Junioren

Keine U-Bundesligen mehr: So will der DFB den Nachwuchs umkrempeln

Projekt Zukunft: Weniger Ergebnisdruck soll zu besserer Talentförderung führen

Keine U-Bundesligen mehr: So will der DFB den Nachwuchs umkrempeln

Sie treffen womöglich nicht mehr im Rahmen einer Junioren-Bundesliga aufeinander: Die Talente des FC Schalke 04 und die von Borussia Dortmund.

Sie treffen womöglich nicht mehr im Rahmen einer Junioren-Bundesliga aufeinander: Die Talente des FC Schalke 04 und die von Borussia Dortmund. imago images

Die alltägliche Heimat der älteren deutschen Elite-Jahrgänge bietet vom Namen her schon mal einen Vorgeschmack auf eine mögliche Laufbahn als Profi, sie heißt nämlich auch Bundesliga. Bei den A-Junioren (U 19) gibt es sie bereits seit 2003, vier Jahre später ging auch die B-Junioren-Bundesliga (U 17) an den Start. Beide Spielklassen sind in die drei regionalen Staffeln Nord/Nordost, Süd/Südwest und West mit jeweils 14 Teams unterteilt. Die drei Staffelsieger sowie der Vizemeister aus derjenigen Staffel, deren Sieger in den drei vorherigen Jahren die insgesamt beste Bilanz in der Endrunde vorweisen, spielen in Halbfinals (Hin- und Rückspiel) sowie im großen Finale den deutschen Meister aus. Die drei Letztplatzierten jeder Staffel steigen ab.

Projekt Zukunft wird seit Februar 2018 entwickelt

Das hat mittlerweile eine gewisse Tradition. Diese könnte jedoch bald ein Ende finden, wenn es nach den DFB-Entscheidern Joti Chatzialexiou und Meikel Schönweitz geht. Unter der Führung des Sportlichen Leiters der Nationalmannschaften sowie des Cheftrainers der Junioren-Auswahlteams hat eine gemeinsame Arbeitsgruppe von DFB und DFL seit Februar 2018, also schon vor der WM-Blamage der Nationalelf in Russland, im Rahmen des Projekts Zukunft umfassende Reformpläne für die Talentförderung im deutschen Nachwuchsfußball erarbeitet.

Bundesligen auflösen - Leistungszentren auskoppeln

Inzwischen hat der DFB die konkreten Pläne bereits allen Profiklubs und allen Amateurvereinen der Junioren-Bundesligen sowie den Landesverbänden vorgestellt. Chatzialexiou und Schönweitz setzen gegenüber allen involvierten Akteuren auf Transparenz, eine öffentliche Präsentation soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Nach kicker-Recherchen beinhalten die Pläne vor allem große Veränderungen für die Vereinswettbewerbe im Spitzenbereich der Altersklassen U 14 bis U 19. Demnach sieht der DFB vor, die 56 offiziellen Leistungszentren (LZ) ab der U 14 aus dem bestehenden Ligensystem auszukoppeln und die herkömmliche Form der U-17- sowie U-19-Bundesliga aufzulösen.

Mit "Entwicklungsspielen" gegen Ergebnisdruck und Existenzängste

In regionalen Gruppen sollen die LZ-Teams gegeneinander so genannte "Entwicklungsspiele" bestreiten und nicht mehr absteigen können, solange sie den an spezielle Anforderungen gebundenen LZ-Status behalten. Der DFB und die DFL argumentieren in ihrem Konzept mit besserer Planungssicherheit für alle Vereine und dadurch mehr Freiraum für die individuelle Entwicklung der jungen Spieler. Das Verhältnis von Wettbewerb und Entwicklung soll altersgerechter gestaltet werden. Es soll nicht mehr die reine Vorbereitung auf das nächste Punktspiel im Fokus stehen, das oft zu großem Ergebnisdruck bei den Akteuren und bei schlechter Tabellenlage zu Existenzängsten bei Vereinen und insbesondere Trainern führt, sondern die Ausbildung der Spieler.

Eigene Regeln für LZ-Wettbewerbe geplant

Weitere Vorteile laut der DFB-Verantwortlichen: ein flexiblerer Terminkalender, und letztlich auch eine bessere Relation von Aufwand und Ertrag. So müsste im neuen Modell zum Beispiel kein U-15-Talent mehr 400 Kilometer durchs Land reisen für zweimal 35 Minuten Spielzeit, die es - im Worst Case - komplett auf der Bank verbringt. Für die LZ-Wettbewerbe soll eine eigene Kommission installiert werden, die eigene Regeln beschließt und bedarfsorientiert auch kurzfristig ändern kann.

Spieldrittel und Altersklassenwechsel möglich

So ist beispielsweise eine in Dritteln aufgeteilte Spielzeit denkbar, wobei jeder Akteur in mindestens einem Drittel zum Einsatz kommen muss. Ein körperlich retardiertes, aber technisch sehr begabtes U-15-Talent könne durch unbürokratische Absprachen zwischen zwei aufeinandertreffenden LZ-Klubs auch im U-14-Duell am selben Tag zum Einsatz kommen. Zudem könne man, so die DFB-Argumentation im Konzept, auch auf Ferientermine Rücksicht nehmen. Während die U-17- und U-19-Bundesliga-Staffeln zum selben Zeitpunkt starten, könnte im neuen Modell etwa eine nördliche Regionalgruppe bereits Spiele bestreiten, während in Bayern noch Ferien sind und die betreffenden Leistungszentren pausieren.

Über "Entwicklungsturniere" und LZ-Ligasystem zum deutschen Meister

Den eigentlichen Wettbewerb bis zur U 17 sollen zukünftig sogenannte "Entwicklungsturniere" ersetzen, die in regelmäßigen Abständen über das Jahr verteilt stattfinden. Mit dem Ziel, am Jahresende einen deutschen Meister zu ermitteln. An diesen Turnieren nehmen neben den besten Amateurklubs (ohne LZ) aus der Vorsaison auch Auswahlmannschaften teil, die aus den talentiertesten Spielern von Amateurvereinen bestehen.

Garantiertes Startrecht für Amateurklubs im U-19-Pokal

In der U 19 soll der deutsche Meister in einem LZ-Ligasystem ausgespielt werden. In der Hinrunde treten Klubs in regionalen Gruppen gegeneinander an, in der Rückrunde finden bundesweite Duelle statt. Eine weitere Neuerung hierbei wäre die Einführung einer Deutschen Amateur-Meisterschaft, deren Sieger in einem "Supercup-Spiel" auf den deutschen LZ-Meister treffen soll. Zudem bekommen die Amateur-Sieger der 21 Landespokalwettbewerbe einen festen Startplatz im DFB-Pokal der U-19-Junioren - nach dem Vorbild des "großen" DFB-Pokals.

Mit dem Konzept konfrontierte Amateurvereine äußerten in den vergangenen Tagen bereits Kritik, sie fühlten sich ausgeschlossen. Der DFB argumentiert, dass in den vergangenen Jahren in der U-17-Bundesliga nur drei bis sieben Amateurteams teilnahmen, künftig gebe es in den U-17-Entwicklungsturnieren 16 Startplätze für Amateure. In der U-19-Bundesliga seien es zuletzt im Mittel vier Mannschaften gewesen, während es künftig zumindest die 21 Pokalteilnehmer gebe. Zudem sei es im höchsten Altersbereich äußerst selten, dass ein Spieler mit Profi-Potenzial noch nicht in einem LZ spiele.

Oberstes Ziel: Bessere Förderung der Spieler

Und das oberste Ziel des Projekts Zukunft, so der DFB, sei es, die Talente in den Mittelpunkt zu rücken, sie wieder besser zu fördern, um einen nachhaltigen Weg aus der Ausbildungs- und Nachwuchskrise zu finden. Der Plan: Sind die Talente besser ausgebildet, schaffen sie wieder vermehrt den Sprung in die Bundesliga. Deswegen unterstützt auch die DFL das Vorhaben. Durch mehr Talente auf hohem Niveau könnte Deutschland im internationalen Vergleich wieder besser dastehen. Sowohl auf Vereinsebene als auch mit Blick auf die Junioren-Auswahlteams und vor allem die A-Nationalmannschaft.

Pilotphase 2021 geplant - außerordentlicher DFB-Bundestag nötig

Für den April 2021 ist im U-17- und U-19-Bereich eine Pilotphase für Entwicklungsturniere geplant, um unter anderem die Abläufe zu testen und auch einen belastbaren Überblick über anfallende Kosten dieser Wettbewerbsform zu bekommen. Ob sie stattfinden kann, ist durch die Corona-Pandemie ungewiss. Ebenso, wann ein außerordentlicher DFB-Bundestag über die Bühne gehen kann, der diese umfassenden Reformpläne vor der Einführung mehrheitlich verabschieden muss.

Nach einer Übergangssaison könnte das neue System frühestens zur Saison 2022/23 greifen. Es sind spannende Ansätze, deren Vorteile sich freilich in der Praxis beweisen - und im nicht unkomplizierten deutschen Fußballsystem mit vielen Einzelinteressen zunächst einmal Zustimmung finden müssen.

Carsten Schröter-Lorenz

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