2. Bundesliga

Tim Walter: "Alle waren schlecht, ich werfe mir das Gleiche vor"

"Bodenlos schlecht!" Walter schimpft, aber er muss Antworten liefern

HSV: Die Bankrotterklärung

Kollektive Enttäuschung beim Hamburger SV.

Kollektive Enttäuschung beim Hamburger SV. IMAGO/Jan Huebner

Pleiten gegen Neulinge und Ligazwerge sind es seit nunmehr fünf Jahren, die dem einstigen Flaggschiff des deutschen Fußballs im Kampf um die Bundesliga zum Verhängnis werden. Fast immer unterlag der HSV in der Vergangenheit dann, wenn der Gegner das Messer zwischen die Zähne nahm, und sowohl in Elversberg als auch am Freitagabend fehlte der Elf von Tim Walter das Rüstzeug sich zu wehren, und: Sie lud mit ihrer Spielweise im Vergleich zur eigenen theoretischen Qualität limitierte Gegner mit waghalsigen Aktionen ein, sich an ihr aufzurichten. Vor einer Woche ging Dennis Hadzikadunic als letzter Mann ins Dribbling, an der Bremer Brücke holte Ludovit Reis den VfL mit einem Querpass in der eigenen Hälfte zurück ins Leben. Herausgekommen ist die siebte Pleite bei einem Aufsteiger in 15 Spielen seit 2018.

HSV macht wieder altbekannte Fehler

Dass Tim Walter den Vortrag als "bodenlos schlecht" geißelt, ist einerseits schonungslos, anderseits aber auch gefährlich. In seine Generalkritik am "Sky"-Mikrofon ("Alle waren schlecht, ich werfe mir das Gleiche vor") bezog er sich zwar mit ein, in erster Linie aber braucht die Mannschaft keine Anklage, sondern Lösungen. Und Antworten auf die bohrenden Fragen wie es zu diesem dramatischen Rückfall kommen konnte. Nach dem wilden Saisonstart mit acht Gegentreffern in drei Pflichtspielen hatte Walter Anpassungen vorgenommen, die zu einer zwischenzeitlichen Stabilisierung geführt hatten, nun brachen gegen zwei Aufsteiger nacheinander wieder sämtliche alte Muster auf: Defensiv wie offensiv.

HAMBURGER SV VERSPIELT GUTEN SAISONSTART

Hinten verhinderte allein Keeper Daniel Heuer Fernandes mindestens ein halbes Dutzend weiterer Einschläge, vorn entsprangen aus ermüdenden Ballbesitzphasen mit Ausnahme eines Distanzschusses von Hadzikadunic keine weitere Torchance außer dem Führungstreffer durch Robert Glatzel. Dass dieser keinerlei Vertrauen brachte, sondern noch mehr Pomadigkeit als in den Anfangsminuten erzeugte, ist ein Alarmsignal. Weil das 1:2 von Elversberg ganz offenbar nicht den Effekt eines Warnschusses hatte, sondern beseitigt geglaubte Symptome wieder zum Vorschein gebracht hat. Der HSV tut, was der HSV immer tut, seit er im Unterhaus spielt: Er wirft glänzende Ausgangslagen achtlos weg, vorzugsweise gegen Außenseiter.

HSV gegen Düsseldorf schon unter Druck

Heuer Fernandes wirkt über diesen Umstand sichtbar verzweifelt. "Was in Osnabrück passiert ist, ist nicht zu erklären. Nach der letzten Woche hätte uns klar sein sollen, um was es geht." Tatsächlich war bei der ersten Pleite zumindest in der Schlussphase noch ein Aufbäumen zu spüren, in Osnabrück ergab sich der HSV erstmals in der Ära Walter beinahe wehrlos dem Schicksal - das nächste Alarmsignal. "Wir müssen die Dinge jetzt ganz klar benennen", fordert der Torwart, "wir verlieren jedes Kopfballduell, jeden zweiten Ball, sind bei eigenem Ballbesitz zu ungenau. In allen Inhalten, die uns ausmachen, war der Gegner präsenter." Das kann im Verlauf einer Spielzeit einmal passieren. Wenn es zwei Mal nacheinander gegen Außenseiter passiert, ist das am Ende genau die Zutat, die wieder den Aufstieg kosten kann. Und in dieser besorgniserregenden Verfassung auch wird.

Jonas Boldt und Walter verfolgten im Sommer den klaren Kurs, auch nach dem zweiten gemeinsam verpassten Aufstieg keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie im Verbund die Richtigen für den nächsten Anlauf sind. Für den Sportvorstand ist es bereits der fünfte, und die personellen Voraussetzungen dafür waren nie besser. Wenn Walter nun sagt, "das war nicht die Mannschaft, die ich kenne", ist klar, was die Stunde geschlagen hat: Am kommenden Freitag gegen Fortuna Düsseldorf muss er seine Spieler wieder erkennen. Sonst gerät das Saisonziel schnell aus den Augen. Und der Trainer massiv unter Druck.

Sebastian Wolff

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