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Hitze, Haut und das "Gefängnis": So fiebern Megos und Hojer der Premiere entgegen

Am Dienstag beginnen in Tokio die Wettkämpfe im Sportklettern

Hitze, Haut und das "Gefängnis": So fiebern Megos und Hojer der Premiere entgegen

Sind heiß auf den Wettkampf im Sportklettern: Jan Hojer (li.) und Alex Megos.

Sind heiß auf den Wettkampf im Sportklettern: Jan Hojer (li.) und Alex Megos. picture alliance/dpa

Seit zehn Tagen befinden sich die deutschen Sportkletterer Alex Megos und Jan Hojer nun in Tokio. Das Duo, begleitet von Bundestrainer Urs Stöcker sowie Physio Martin Schlageter und Sportdirektor Martin Veith, dürfte abgesehen von den heimischen Athleten die längste Vorbereitung vor Ort absolvieren - viele der insgesamt 40 Olympioniken und Olympionikinnen reisten erst Ende dieser Woche an, um sich für die Wettkämpfe, die am kommenden Dienstag starten, vorzubereiten.

Megos: Keine guten Erfahrungen mit Hitze und Feuchtigkeit 

Das Kalkül war klar: Unter den extrem heißen und vor allem feuchten klimatischen Bedingungen wollte sich das DAV-Team entsprechend akklimatisieren. "Die ersten Tage waren in der Tat nicht einfach für mich mit der Eingewöhnung", sagt Megos bei einer digitalen Pressekonferenz aus einem Tokioter Hotelzimmer und bezeichnete sich als "Typ, der bei Wettkämpfen unter Hitze-Bedingungen bisher nicht besonders gut klargekommen ist". Konkret waren dies zwei Weltcups 2019 in China (Wuijang, Chongqing), wo er weit abgeschlagen klar den Einzug des Halbfinals verpasste.

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Es geht ganz klar ums "Hautverlieren", sagt Hojer und meint damit, beim Bouldern unter diesen Bedingungen eben nicht zu viele Versuche zu brauchen. Wie man die unterschiedlichen Boulderprobleme - vier Stück in jeweils vier Minuten - bei Olympia angeht, ist also auch eine Frage der Erfahrung und diesbezüglich hofft Megos auf einen Lerneffekt seit 2019 im schwül-heißen China. "Ich brauche oft einen zweiten oder dritten Versuch, speziell bei Bouldern, bei denen es um Körper-Koordination geht", berichtet Megos. "Prinzipiell schließe ich besser ab bei Wettkämpfen, bei denen es kalt ist - doch Kälte gibt hier leider nicht."

Ich brauche oft einen zweiten oder dritten Versuch, speziell bei Bouldern, bei denen es um Körper-Koordination geht.

Alex Megos

Bedingungen "Weltklasse" und der Frust bei den schwersten Bouldern

Vier Stunden bekommen die jeweiligen Teams für ihre Trainingsslots in klimatisierten Hallen, in denen sie sich im Speed, Bouldern und Lead den letzten Schliff für den olympischen Showdown holen. Die Bedingungen vor Ort sind "perfekt", sagt Hojer - und Megos fügt lächelnd an, dass "sie bisher noch in keiner Boulderhalle die schwersten Kategorien geschafft haben und auch bei den zweitschwersten fast nie einen Auftrag hatten". Da diese maue Erfolgsquote für den 27-jährigen Erlanger quasi nie vorkommt, bezeichnet er die Bedingungen schlichtweg als "Weltklasse".

Umso wichtiger war für die beiden DAV-Olympioniken, dass sie am Donnerstag erstmals an die Wettkampf-Wand durften. Draußen, an der frischen Luft im Aomi Urban Sports Venue. Hojers Gefühlslage nach der ersten Lead-Route teilte der 29-jährige Kölner mit einem ebenso kraftstrotzenden wie fetten Grinsen mit.

Routenbau und die Nerven: Der Wettkampf als Wundertüte

Die ersten Einheiten an der olympischen Wettkampfwand.

Die ersten Einheiten an der olympischen Wettkampfwand. IFSC

Wie es dann ab Dienstag läuft, bleibt eine Wundertüte. Keiner der 20 Kletterinnen und 20 Kletterer kann einschätzen, was drin ist. Zuviel hängt vom Routenbau ab, von der Tagesform und vor allem von den Nerven. Denn klar ist: Bei der olympischen Premiere des Sportkletterns wird dieser Neuankömmling in der Welt der fünf Ringe besonders beäugt.

Der Druck für Topfavoriten wie Adam Ondra aus Tschechien, den Japaner Tomoa Narasaki oder Jakob Schubert aus Österreich bei den Herren sowie Janja Garnbret (Slowenien) oder die Japanerin Akiyo Noguchi bei den Damen ist immens und erhöht in allen drei Disziplinen die Fehleranfälligkeit. Ein Fehlgriff oder ein rutschiger Tritt kann das Klassement bis zum letzten Kletterzug mächtig durcheinanderwirbeln, so dass vor allem ein extrem spannender Wettkampf zu erwarten ist.

Selbstbewusstsein ist auch bei den beiden DAV-Kletterern vorhanden. "Ich bin in allen drei Disziplinen in der Lage, in der vorderen Hälfte zu landen - auch im Speed", sagt Hojer und geht deswegen "ohne Bauchschmerzen in den Wettkampf, denn sonst hätte man etwas in der Vorbereitung falsch gemacht".

Ich bin in allen drei Disziplinen in der Lage, in der vorderen Hälfte zu landen - auch im Speed.

Jan Hojer

Megos indes macht keinen Hehl daraus, dass er beim Speedklettern wenig reißen wird. "Wenn es bei allen anderen gut läuft, dann werde ich Letzter. Insofern lehne ich mich ganz entspannt zurück und warte darauf, dass andere Leute Fehler machen und ich nicht auf dem letzten Platz lande", beschreibt er seine Tempo-Fähigkeiten an der 15-Meter-Wand ohne Beschönigung, nennt das Speedklettern aber "eine schöne Aufwärm-Übung für das Bouldern".

Entlassung aus dem "Gefängnis" am Samstag

Am Samstag beginnt dann der nächste Abschnitt, wenn das Team ins Olympische Dorf zieht. Dann endet das "Gefängnis", wie Bundestrainer Urs Stöcker scherzhaft die erste Phase des Aufenthalts nannte. "Natürlich gibt es keine Gitterstäbe vor den Fenstern, aber wir sitzen in unseren Hotelzimmern, schauen hundert Meter nach unten aus dem Fenster und sehen all das, wo wir uns vor zwei Jahren noch unbeschwert bewegen konnten", so der Schweizer.

Im Dorf treffen sie dann zumindest wieder andere Sportler, denn die bisherigen Berührungspunkte mit der japanischen Bevölkerung beliefen sich auf zwei Fahrer und drei Kellner, wie Megos berichtet.

bst

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