2. Bundesliga

"Genau so habe ich es mir gewünscht": Bartels im Interview

Karriereende nach 18 Profi-Jahren

"Genau so habe ich es mir gewünscht": Bartels im Interview

Fin Bartels bestreitet am Wochenende sein letztes Spiel als Profi.

Fin Bartels bestreitet am Wochenende sein letztes Spiel als Profi. IMAGO/Eibner

Ein Lautsprecher war Fin Bartels nie. Seine letzten beiden Wochen als Fußballprofi sind indes ungewohnt prall gefüllt mit Medienterminen. Ein Fernsehteam des NDR begleitet ihn sogar mehrere Tage für einen Film aus der Reihe "Sportclub Stars". Der gebürtige Kieler erklärt, das empfinde er "als eine Ehre", und diese Einschätzung sagt eine Menge über den 36-Jährigen aus. Mit Bartels verabschiedet sich an diesem Wochenende nach 18 Jahren Profifußball eine Figur mit besonnenen und besonderen Ansichten.

Herr Bartels, Sie stiegen in Ihren ersten sechs Profijahren gleich viermal ab. Ist das so ungerührt an Ihnen vorbeigegangen, dass es insgesamt dennoch 18 Jahre geworden sind?

Nein, es ist gar nicht ungerührt an mir vorbeigegangen. Im Gegenteil: Ich bin bis heute ein Typ, der nach Niederlagen sehr grübelt. Selbst jetzt in meiner letzten Saison, da mein Abschied bereits feststeht, hängen mir verlorene Spiele nach. Ich denke, ich habe aus den Abstiegen auch viele Erfahrungswerte mitgenommen. Außerdem muss man sagen: Alle hatten eine unterschiedliche Geschichte.

Wie war die jeweilige Geschichte?

Als ganz junger Spieler mit meinem Heimatverein Holstein aus der damals drittklassigen Regionalliga abzusteigen war richtig bitter. Eigentlich hatten wir Großes vor, kamen aber in einen Strudel und da dann nicht mehr raus, genau wie beim Abstieg mit Hansa Rostock aus der 2. Liga. Aber zuvor mit Hansa und anschließend mit St. Pauli bin ich aus der Bundesliga abgestiegen, jeweils aus der Außenseiterrolle heraus. Da wäre der Nicht-Abstieg jeweils die größere Überraschung gewesen. Ich denke, ich habe dadurch früh gelernt, Dinge richtig einzuschätzen.

Half diese Fähigkeit auch beim Entschluss, nun aufzuhören?

Ja, absolut. Ich hatte schon im Winter vor eineinhalb Jahren darüber nachgedacht, in dieser Winterpause dann für mich die Entscheidung getroffen, obwohl der Verein gefragt hat, ob ich nicht noch ein Jahr machen will. Aber genau das ist der richtige Zeitpunkt und viel besser, als wenn sie irgendwann kommen und sagen: Hätte der bloß aufgehört …

Es geht nicht darum, noch ein bisschen mehr Geld zu verdienen oder noch 20 Zweitligaspiele in die persönliche Statistik einzutragen.

Fin Bartels

Haben Sie keine Angst, dass Ihnen was fehlt?

Es gibt tatsächlich ein paar ehemalige Mitspieler, die sagen, mach’ so lange es geht, die Zeit in der Kabine und auf dem Rasen kriegst du nicht zurück, sie ist das Größte.

Sie hätten auch eine Liga tiefer weiter- machen können!

Nein, das war wirklich keine Option. Es geht nicht darum, noch ein bisschen mehr Geld zu verdienen oder noch 20 Zweitligaspiele in die persönliche Statistik einzutragen. Für mich ist alles perfekt gelaufen. Und zwar genau so, wie ich es mir gewünscht habe.

Fin Bartels

Fin Bartels in der Saison 2006/2007 in der Regionalliga für Holstein Kiel. imago images/Fishing 4

Weil Sie Ihre Karriere immer in Ihrer Heimatstadt beenden wollten?

Ja, das war irgendwann wirklich mein Karriereziel. Nicht mit 20, aber später, als ich bei Werder meine beste Zeit als Profi hatte. Da entwickelte sich in mir der Wunsch, noch mal für Holstein zu spielen. Und zwar nicht mit 38, nur um einen Kreis zu schließen, sondern vernünftig, auf richtig gutem Niveau. Dass mir das gelungen ist, fühlt sich richtig gut an. Es war ein perfekter Abschluss.

In Ihrem ersten Jahr, 2020/21, war sogar die Krönung drin. Sie standen im DFB-Pokal-Halbfinale und dicht vor der Bundesliga. Ist das wie eine Narbe?

Diese Saison ist eher wie ein Spiegelbild meiner Karriere. Sie hatte Wellentäler, ist aber erfüllt und hat mich glücklich gemacht, die Krönung ist eben ausgeblieben.

Wieso? Sie mussten während der Hochzeit der Pandemie als einziges Profi- Team zweimal in Team-Quarantäne, hatten dann ein Mammutprogramm und zwei Spiele vor Schluss vier Punkte Vorsprung auf den Dritten. Lag es am Ende am Kopf oder am Körper?

Unsere Körper waren zwar leer, aber ich würde dennoch sagen, es lag am Kopf. Wir hatten zunächst alle drei Tage ein Spiel, niemand hat an uns geglaubt, und wir hatten dadurch einen unfassbaren Zusammenhalt entwickelt. In dieser Zeit ist in unserer Gruppe etwas entstanden, was alle Beteiligten für immer verbinden wird. Aber ausgerechnet vor den letzten beiden Spielen hatten wir den normalen Rhythmus mit einer Woche Pause. Und plötzlich kam der Kopf dazu. Wir haben realisiert, dass wir etwas zu verlieren haben.

Fin Bartels

Im Januar 2021 traf Fin Bartels gegen den damaligen Triple-Gewinner FC Bayern - und warf die Münchner mit Kiel aus dem DFB-Pokal. imago images/Claus Bergmann

Sie schlugen den FC Bayern in der zweiten Pokalrunde.

Ja, und letztlich ist der Sieg gegen den FC Bayern das Einzige, was aus dieser Wahnsinnssaison bleibt. Und so glücklich ich mit meiner Karriere bin - wenn ich darüber rede, tut das schon weh.

Stichwort Schmerzen: Zu Ihrer Karriere gehörten auch Verletzungen …

Bis 30 hatte ich nichts, dann bei Werder einen Achillessehnenriss, und ich war fast zwei Jahre weg. Auf jede Rückkehr folgte eine muskuläre Verletzung, vier- oder fünfmal ging das so, und ich habe mich irgendwann natürlich gefragt: Was mache ich nur?

Sind Sie, wie bei den Abstiegen, gut im Verarbeiten von Rückschlägen?

Ich grübele schon viel. Aber was ich, denke ich, ganz gut kann, ist, die richtigen Rückschlüsse zu ziehen. Durch die Verletzungsmisere zum Beispiel habe ich gelernt, meine Karriere noch mehr wertzuschätzen. Das war ja auch ein Thema vor meiner Rückkehr zu Holstein: Ich war zwar ein halbes Jahr zuvor wieder fit, hatte in Bremen aber nur noch wenig gespielt. Keiner wusste so richtig, ob das noch passt mit meinem Körper, aber ich habe über die Vorbereitung das Vertrauen zurückgewonnen, und dann ist es viel besser gelaufen als erwartet. Nur eben ohne das i-Tüpfelchen.

Als Trainer sehe ich mich jedenfalls nicht. Außer vielleicht im Nachwuchs.

Fin Bartels über seine Zukunft

Sie haben immer nur im Norden gespielt. Wollten Sie nie weiter weg?

Das hat sich immer so ergeben. Als mein Vertrag bei Rostock auslief, hat sich St. Pauli frühzeitig um mich bemüht. Genauso lief es dann vor meinem Wechsel nach Bremen. Ich bin generell so gestrickt: Wenn Dinge für mich passen und sich richtig anfühlen, dann gucke ich nicht mehr links und rechts, ob noch was anderes geht. Dazu kommt: Ich habe es mit meinen Klubs auch gut getroffen.

Fin Bartels

Fin Bartels wird verabschiedet. IMAGO/Eibner

Holstein will Sie künftig einbinden. Was wollen Sie?

Ich will erst mal Abstand gewinnen und dann vielleicht alle Abteilungen kennenlernen. Die andere Seite des Klubs verstehen. Als Trainer sehe ich mich jedenfalls nicht. Außer vielleicht im Nachwuchs.

Was würde der NLZ-Trainer Fin Bartels Jugendlichen vermitteln?

Zum Beispiel, dass sie nicht zu früh in ein Nachwuchsleistungszentrum wechseln sollten.

Weshalb nicht?

Mittlerweile haben viele Kinder und auch ihre Eltern das Ziel, so früh wie möglich zu großen Klubs in die NLZs zu kommen, mehr noch als zu meiner Jugendzeit. Ich sehe das differenzierter. Mir wird dort mitunter zu vieles vorgegeben. Aber die Spielfreude und die Fähigkeit, eigene Lösungen zu entwickeln, dürfen nicht auf der Strecke bleiben. Ich habe bis 15 Jahre in meinem Dorfverein gespielt, habe auch dadurch gelernt, Verantwortung zu übernehmen, selbstbestimmt zu sein. Auf solche Werte würde ich Wert legen. Die haben mir letztlich in meiner gesamten Karriere geholfen.

Interview: Sebastian Wolff

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