
Dei Kandidaten für die Nummer 1: Leverkusens René Adler, Hannovers Robert Enke und Bremens Tim Wiese (v. li.). imago
Felix Magath kritisiert die Nichtnominierung von Manuel Neuer, Tim Wiese sieht sich im Standort-Nachteil, und Timo Hildebrand bringt sich mit Taten und noch mehr mit Worten als WM-Alternative ins Gespräch. Die Frage nach Deutschlands künftiger Nummer 1 war am Wochenende wieder einmal ein großes Thema.
Auch für Joachim Löw, der als Beobachter des Duells zwischen dem FC Bayern und Werder das Glücksgefühl hatte, gleich 15 Deutsche in den Startformationen begutachten zu können. Darunter Tim Wiese (27), der mit einer tadellosen Vorstellung seine Ambitionen im Vierkampf mit Robert Enke (31), René Adler (24) und Manuel Neuer (22) unterstrich.
Frage der Woche
"Auf der Linie war er sehr stark, hat einige Bälle aus kürzester Entfernung entschärft. In der Strafraumbeherrschung zeigt er noch nicht die internationale Spitzenklasse. Das gilt im Übrigen für alle vier Torhüter", so Löws Urteil. Die Bereitschaft, sich bei Flanken oder Standards schneller vom Tor zu entfernen, lasse bei allen Kandidaten zu wünschen übrig.
Als unbegründet bezeichnet Löw Wieses Bedenken hinsichtlich der nächsten Länderspiele, dem Test gegen Südafrika (5. September in Leverkusen) und der WM-Qualifikationspartie gegen Aserbaidschan (9. September in Hannover). "Wir spielen da, wo meine Konkurrenten zu Hause sind. Wenn ich da spiele, werde ich 90 Minuten von deutschen Fans ausgepfiffen, die wollen natürlich ihren Torwart sehen", so Wieses durchaus begründeter Verdacht. "Auf solche Dinge werden wir wenig Rücksicht nehmen", entgegnet Löw, "es geht nicht danach, wo jemand spielt, sondern darum, welche Leistung er bringt".
Werder-Sportdirektor Klaus Allofs machte sich indes erneut für Wiese stark: "Alle Torhüter haben bislang die Chance bekommen, von Anfang an zu spielen. Möglicherweise wird Tim ja im nächsten Spiel spielen. Ich habe dafür keine Signale, aber das wäre normal." Derlei Solidaritätsbekundungen der Vereinsoberen kann Löw "gut verstehen".
WM-Qualifikation
Schwer nachvollziehbar hingegen ist für Löw wie auch für den objektiven Beobachter Magaths via "Bild" vorgetragener Vorwurf, die Nichtnominierung von Neuer für den Saisonauftakt in Aserbaidschan sei "nicht glücklich und nicht fair". Schließlich sei Neuer nach Saisonende mit zur Asientour gereist. "Weil einige Spieler damals nicht konnten oder wollten", so Magath, der den Bundestrainer vor Saisonbeginn schon einmal überraschend schroff angegangen war mit der Bemerkung, Löw greife mit individuellen Zusatzaufgaben für Nationalspieler in die Arbeit der Vereinstrainer ein.
"Eigentlich brauche ich diese Aussagen nicht zu kommentieren, denn es gibt Fakten, die jeder kennt", entgegnet Löw mit dem Hinweis, dass Adler und Wiese wegen des zeitgleich absolvierten DFB-Pokalfinales die Länderspiele in Shanghai und Dubai versäumten. Neuers jetzige Nichtberücksichtigung sei keinesfalls, wie von Magath angeprangert, mangelnde Wertschätzung. "Dass Manuel Neuer ebenso wie René Adler ein Klasse-Torhüter ist, steht außer Frage. Diesmal waren eben die beiden anderen mit dabei."

In der Nationalelf vorerst außen vor: Hoffenheims Timo Hildebrand. imago
Für den nächsten Doppelspieltag, dem am 1. September ein Ausdauer-Leistungstest vorausgeht, wird Löw drei Torhüter berufen, Timo Hildebrand wird nicht dabeisein. "Ich werde nie sagen, dass es keine Chance für ihn gibt. Aber wir haben uns zu den vier Torhütern bekannt und bleiben bei unserer Strategie. Wenn es keine Verletzungen oder anhaltende Formtiefs gibt, werden diese vier Torhüter von uns ganz klar favorisiert", so Löw am Sonntag auf Hildebrands Forderung nach einer neuen Chance.
Der von Löw vor gut einem Jahr zugunsten von Adler aus dem EM-Kader ausgebootete Torhüter, der im noch jungen Saisonverlauf nahtlos an die vor der Sommerpause gezeigten Leistungen anknüpfte, hatte zuvor erklärt: "Ich bin bereit. Ich kann nur so halten wie heute. Und wenn man so hält, ist man normalerweise Nationalspieler."
Allerdings hat Hildebrand auch deshalb schlechte Karten, weil er zu Jahresbeginn Löws Führungsstil harsch kritisiert hatte. Selbst in Hoffenheim verfolgt man daher das verbale Vorpreschen zurückhaltend. Manager Jan Schindelmeiser: "Ich halte nichts davon, so etwas herbeizureden. Joachim Löw und Hansi Flick sind kompetent genug, die Leistungen zu registrieren und richtig einzuschätzen."
Oliver Hartmann