Bundesliga

Magath im Interview: "Bei Hertha liegen die Probleme tiefer"

Vorjahres-Retter über Dardai-Mission und Dauerkrise des Klubs

Magath im Interview: "Bei Hertha liegen die Probleme tiefer"

Er hat seine Erfahrungen mit Hertha gemacht: Felix Magath.

Er hat seine Erfahrungen mit Hertha gemacht: Felix Magath. IMAGO/Eibner

Pal Dardai ist zum dritten Mal Hertha-Trainer. Ist das ein Mangel an Ideen oder eine gute Lösung für den Klub, Herr Magath?
Sie passt jedenfalls zur zuletzt geäußerten Philosophie des Berliner Wegs. Pal Dardai ist nah dran am Verein und der Mannschaft. Und eins ist auch klar: Durch seinen Sohn Marton hat er die besten Informationen. Kein anderer Trainer würde so gute Informationen bekommen. Von daher ist das eine Entscheidung, die man so treffen kann.

Er hat Hertha schon 2015 und 2021 gerettet, beide Male hatte er aber mehr Spiele als diesmal. Sind Herthas Chancen auf den Klassenerhalt durch den Wechsel von Sandro Schwarz zu Pal Dardai größer geworden?
Das Ganze sah jedenfalls nicht vorbereitet aus. Nur noch sechs Spiele - das ist eine schwierige Kiste. Am Samstag geht es gegen Bremen, die waren zuletzt auch nicht so gut drauf. Da geht für Hertha womöglich etwas. Wenn du während der Saison als Trainer kommst, brauchst du so schnell wie möglich einen Sieg, sonst glaubt dir die Mannschaft irgendwann nicht mehr.

Hertha hat beim 2:5 auf Schalke defensiv einen desolaten Eindruck gemacht. Ist es Dardais Hauptaufgabe, schnellstmöglich Stabilität reinzubekommen?
Nichts anderes habe ich vergangenes Jahr gemacht. Defensive Stabilität ist das A und O. Die Offensive ist immer schwieriger hinzukriegen als die Defensive. Kämpfen, laufen, den Gegner unter Druck setzen - das gelingt schon eher. Pal Dardai hat ein so genaues Bild von der Mannschaft und sicher genug Informationen, um gleich beim ersten Spiel richtige Entscheidungen zu treffen.

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Sie kennen einen Großteil des Teams aus Ihrer Zeit. Sind Sie überrascht, dass Hertha Tabellenletzter ist - oder ist es die logische Folge der vielen Fehler, die in den vergangenen Jahren gemacht wurden?
Vor einem Jahr haben sich einige aufgeregt, als ich nach der Rettung in einem kicker-Interview gesagt habe, dass ich im Verein keine Unterstützung gespürt habe. Die Probleme liegen bei Hertha tiefer. Wo genau, kann ich nicht sagen, dafür war ich zu kurz da. Ich musste mich um Punkte kümmern, nicht um den Verein. Für mich sieht es so aus, dass der Verein nichts dazugelernt und nach der Rettung vor einem Jahr einfach so weitergemacht hat. Durch seine Vergangenheit als Spieler und Trainer hat Pal Dardai jetzt sicher den besten Zugang. Ich gehe davon aus, dass er mehr Unterstützung aus dem Klub und der Geschäftsstelle bekommen wird. Er kennt jeden in diesem Verein, von daher ist seine Rückkehr eine nachvollziehbare Entscheidung.

Ohne Marvin Plattenhardt wäre Hertha abgestiegen.

Felix Magath

Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic wurde Ende Januar entlassen. Haben Sie die Entscheidung verstanden?
Ich war auch überrascht über diese Entscheidung, aber ich kenne natürlich keine Hintergründe.

In Ihrer Hertha-Zeit waren die Standards der größte Trumpf, in dieser Saison sind sie offensiv und defensiv eine Schwachstelle bei Hertha. Wie lässt sich das erklären?
Hertha hatte es vergangene Saison Marvin Plattenhardt und seinen Standards zu verdanken, dass man in der Liga geblieben ist. Er hat in meiner Zeit acht Tore entweder vorbereitet oder selbst erzielt. Was Marvin da geleistet hat, war überragend. Ohne ihn wäre Hertha abgestiegen. Ich habe Standards intensiv trainieren lassen. Warum sich die Mannschaft in dieser Saison so schwer darin tut, kann ich nicht erklären, weil ich nicht beim Training dabei bin. Aus der Entfernung ist mir noch etwas aufgefallen: Ich habe vor einem Jahr fünf Nachwuchsspieler zu den Profis geholt. Sie haben nicht immer alle gespielt, aber waren im Training voll dabei. Von denen hat in dieser Saison bisher keiner eine Rolle gespielt, das wundert mich schon.

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Wären Sie eigentlich auch nochmal bei Hertha eingesprungen, wenn der Anruf gekommen wäre?
Das ist hypothetisch. Ich befasse mich erst mit einer Sachlage, wenn ich einen Grund dafür habe. Natürlich habe ich bei Hertha immer hingeguckt. Aber es ist eine andere Mannschaft als vor einem Jahr, viele Spieler sind neu. Der Zeitpunkt, an dem jetzt gewechselt wurde, ist nicht unproblematisch: Sechs Spiele sind schon eng. Ich hatte vor einem Jahr acht Spiele plus Relegation - und schon das war zeitlich knapp.

Es ist eng im Keller der Liga. Wer steigt direkt ab?
Das weiß ich nicht. Ich warne aber davor, sich in der Schlussphase einer Saison den Spielplan zur Hand zu nehmen und das große Rechnen anzufangen. Am Ende einer Saison kommen immer auch verrückte Ergebnisse zustande, siehe die Punktgewinne von Hoffenheim bei Bayern und dem VfB Stuttgart gegen Dortmund am vergangenen Wochenende oder Stuttgarts Unentschieden in München am 33. Spieltag der vergangenen Saison, das uns damals sehr weh getan hat. Und klar ist auch: Hertha hat tabellarisch die schlechteste Ausgangslage und keine Zeit mehr zu verlieren.

Steffen Rohr

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