Bundesliga

Hertha BSC zwischen Orakel und Debakel

Kommentar

Hertha BSC zwischen Orakel und Debakel

Seine "Prophezeiung" trat ein: Cheftrainer Felix Magath muss mit Hertha in die Relegation.

Seine "Prophezeiung" trat ein: Cheftrainer Felix Magath muss mit Hertha in die Relegation.

Strahlende Mienen, lautstarker Jubel, ein Foto des Siegerteams nach Spielende: Hertha war happy am Samstagmittag, die U 19 hatte gerade im Halbfinal-Rückspiel um die deutsche Meisterschaft gegen den FC Augsburg mit einem 2:0 das Finalticket gelöst.

An den Banden des Amateurstadions, wo die Talente um die bereits in der Bundesliga erprobten Youngster Anton Kade, Luca Wollschläger und Julian Eitschberger eine ziemlich beeindruckende Arbeitsprobe abgeliefert hatten, prangte der Klub-Slogan: "Die Zukunft gehört Berlin." Nicht mal fünf Stunden später kam mal wieder die Gegenwart dazwischen. Hertha, die Drama-Queen der Bundesliga, vergab in Dortmund den dritten Matchball in Serie - und steht jetzt dichter denn je am Abgrund.

Felix Magath hat in seinen zwei Monaten bei Hertha BSC deutlich mehr richtig als falsch gemacht. Er hat dafür gesorgt, dass diese Mannschaft ein Navigationsgerät und eine Grundstabilität bekommen hat. Mit Ausnahme des Derbys gegen Union war dieses zuvor leidlich derangierte Team unter ihm stets wettbewerbsfähig. Zwei Kernprobleme konnte aber auch er in der Kürze der Zeit nicht beseitigen: das strukturell schwache Offensivspiel - und die Nervenschwäche in entscheidenden Spielen und Sequenzen.

In Bielefeld bekamen Maximilian Mittelstädt und Luca Wollschläger die XXL-Chance zum 2:0 auf dem Silbertablett serviert, auch gegen Mainz und in Dortmund war die Rettung machbar. Unabhängig von der Serie später Stuttgarter Lebenszeichen, diskutabler Handelfmeter und einer bis zum Schluss beängstigend langen Ausfallliste: Es kam zu wenig von Hertha, viel zu wenig. Ob Magath psychologisch klug beraten war, über Wochen und selbst auf Platz 15 immer wieder - und fast lustvoll - die Relegation herbeizuorakeln, darüber lässt sich streiten. Über seine in dieser Woche aufgestellte Kernthese dagegen nicht. "Den Verein", hat er gesagt, "muss man von Grund auf erneuern."

Mit diesem Ansatz ist Fredi Bobic vor knapp zwölf Monaten angetreten. Der Geschäftsführer hat in dem Klub, der sich permanent selbst überfordert, ein erstes Jahr hinter sich, das mit all seinen Turbulenzen, Verwerfungen, Schlagzeilen und Störgeräuschen für eine Dekade gereicht hätte.

Er hat einen aufgeblähten, viel zu teuren Kader geerbt und eine Kassenlage vorgefunden, die er angesichts der von Investor Lars Windhorst bereitgestellten 375 Millionen Euro nicht für möglich gehalten hätte. Seine Aufgabe war nach dem Blitz-Abgang von CEO Carsten Schmidt, der Demission von Sportdirektor Arne Friedrich und angesichts der ins Persönliche abgleitenden Dauerfehde zwischen Präsident Werner Gegenbauer und Geldgeber Windhorst umfangreicher und schwieriger als erwartet.

Hausgemachte Konflikte haben Bobics Wirken unnötig erschwert

Die Alphatiere Gegenbauer und Windhorst pflegen eine derart toxische Beziehung zueinander, dass man fast geneigt ist, Entgiftungspflaster zu verteilen. All diese hausgemachten Konflikte haben Bobics Wirken unnötig erschwert. Aber das darf nicht den Blick darauf verstellen, dass Bobic in seinem Kernressort mit einigen Fehleinschätzungen und Konstruktionsfehlern Herthas Krise nicht gelöst, sondern verstärkt hat.

Er hat Pal Dardai, mit dem Hertha nie abgestiegen ist, zu einem fragwürdigen Zeitpunkt und auf Platz 14 geschasst und an dessen Nachfolger Tayfun Korkut irritierend lange festgehalten. Er hat einen Kader gebaut, dem es an Ausgewogenheit, Geschwindigkeit und Achsenspielern im belastungsfähigen Alter fehlt, und im Januar, als Hertha immer noch und immer mehr in Gefahr war, vier Neuzugänge geholt, von denen drei als Vorgriff auf eine Zukunft galten, die vielleicht nie beginnt.

Sagenhafte 24 Punkte hinter Union

Der Gang in die Relegation ist auch eine Ohrfeige für Bobic. Hertha ist sagenhafte 24 Punkte hinter dem Stadtrivalen Union ins Ziel gekommen, größer war der Abstand nie. Union steht für Kontinuität, eine klare Idee von sich selbst, mehrheitlich kluge Personalentscheidungen und Realismus. Für die Köpenicker geht's erneut in den Europapokal - und für Hertha jetzt darum, in zwei Spielen den Totalschaden abzuwenden.

Der Klub, von Jürgen Klinsmann vor etwas mehr als zwei Jahren als "spannendstes Fußballprojekt Europas" gepriesen, hat es verlässlich geräuschvoll hinbekommen, nach dem größten privaten Einzelinvestment der Bundesliga-Geschichte schlechter dazustehen als vorher. Dem mit den 375 Windhorst-Millionen üppigst alimentierten Verein droht nach der dritten desaströsen Saison in Serie der Absturz in die 2. Liga. Eine größere Fallhöhe hatte vor der Relegation noch kein Klub.

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Das Millionengrab: Machen 375 Mio. Euro Hertha BSC kaputt?

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