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Musche: "Ich würde wahrscheinlich heulen vor Freude"

Der Top-Torschütze der Bundesliga im großen kicker-Interview

Musche: "Ich würde wahrscheinlich heulen vor Freude"

Als Talent bei der WM 2015 und als einer der formstärksten Bundesligaspieler: Matthias Musche vom SC Magdeburg.

Als Talent bei der WM 2015 und als einer der formstärksten Bundesligaspieler: Matthias Musche vom SC Magdeburg. imago (2)

kicker: Der 4. Februar 2007 war ein geschichtsträchtiger Tag für den deutschen Handball. Wissen Sie noch, wo und mit wem Sie das Finale beim letzten WM-Titel der DHB-Auswahl verfolgt haben, Herr Musche?

Matthias Musche: Ich habe zu Hause mit meinen Eltern geguckt. Ich komme ja aus einer Handballer-Familie und deshalb war das auch klar, dass meine Eltern das gucken. Wir saßen zusammen im Wohnzimmer, und das war sehr emotional. Ich war damals natürlich ein jugendlicher Handball-Fan, das war schon unglaublich.

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kicker: Ihr einziges großes Turnier mit der A-Nationalmannschaft war bislang die WM 2015 in Katar, unter Dagur Sigurdsson belegte das DHB-Team damals den siebten Platz. Vor der EM 2018 hatten Sie in der Bundesliga sehr wohl überzeugt, wurden dann aber nicht berücksichtigt und haben Ihre Enttäuschung auch zum Ausdruck gebracht. Wie hat Christian Prokop den Verzicht damals begründet?

Musche: Er muss das ja nicht begründen. Er trifft seine Entscheidung, bei der er denkt, dass diese die beste für die Mannschaft ist. Da ist es als Sportler auch so, dass man enttäuscht sein kann. Ich glaube, es wäre auch schlimm, wenn man nicht enttäuscht wäre. Aber man muss es akzeptieren, und man macht einfach weiter seinen Job.

kicker: Diesmal führt kaum ein Weg an Ihnen vorbei, in der Bundesliga sind Sie mit 145 Toren aus 16 Spielen und einer Wurfquote von fast 80 Prozent der unangefochtene Anführer der Torschützenliste. Wie erklären Sie sich selbst diesen Lauf?

Musche: Ich habe ganz viel Spielzeit und ich werfe diese Saison das erste Mal die Siebenmeter, dadurch kommen dann natürlich auch mehr Tore zustande.

kicker: In einem Telefonat hat mir Ihr Nationalmannschaftskollege Steffen Weinhold jüngst über Sie gesagt, dass ihn neben Ihrer unglaublichen Quote auch Ihre stetige Weiterentwicklung beeindruckt. Wie haben Sie das selbst über die letzten Jahre wahrgenommen?

Musche: Ich denke, ich spiele seit nunmehr drei Jahren relativ konstant. Aber klar stimmt das, dass ich Jahr für Jahr einen Schritt nach vorne gemacht habe. Das freut mich natürlich, dass Steffen Weinhold das sagt, und das ist schon wirklich eine Ehre für mich. Aber ich hoffe auch, dass die Entwicklung noch nicht vorbei ist. Ich bin 26 und ich möchte mich auch gerne noch weiter entwickeln.

kicker: Mit 26 Jahren haben Sie noch die besten Handballer-Jahre vor sich. Mit der Auszeichnung als Torschützenkönig sieht es ja schon mal sehr gut aus: Welche Titel peilen Sie in den nächsten Jahren noch an?

Musche: Letztlich braucht man jetzt nicht über die Titel sprechen, die im nächsten Sommer vergeben werden. Wir müssen einfach Woche für Woche ehrliche Arbeit im Training und im Spiel abliefern. Die Torschützenliste ist mir eigentlich relativ egal. Wenn ich der Mannschaft mit meinen Toren helfen kann, mache ich das auch gerne.

kicker: Die Konkurrenz auf Linksaußen war in der Vergangenheit und ist noch immer riesengroß. Speziell mit Kapitän Uwe Gensheimer haben Sie einen Ausnahmekönner vor sich. Sie können das als Positionskollege wohl am besten beurteilen: Was zeichnet ihn aus und macht ihn wertvoll für die Mannschaft?

Musche: Was ihn auf jeden Fall am wertvollsten macht, ist, dass er auf unserer Position einer der Besten der Welt ist. Da muss er natürlich seine Qualitäten aufs Feld bringen, dann ist er extrem wertvoll. Er ist ein guter Siebenmeterschütze und ist einfach auch schon erfahren. Er hat jahrelange Champions-League- und Nationalmannschafts-Erfahrung. Das kann sehr hilfreich sein.

kicker: Im Verein sind Sie unangefochtener Stammspieler, in der Nationalmannschaft müssen Sie sich wohl als Stellvertreter beweisen. Wird das nicht ungewohnt für Sie?

Musche: Als ich beim SCM angefangen habe, da war ich auch nicht sofort Stammspieler. Das ist keine unbekannte Situation für mich. Klar ist es aber auch so, dass man eine Rolle annehmen muss, die in einer Mannschaft auf einen zufällt. Wenn das bei mir so ist, dass ich wichtige Minuten spielen muss, wo Uwe eine Pause braucht, dann möchte ich da auch optimal meine Leistung bringen. Keine Frage.

Mich persönlich hat es auch sehr getroffen, denn ich kenne Julius schon sehr, sehr lange.

kicker: Sie haben in Berlin eine anspruchsvolle Vorrundengruppe vor der Brust. Wie schätzen Sie die einzelnen Gegner der deutschen Mannschaft ein?

Musche: In der Nationalmannschaft ist es wie in der Bundesliga, da wird jedes Spiel schwer. Das ist einfach so. Die Mannschaften können alle gut Handball spielen. Deshalb brauchen wir auch nicht groß darüber nachdenken, gegen wen es einfach oder schwer wird. Das erste Spiel gegen Team Korea ist erstmal das wichtigste. Darauf müssen wir uns fokussieren, um einen guten Start hinzulegen.

kicker: Wie hat das Team eigentlich die schwere Verletzung von Julius Kühn (Kreuzbandriss) aufgenommen, der einer der Hoffnungsträger für die WM im eigenen Land war?

Musche: Das ist ein riesiger Rückschlag. Julius Kühn ist ein super Spieler, der eine unglaubliche Power hat. Das hätte uns sicherlich geholfen, trotzdem müssen wir versuchen, das mit mannschaftlicher Geschlossenheit aufzufangen. Mich persönlich hat es auch sehr getroffen, denn ich kenne Julius schon sehr, sehr lange. Wir haben in der Juniorennationalmannschaft schon zusammengespielt, deswegen ist es auch umso trauriger.

kicker: Was halten Sie grundsätzlich davon, dass im Handball jedes Jahr ein Großereignis stattfindet? Wäre es nicht besser - auch im Sinne der andauernden Belastungsdebatte - wie im Fußball nur jedes zweite Jahr eine EM oder WM stattfinden zu lassen?

Musche: Für Champions-League-Spieler ist das eine große Belastung. Es sind einfach sehr viele Spiele und wenig Freizeit, das stimmt. Aber ich muss sagen, dass ich das ein bisschen anders sehe als die meisten meiner Kollegen aus der Bundesliga. Ich habe als Kind immer davon geträumt, Handballprofi zu sein. Deshalb ist es für mich nach wie vor eine Ehre, solche Spiele spielen zu dürfen. Und wenn das jedes Jahr der Fall ist, finde ich das toll. Aber von der Belastung her ist das für Champions-League-Spieler schon ein Brett.

kicker: In der Bundesliga gibt es gerade auch einige talentierte, junge deutsche Linksaußen, um mit Melsungens Yves Kunkel mal nur einen zu nennen. Können Sie da ein Talent herausheben, das für Sie am vielversprechendsten ist?

Musche: Das wäre unfair, da jetzt einen hervorzuheben. Aber ich glaube, das, was Sie sagen, trifft es schon. Es gibt in Deutschland immer wieder viele junge Talente, die nachkommen. Oftmals sieht man das noch gar nicht mit 18 oder 20, sondern die kommen dann peu á peu nach - und der Beste muss sich dann durchsetzen. Ich weiß auf jeden Fall, dass Deutschland da keine Angst haben braucht. Es gibt genug gute Talente.

kicker: Beim DHB-Pokalsieg 2016 ging es in Magdeburg feuchtfröhlich zu. Mal rein hypothetisch: Was denken Sie, wäre in der Stadt los, wenn der SCM in mittelfristiger Zukunft die erste deutsche Meisterschaft seit 2001 holen würde?

Musche: Die deutsche Meisterschaft ist für den SC Magdeburg und auch für mich persönlich das Allergrößte, was man erreichen könnte. Ich würde wahrscheinlich heulen vor Freude. Es gibt allerdings auch ein großes Aber: Es gibt vier, fünf Mannschaften, die in den nächsten Jahren auch dafür in Frage kommen. Die Teams arbeiten genauso hart wie wir dafür. Deswegen gehört eine Menge dazu, man braucht auch ein bisschen Glück. Es bleibt erstmal beim Traum, aber träumen soll ja erlaubt sein.

Ich möchte auf keinen Fall meine Handball-Karriere mit 32 beenden.

kicker: Sie haben Ihren Vertrag im September bis 2024 verlängert. Sie sind in Magdeburg geboren und schon immer beim SCM. Gibt es die Chance, dass Sie Ihre Karriere auch dort beenden werden?

Musche: Die Chance besteht. Aber ich habe jetzt einen Vertrag unterschrieben, bis ich 32 Jahre alt bin. Und ich möchte auf keinen Fall, wenn das funktioniert, meine Handball-Karriere mit 32 beenden. Von daher ist es jetzt einfach schwer zu sagen, was man danach macht. Aber ich habe großes Vertrauen in den SCM, und denkbar ist es auf jeden Fall.

kicker: Zum Abschluss ein kurzer Abstecher zum Fußball. Magdeburg hat seit dieser Saison im Fußball einen Zweitligisten. Verfolgen Sie das Geschehen beim FCM und haben Sie zu irgendeinem Profi persönlich Kontakt?

Musche: Das haben wir. Ich bin ja Fußball-Fan und habe den FCM schon unterstützt, als die Mannschaft noch in der 4. Liga gespielt hat. Spieler, die da schon da waren, wie Christian Beck oder Christopher Handke, mit denen war ich damals schon befreundet und bin es noch heute. Mit Nils Butzen war ich zum Beispiel in einer Klasse auf dem Sportgymnasium. Der Kontakt besteht schon, und man unterstützt sich da gegenseitig.

kicker: Dass Sie sich für den Fußball interessieren, ist jetzt offensichtlich geworden. Gibt es außer dem FCM in Deutschland noch einen Verein, für den Ihr Herz schlägt?

Musche: Für den mein Herz schlägt, wäre auf jeden Fall übertrieben. Aber generell verfolge ich den Fußball und habe sicherlich auch zwei, drei Vereine, die ich sympathisch finde.

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