Bundesliga

Hütter und die Suche nach der neuen Eintracht-DNA

Frankfurt: Stürmer Silva ist gegen Gladbach fit

Hütter und die Suche nach der neuen Eintracht-DNA

Adi Hütter kam 2018 von den Young Boys Bern zu Eintracht Frankfurt.

Adi Hütter kam 2018 von den Young Boys Bern zu Eintracht Frankfurt. imago images

Die Woche vor Heiligabend verspricht knisternde Spannung in Frankfurt. Setzt sich der negative Trend mit inzwischen acht Spielen in Folge ohne Sieg fort, stehen wie schon vor einem Jahr über die Feiertage ziemlich ungemütliche Zeiten ins Haus. Der Eintracht droht ein Absturz ins untere Tabellendrittel, Platz 15 ist gerade mal drei Punkte entfernt. Andererseits beträgt der Rückstand zum kommenden Gegner Gladbach lediglich vier Zähler, ebenso klein ist die Distanz zum Tabellensechsten Union Berlin.

Gelingt mit zwei Siegen die Trendwende, würde das auch im derzeit unzufriedenen Umfeld neue Vorfreude auf die Fortsetzung der Saison am 2. Januar wecken. "Wir haben die Chance, in den letzten beiden Spielen voll zu punkten. Diesen Anspruch haben wir. Wenn man positiv denkt, ist in diesen Spielen einiges möglich", meint Hütter und blickt auf das Kräftemessen mit Gladbach voraus: "Das ist ein Spiel, in dem wir uns selber herausziehen können. Dazu brauchen wir aber ein super Spiel. An einem guten Tag können wir Gladbach schlagen. Das ist unser Ziel." Das klingt sehr nach den im Fußball üblichen Durchhalteparolen, falsch ist die Aussage deshalb aber nicht.

Die Eintracht-DNA ist ein Stück weit verloren gegangen

Allerdings erscheint es fraglich, ob es der bisher so inkonstant auftretenden Mannschaft zweimal gelingt, über 90 Minuten am Limit zu spielen und in den entscheidenden Spielsituationen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Bisher ist trotz der wegfallenden englischen Wochen keine Entwicklung zu erkennen. Würden die Spieler neutrale Trikots tragen, ließe sich kaum entschlüsseln, um welches Team es sich handelt - die Eintracht-DNA ist ein Stück weit verloren gegangen. Eigentlich favorisiert Hütter mutigen Angriffsfußball mit hohem Pressing und schnellem Umschalten nach Ballgewinn. Mit dem vorhandenen Personal, das zeigte schon die vergangene Saison, ist das allerdings kaum möglich.

Ich kann von Bast Dost oder André Silva nicht verlangen, dass sie den Verteidigern auf und davon laufen.

Adi Hütter

Das weiß auch der Trainer: "Ich kann von Bast Dost oder André Silva nicht verlangen, dass sie den Verteidigern auf und davon laufen. Beide können trotzdem Tore erzielen. Sie haben dieses Tempo nicht, aber das ist doch kein Problem. Dann müssen wir irgendwie eine andere Lösung suchen, und das versuchen wir." Pech ist, dass der mit einer besseren Grundgeschwindigkeit ausgerüstete Neuzugang Ragnar Ache seit geraumer Zeit wegen einer Sehnen-Operation ausfällt. Der 22-Jährige wird erst im Januar ins Mannschaftstraining zurückkehren und danach noch einige Zeit benötigen, um seine Rückstände aufzuholen und in Form zu kommen.

Die Zuarbeit kann und muss noch besser werden

"Es wäre sicherlich interessant gewesen, in Wolfsburg beim Stand von 1:0 so einen Spieler zu bringen, der dann für Entlastung sorgt", glaubt Hütter. Solange ihm kein schneller Stürmer zur Verfügung steht, sollte er das Augenmerk darauf richten, dass Dost und Silva im Strafraum noch häufiger und besser in Szene gesetzt werden. Im Sechzehner haben sie ihre großen Stärken, die aber nur dann richtig zur Geltung kommen können, wenn sie ausreichend "gefüttert" werden. Diese Zuarbeit kann und muss noch besser werden, wobei festzuhalten ist: Gemeinsam erzielten der Portugiese und der Niederländer bereits elf Ligatore, auf die Saison hochgerechnet wären das 34 Treffer. An die eigene Nase packen müssen sich vielmehr die Mittelfeld- und Flügelspieler, die bis auf Daichi Kamada bislang kaum Torgefährlichkeit ausstrahlen.

Adi Hütter, Bas Dost

Adi Hütter (li.) und Bas Dost. imago images

Doch zurück zum Spielstil. Wenn mangels Wucht und Tempo in der Offensive kein überfallartiger Angriffsfußball wie in der furiosen Saison 2018/19 möglich ist, sollte zumindest der Ball halbwegs ansehnlich und sicher durch die eigenen Reihen laufen. Allerdings hapert es auch daran, in zu vielen Phasen fehlt die Ballsicherheit, unterm Strich leistet sich das Team ein ungesundes Maß an einfachen Fehlpässen und Ballverlusten. Zum Teil liegt das auch an der mangelnden spielerischen Qualität im defensiven Mittelfeld: Auf der Sechserposition fungiert Stefan Ilsanker als reiner Zerstörer ohne Fähigkeiten im Spielaufbau. Weitere Sechser gibt es im Kader nicht, Sebastian Rode, Djibril Sow und Dominik Kohr sind von Haus aus etwas offensiver ausgerichtet. Trotzdem betont Hütter: "Wir haben fußballerisch phasenweise sehr gute Spiele gemacht."

Hütter stört sich an der Zaghaftigkeit

Meist dauerten diese Abschnitte jedoch nicht lange genug an, um dreifach zu punkten. Der Coach spricht von "einer Achterbahnfahrt" und stört sich auch an der teils auftretenden Zaghaftigkeit in den Zweikämpfen. Es ist nicht zuletzt diese Passivität, die Frankfurt schon viele Punkte kostete. Jüngstes Beispiel: In Wolfsburg zeigte Kamada vor dem 1:2 wie schon so oft nur ein alibimäßiges Zweikampfverhalten, als er Xaver Schlager halbherzig attackierte und den Pass in die Spitze nicht unterband. Im Sechzehner agierte wiederum Ilsanker zu schläfrig, Wout Weghorst bedankte sich mit seinem zweiten Tor.

Man darf gespannt sein, ob Ilsanker gegen Gladbach in der Elf bleibt. Der Routinier zeigte vor einigen Wochen gegen seinen Ex-Klub Leipzig eine bärenstarke Leistung, insgesamt stimmt die Performance aber nicht. Die schwachen Spiele des 31-Jährigen überwiegen, das rechtfertigt Hütters Vertrauen auf Dauer nicht. Kritik handelte sich der Trainer bei einigen Medien und Fans auch deshalb ein, weil er in Wolfsburg zugunsten von Ilsanker auf Offensivakteur Aymen Barkok verzichtete. Nominell standen mit Dost, Kamada und Filip Kostic nur drei Offensivspieler auf dem Feld. Die Kritik an dieser Entscheidung verkennt jedoch, dass Barkok zuvor gegen Borussia Dortmund kaum etwas gelang und man die Erwartungshaltung an den 22-Jährigen ohnehin etwas herunterschrauben sollte. Silva wiederum fehlte angeschlagen, sodass Kamada nicht als Zehner, sondern eher als hängende Spitze neben Dost zum Einsatz kam. Viel entscheidender als die Frage, ob drei oder vier gelernte Offensivkräfte auf dem Feld stehen, ist die generelle taktische Ausrichtung. Attackiert die Mannschaft mutig und hoch? Oder steht sie eher tief?

Younes klebt das Pech am Schuh

Werden nach Ballgewinnen Angriffe schnell und sauber ausgespielt oder versanden sie? Nur ein Beispiel: Als die Eintracht vergangene Rückrunde zu Hause Leipzig binnen weniger Tage in der Liga und im Pokal schlug (3:1; 2:0), standen jeweils wie in Wolfsburg nur drei "echte" Offensivspieler in der ersten Elf: Der im Sommer zu Hoffenheim gewechselte Mijat Gacinovic, Kostic sowie je einmal Dost und Silva. Mutlosigkeit warf dem Trainer nach diesen Spielen jedoch niemand vor.

Adi Hütter

Er steht im Fokus: Eintracht-Trainer Adi Hütter. Getty Images

Während Silva wieder fit ist und gegen Gladbach vor der Rückkehr in die Startelf steht, könnte normalerweise auch Amin Younes für offensive Impulse sorgen. Dem Neuzugang aus Neapel klebte zuletzt jedoch das Pech am Schuh. "Wegen Corona war Amin fast drei Wochen weg. Als er danach zurückkam, bekam er einen Schlag in die Kniekehle ab und musste wieder ein Spiel aussetzen. Wenn der Rhythmus immer wieder unterbrochen wird, ist es nie einfach", erläutert Hütter. In Wolfsburg brachte er den Tempodribbler erst in der 90. Minute. Der Coach ist dennoch zuversichtlich, dass Younes der Mannschaft bald weiterhelfen kann.

Der Mannschaft ist noch immer viel zuzutrauen

Man benötigt nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wie gut das fußballerisch hochveranlagte Dreieck Younes-Kamada-Silva in einer 3-4-2-1-Formation harmonieren könnte. Sollte dahinter Djibril Sow an der Seite des gesetzten Sebastian Rode seinen Aufwärtstrend fortsetzen und Filip Kostic zurück zu alter Stärke finden, ist der Mannschaft noch immer eine positive Überraschung zuzutrauen. Dieses schlummernde Potenzial sollte bei aller Kritik nicht unbeachtet bleiben. Aufgrund der langen Sieglos-Serie wandelt die Eintracht aber auf einem schmalen Grat. Bleibt die Trendwende bis Weihnachten aus, wird es ungemütlich. Hütters angekündigte Bilanz könnte dann nicht mehr so wohlwollend wie noch am Montag ausfallen, als er konstatierte: "Es ist nicht alles schlecht, aber wir sind nicht ganz zufrieden."

Julian Franzke

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