Ich komme aus Berlin und bin dort aufgewachsen. Ich habe in der Jugend Fußball gespielt, bis ich 14 Jahre alt war. Von den technischen Übungen von damals zehre ich bis heute noch. Später habe ich studiert, habe im Ausland gelebt und arbeite inzwischen seit knapp neun Jahren als Lehrerin für Englisch und Geschichte. Mein Outing als Transfrau hatte ich nicht an einem Punkt, das war ein fließender Prozess. Zuerst habe ich gesagt, dass ich mit meinem Namen experimentieren möchte. Das hat sich gut angefühlt. Danach habe ich gesagt, dass ich auch mit meinem Pronomen spielen möchte. Charly oder Charlotte und das Pronomen sie benutze ich jetzt seit vier oder fünf Jahren, meine Namensänderung im Pass ist auch durch.
Den Fußball wiederentdeckt habe ich vor knapp vier oder fünf Jahren. Damals habe ich gemerkt, dass ich neben dem Unterricht in der Schule einen körperlichen Ausgleich zum Auspowern benötige. Ich habe bei der Freizeitmannschaft von Türkiyemspor Berlin angefangen, weil ich dort Spieler kannte. Das war ein reines Männerteam. Dort habe ich mich auch geoutet und währenddessen meinen Namen zu Charly geändert. Das war überhaupt kein Problem, das haben sie sehr gut akzeptiert. Vom Team habe ich auch Support erhalten, wenn von der gegnerischen Mannschaft mal homophobe Äußerungen kamen. Irgendwann musste ich aber anfangen, mich alleine im Bad umzuziehen und nicht mehr in der Kabine, weil sich mein Körper durch die Hormone schnell verändert hat und ich mich in der Jungs-Kabine nicht mehr wohlgefühlt habe. Das war leider nie ein Thema, das hätte ich aber gerne mal besprochen.
Seit vergangenem Jahr spiele ich beim DFC Kreuzberg. Hätte ich vorher gewusst, welche Sensibilität bei diesem Verein für das Thema herrscht, wäre ich schon viel früher dorthin gewechselt. Ich kannte den DFC von verschiedenen Fußballturnieren in Berlin, ich wusste, dass sie sehr aktiv sind, und ich fand die Menschen dort sehr nett. Ich habe inzwischen meinen Spielerinnen-Pass und könnte in der Liga spielen, leider aber findet die im Moment wegen Corona nicht statt. Dort im Verein kennt niemand meinen alten Namen, anders als bei Türkiyemspor, wo er noch in allen Unterlagen stand. Das hat mich auch sehr genervt.
Ich glaube, der Prozess der Transition ist nie abgeschlossen. Auch beim DFC Kreuzberg habe ich noch Angst auf dem Platz, aber aus anderen Gründen als vorher. Diese Angst ist ganz eng an mein Aussehen gekoppelt: Wenn es noch etwas weiblicher wird, dann bin ich in der Transition schon weiter. Das führt zu ganz banalen Problemen: Ich fühle mich wohler, wenn ich geschminkt bin und werde mehr als Frau wahrgenommen. Aber beim Sport ist das unpraktisch, wenn der Schweiß rinnt. Formaljuristisch ist der Prozess aber abgeschlossen, ich habe meinen neuen Reisepass und meine neue Geburtsurkunde.
Bei Türkiyemspor war es eher die Angst, als „Schwuchtel“ bezeichnet zu werden, weil ich lange Haare hatte und lackierte Fingernägel. Bei den Spielen mit dem DFC ist es die Angst, nicht reinzupassen und dass irgendwann aus der Emotion heraus Diskussionen über meine Spielberechtigung kommen. Oder was die Gegenspielerinnen sagen, vor Aussagen wie „Das ist doch ein Typ, der darf doch gar nicht mitspielen!“ Oder: „Der rennt doch viel zu schnell, das ist doch bestimmt keine Frau.“ Dabei sind eh alle schneller als ich, ich bin schließlich schon 37 und unsere Gegenspielerinnen erst Anfang 20 (lacht).