"Am Ende des Tages haben wir sie, offen und ehrlich gesprochen, nicht halten können", macht Nicolas Reber, Gründer und Geschäftsführer von GamerLegion (GL), gegenüber kicker eSport keinen Hehl daraus, was sich im Sommer im Counter-Strike-Team der deutschen Organisation abspielte. Kamil 'siuhy' Szkaradek und Ivan 'iM' Mihai waren GL nach dem überraschenden Finaleinzug beim CS:GO-Major in Paris entwachsen und wechselten zu MOUZ respektive Natus Vincere - weshalb Ersatz vonnöten war. Gefunden haben Reber und GL diesen in Sebastian 'volt' Malos und Sanzhar 'neaLaN' Iskhakov.
Rollen verstehen und Positionen aufgeben
Warum sich GamerLegion für 'volt' und 'neaLaN' entschied? "Einer der wichtigsten Faktoren für uns sind Chemistry und Rollenverteilung. Beides spielt irgendwo zusammen", leitet der GL-Geschäftsführer ein und zieht einen Vergleich zum Fußball: "Wenn ich einen Mittelfeldspieler habe, der die ganze Zeit vorne ist, weil er Tore schießen will, konkurriert er mit dem Stürmer. Dieser fühlt sich dann vielleicht bedrängt." So sei kein produktives Miteinander möglich. Stattdessen müsse sich "der Mittelfeldspieler auf seine Aufgabe besinnen, in 90 Prozent der Fälle ein Tor zu ermöglichen und ab und zu selbst zu treffen. Dann hat er seine Rolle verstanden".
Übertragen auf Counter-Strike bedeutet das: "Wir versuchen, fünf Spieler zu finden, die auf den diversen Karten die Doppelungen in ihren Rollen, die es immer gibt, akzeptieren. Und zwar in der Form, dass einer der Spieler seine typische Position aufgibt und kein Problem damit hat, woanders zu spielen."
Wenn drei Leute eine Ecke präferieren und nur an dieser hängen, geht das Spiel nicht auf.
Nicolas Reber, Geschäftsführer GamerLegion
Weshalb Flexibilität so wichtig ist, macht Reber mit einem simplen Beispiel deutlich: "Wenn drei Leute dieselbe Ecke auf einer Karte präferieren und nur an dieser Ecke hängen, dann geht das Spiel nicht auf. Bei drei Gängen hast du im Zweifelsfall zwei Gänge, die nur von jeweils einem Mitspieler gedeckt werden. Wenn über einen dieser Gänge alle fünf Gegner kommen, ist vielleicht die Rotation (Verschieben der Spieler von einem Gang zum anderen, d. Red.) zu lang."
Hier spielt die Chemie
Doch nicht nur örtlich ist das Miteinander ein entscheidender Faktor. Auch die Spielweisen des Quintetts müssen sich ergänzen. "Der eine Spieler ist sehr ruhig, der andere sehr aggressiv. Bedeutet in dem Fall: Der eine rennt nach vorne und erwartet Unterstützung, der andere möchte aber nicht unterstützen - schon wieder ein Problem." Deshalb müsse man laut Reber "sehr genau überlegen, welche Spieler zusammenspielen". "Da gibt es tatsächlich Chemie zwischen den Spielern", befindet er und betont: "Teamchemie ist ein Erfolgsgeheimnis im eSport. Daher ist es für uns sehr wichtig, hier das höchstmögliche Ergebnis zu erzielen, auch wenn es nie Garantien gibt."
Internationalität hat System: "Englisch ist die Sprache für uns"
Die Wahl der zwei Neuzugänge stellt zudem einmal mehr unter Beweis, wie international GamerLegion agiert. "In Counter-Strike ist es das erste Mal, dass wir einen Nicht-Europäer im Team haben. Das ist für uns einzigartig", so Reber zur Verpflichtung Iskhakovs, der aus dem zentralasiatischen Kasachstan kommt und von den Evil Geniuses zu GL wechselte.
Die Weltoffenheit hat bei der 2017 gegründeten Organisation ebenfalls System. "Englisch ist die Sprache für uns", erklärt Reber und begründet dies mit dem daraus resultierenden Vorteil auf dem Spielermarkt. "Wir haben einen Spielerpool von insgesamt 100 Prozent. Davon fallen für uns vielleicht 20 bis 25 Prozent weg, die dem Englischen nicht ganz so mächtig sind oder sich wirklich auf ihre eigene Sprache konzentrieren wollen", führt er aus und zieht den Vergleich zu in weniger verbreiteten Sprachen agierenden Teams: "Die haben nicht 80 oder 75 Prozent der Spieler zur Auswahl, sondern vielleicht nur 15, zehn oder fünf Prozent."
Wie GL sich dem Wettbieten entzieht
Daraus ergeben sich zwei weitere Aspekte: Einerseits werden Spieler mit spezifischem Sprachprofil teuer, wenn man sie erwerben will. Andererseits können Konkurrenten mit enger umrissenen Anforderungen ihre Mittel auf die wenigen Optionen konzentrieren, die es gibt: "Wenn du einen Spieler hast, der in der Top 30 der einzige passende Kandidat ist, können Teams die gesamte Energie und Ressourcen darauf verwenden, diesen einen Kandidaten zu holen." Entsprechend schwer werde es dann für GamerLegion, einen solchen Akteur überhaupt erst zu verpflichten beziehungsweise zu halten - weshalb GL sich diesem Wettbieten bewusst entzieht.
Was daraus resultiert, ist eine klar umrissene Strategie, die Reber wie folgt zusammenfasst: "Pool groß halten, Chemistry möglichst maximieren und das Ganze in der Form spannend und zukunftsorientiert aufziehen, dass du nie in Bedrängnis kommst."