im Aufbau: Weniger Qualität, aber Lob von Hartenbach
Müller und Atubolu werden naturgemäß nicht nur über die Gegentore reden und versuchen, einen Weg zu finden, wie der junge Keeper wieder zu mehr Lockerheit und Selbstvertrauen findet. Eigentlich eine große Stärke des Modellathleten, der gegen Dortmund mitunter verkrampft wirkte. Während ohnehin klar war, dass Atubolu in puncto Strafraumbeherrschung Steigerungsbedarf aufweist, ist er fußballerisch grundsätzlich begabt. In der aktuellen Situation traut er sich im Aufbauspiel allerdings nicht viel zu, meidet das Risiko.
Durchaus nachvollziehbar, dadurch fehlt dem SC jedoch in manchen Szenen Qualität gegenüber der vorigen Saison. Hartenbach findet Atubolus Ansatz in diesem Bereich aber richtig. "Wir hatten zuletzt Mark Flekken im Tor, der fußballerisch mit beiden Füßen zu den Besten in der Liga gezählt und das im Aufbau auch mit Risiko angewendet hat. Noah versucht nicht, mit aller Gewalt ein Flekken II zu sein, sondern lässt auch mal Vorsicht walten in der Risikoabwägung. Das ist gut", sagte Hartenbach vor dem Dortmund-Spiel.
Am wichtigsten wird nun mehr denn je sein, dass Atubolu ein paar Bälle hält. Am besten auch mal einen schwierigen, um der Mannschaft eine Hilfe sein zu können und Sicherheit für die Vorderleute auszustrahlen. Nächste Chance: Am Donnerstag in der Europa League bei Olympiakos Piräus. Im Hexenkessel der griechischen Hafenstadt dürfte der SC-Torwart einiges zu tun bekommen.