Pressekonferenzen mag Edin Terzic eigentlich nicht besonders gerne. Der BVB-Trainer ist ein Fußball-Arbeiter, der sich stundenlang mit den kleinsten Details beschäftigen kann. Medien-Arbeit allerdings ist für ihn allzu häufig lediglich ein notwendiges Übel. Insofern überraschte es, dass der 40-Jährige bei der Medienrunde vor dem finalen Saisonspiel gegen Mainz 05 den Satz zu Protokoll gab: "Über ihn könnten wir alleine eine ganze PK füllen." Gemeint war sein Stürmer Sebastien Haller, dessen Leistung in dieser Saison nicht hoch genug zu bewerten ist.
Im vergangenen Sommer war bei dem 28-Jährigen mitten im Trainingslager des BVB Hodenkrebs diagnostiziert worden. Es war ein Schock für den Angreifer, der gerade erst von Ajax Amsterdam nach Dortmund gewechselt war. Und auch seinen Kollegen beim BVB zog es im ersten Moment den Boden unter den Füßen weg.
Haller jedoch dachte nicht daran, zu kapitulieren. Er nahm den Kampf gegen den Krebs an, ließ sich operieren, zog Chemotherapien durch und arbeitete, wann immer die Ärzte grünes Licht gaben, an seiner Rückkehr auf den Rasen. Mit Erfolg. Im Januar meldete er sich zurück - und ist seitdem nahezu von Woche zu Woche wichtiger geworden für seinen Klub.
Seine Geschichte bleibt die tollste, die wir in dieser Saison erlebt haben.
Edin Terzic
"Seine Geschichte bleibt die tollste, die wir in dieser Saison erlebt haben. Wir sind unglaublich stolz, dass 'Seb' regelmäßig mit uns auf dem Platz steht", sagt Terzic über seinen Angreifer. Möglich sei das nur gewesen, weil Haller "extrem viel Wille, extrem viel Fleiß und positive Energie" gezeigt habe. "Und das ist alles nicht selbstverständlich."
Beteiligt an Malens und Adeyemis Aufschwung
Mit viel Empathie begleitete Terzic Haller in den vergangenen Monaten - und er fand Mittel, es seinem Stürmer ein Stück einfacher zu machen bei seinem Weg zurück zu alter Stärke. Von seinem ersten Spiel an war zwar ersichtlich, wie er Dortmunds Offensivspiel verändert. Wie er seinen Nebenleuten allein durch seine Präsenz Räume verschafft, Bälle festmacht und Gegner bindet. Der Aufschwung von Donyell Malen und Karim Adeyemi im Kalenderjahr 2023 geht in Teilen auch auf sein Konto. Eigene Torerfolge aber blieben zunächst Mangelware. Ein Assist gegen Mainz am 17. Spieltag, ein Treffer gegen Freiburg am 19. Spieltag - danach kam mehr als ein Monat lang nichts.
Bundesliga, 34. Spieltag
Während extern in dieser Phase erste Kritik an ihm aufkam, half man ihm intern. "Wir haben ihn im Training in Situationen gebracht, in denen er neue Automatismen entwickeln kann", erklärt Terzic diesen gemeinsamen Prozess. Dortmunds Trainer und sein Stab passten Angriffsmuster an, Haller nahm die Impulse auf und setzte sie um.
Effizienz im Finish
In den vergangenen neun Liga-Partien traf er acht Mal und bereitete vier Tore vor. Allein in den vergangenen drei Spielen kommt er auf fünf Tore und drei Assists - eine beeindruckende Quote, die dem BVB dabei half, die Spitze zu erobern. Wie für alle Borussen gilt aber auch für Haller, dass das Ziel noch nicht erreicht ist.
Das strahlte er zuletzt überdeutlich in Augsburg aus, als er doppelt traf und mit maximaler Entschlossenheit agierte. "'Seb' ist noch nicht fertig", sagt sein Trainer. Am Samstag will sich Haller, der sich zu einem absoluten Schlüsselspieler seines Teams entwickelt hat, mit dem Titel belohnen für ein auf vielen Ebenen extremes Jahr. Verdient hätte er ihn für seinen erfolgreichen Kampf gegen den Krebs fraglos.