Europa League

Ex-Bremer und Antwerp-Profi Johannes Eggestein im Interview

Antwerp-Profi über ein "großes Projekt" und seinen Werder-Abgang

Johannes Eggestein im Interview: "Ich sehe meine Karriere wie ein Abenteuer"

Die hohen Ambitionen des Royal Antwerp FC haben Johannes Eggestein überzeugt.

Die hohen Ambitionen des Royal Antwerp FC haben Johannes Eggestein überzeugt. imago images/Pro Shots

Herr Eggestein, dass wir anlässlich der Europa-League-Partie am Donnerstagabend (18.45 Uhr, LIVE! bei kicker) gegen Eintracht Frankfurt reden können, hat Ihr neuer Klub Royal Antwerp FC ja unter anderem Ihnen zu verdanken.
Das stimmt. (lacht)

Das Europa-League-Qualifikationsrückspiel gegen Omonia Nikosia wurde erst im Elfmeterschießen entschieden: Sie traten an - und trafen. In Ihrer jungen Karriere schon mal derart unter Druck gestanden?
Nein, das war in der Form tatsächlich eine neue Situation für mich. Es ging darum, sich für Europa zu qualifizieren - ja oder nein. Wir haben zu Hause gespielt und es waren wieder Fans zugelassen, viele standen direkt hinter dem Tor. Deswegen hat das schon etwas in mir ausgelöst und ich bin auch etwas stolz darauf, dass es mit der Qualifikation geklappt hat.

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Bis zur Saison 2016/17 spielte Royal noch in der 2. Liga. Wann haben Sie den Verein erstmals wahrgenommen?
Im November. Ich habe hier in der vergangenen Saison mit dem Linzer ASK gespielt und übrigens mein erstes Europa-League-Tor erzielt. Dabei haben sie mich wahrscheinlich auch das erste Mal gescoutet. (lacht)

Was können Sie mittlerweile über den Klub sagen?
Es ist ähnlich wie in Linz; der LASK spielt in Österreich ja auch noch nicht so lange wieder in der 1. Liga, ist aber ein echter Traditionsklub. Gestaunt habe ich auch, dass die Innenräume des Stadions seit November komplett erneuert wurden. Es wurde sehr viel Geld in die Rahmenbedingungen investiert.

Man merkt, dass hier einiges dahintersteckt und ein großes Projekt gestartet wurde.

Johannes Eggestein

Und ins Personal, vor der Saison wurden Spieler für über 23 Millionen Euro verpflichtet.
Man merkt, dass hier einiges dahintersteckt und ein großes Projekt gestartet wurde. Der Verein macht kein Geheimnis daraus, wie ambitioniert er ist. Wir wollen in der Liga angreifen und um den belgischen Titel mitspielen. Aber darum ging es mir in erster Linie gar nicht.

Sondern worum?
Es muss ja generell nicht immer England, Spanien, Italien oder Deutschland sein. Auch in anderen Ländern wird guter Fußball gespielt. Und für mich ist nicht ausschließlich der Aspekt entscheidend, in der besten Liga aufzulaufen - sondern ich sehe meine Karriere wie ein Abenteuer, in dem ich ganz viele Erfahrungen sammeln kann. Nicht nur sportlich, sondern als Person. Dass ich in Österreich war und jetzt in Antwerpen bin, gibt mir so viel als Mensch und in meiner Persönlichkeit.

Inwiefern?
Ich bin jemand, der auch außerhalb des Fußballs nach einer Challenge sucht. Und das hier in Antwerpen ist so etwas - es wird mir vieles abverlangt. Mein erstes Auslandsjahr in Linz hat es mir da sicher erleichtert, erneut einen solchen Schritt zu wagen. Obwohl Belgien vom Gesamtpaket noch mal eine andere Herausforderung ist als Österreich.

Weil die sprachliche Erleichterung wegfällt?
Genau, man kommuniziert nicht mehr in seiner Muttersprache. Und außer mir spricht hier sonst niemand Deutsch. Wenn die Jungs in der Kabine untereinander Flämisch oder Französisch reden, verstehe ich erst einmal gar nichts. So viel ist da bei mir aus der Schule nicht hängengeblieben. (lacht) Und man muss ja auch berücksichtigen, dass man außerhalb des Platzes Anschluss finden will, um sich wohlzufühlen - und Leistung bringen zu können. Die Teambesprechungen sind aber auf Englisch und das klappt eh ganz gut. Zusätzlich nehme ich bereits Sprachunterricht, um mich zu verbessern.

Haben Sie den Wechsel nach Belgien Angeboten aus Deutschland vorgezogen?
Es gab auch in Deutschland Optionen, aber ich habe daran gezweifelt, dass das für mich richtig gewesen wäre. Wenn es sich um einen Bundesligisten handelt, der um den Klassenerhalt spielt, stellt man sich als junger Stürmer auch die Frage, welche Auswirkung das auf die eigene Entwicklung hat. Und oft geht es für diese Teams ums Verteidigen und Kontern - doch ich sehe mich nun mal nicht als Spielertyp, der über Gegenangriffe oder die schnellen Außenbahnen kommt. Ich wollte zu einer Mannschaft, die in ihrer Liga oben mitspielt und in der man als Stürmer viele Offensivaktionen über den Ballbesitz bekommt. Das hat bei Antwerpen besser gepasst. Außerdem war der Verein schon länger an mir interessiert - obwohl ich die erste Anfrage kurz nach Neujahr erst einmal abgeblockt habe.

Weil Sie zu Werder Bremen zurückkehren wollten?
Ich stand dort noch unter Vertrag und das war auch erst einmal mein Ziel, weil Bremen über all die Jahre zu meiner zweiten Heimat geworden ist. Ich habe mich ja mit dem Plan nach Österreich ausleihen lassen, Spielpraxis zu bekommen und danach einen neuen Versuch bei Werder zu starten. Aber mir wurde relativ schnell signalisiert, dass das nicht von beidseitigem Interesse war.

Wann gab es dieses Signal?
Gleich zum Start der Vorbereitung. Ich fand es schade, dass Markus Anfang mir nicht die Chance gegeben hat, ihn zu überzeugen. Er war sich sicher, dass ich als hängende Spitze nicht in sein System passe. Fairerweise hat er es mir wenigstens ehrlich und frühzeitig gesagt. Das mag ich lieber, als wenn man nur mit der halben Wahrheit rausrückt. Ich bin da auch nicht nachtragend, weil er mir die Gelegenheit und die nötige Zeit gegeben hat, einen neuen Verein zu suchen.

Bis zu Ihrem Wechsel probierte Anfang Sie auf mehreren Positionen aus. Hätten Sie sich das anders gewünscht?
Von ausprobieren würde ich nicht mal sprechen. Ich wurde nur dort eingesetzt, wo gerade kein Spieler zur Verfügung war: mal auf Außen, dann im Sturm, auch als Achter. Nach dem erfolgreichen Jahr in Österreich war ich mit anderen Erwartungen zurückgekommen.

Nämlich?
Dass ich als fester Kaderspieler eingeordnet werde und meine feste Position habe. Dass das dann nicht so gesehen wurde, hat mich zumindest zu diesem frühen Zeitpunkt überrascht. Auch, weil ich mit dem Bundesliga-Abstieg ja relativ wenig zu tun hatte und die Rede davon war, neue Gesichter zu integrieren. Da habe ich mich schon in einer solchen Position gesehen.

In Antwerpen tragen Sie nun das Trikot mit der Nummer 9 - womit Ihr Aufgabengebiet klar sein dürfte?
Das war mir auch wichtig. Vor meinem Wechsel hatte ich einen Zoom-Call mit dem neuen Trainer Brian Briske, um klarzustellen, wo ich mich persönlich sehe und herauszuhören, wo er mich sieht. Ich spiele als zentraler Angreifer, hängend dahinter oder in einer Doppelspitze.

Es ist immer so eine Art Gamble, zwischen Geduld und Ungeduld

Johannes Eggestein

In der Liga standen Sie jedoch noch kein Mal in der Startelf.
Ich bin ja noch relativ neu hier, habe die Vorbereitung auch nicht mitgemacht. Es ist doch immer so eine Art Gamble, zwischen Geduld und Ungeduld. Man muss sich selbst die Zeit geben, in die Mannschaft und die belgische Liga hineinzufinden; andererseits muss man kurzfristig auch etwas vorweisen können. Das gelingt mir aber, glaube ich, ganz gut. Am Wochenende gegen Saint Gilloise lagen wir mit 0:1 hinten und nach unseren drei Einwechslungen haben wir das Spiel noch gedreht.

Vor dem Spiel am Donnerstagabend: Gibt es irgendeinen besonderen Bezug zwischen Ihnen und Eintracht Frankfurt?
Nein, aber ich kann auf dem Platz wahrscheinlich endlich mal wieder mit ein paar Leuten Deutsch reden. (lacht)

Interview: Tim Lüddecke