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FIFA 17 Test: Ein Umbruch mit Hindernissen

So schneidet EAs Fußballsimulation ab

FIFA 17 Test: Ein Umbruch mit Hindernissen

In unserem umfangreichen Test haben wir sämtliche Aspekte des neuen FIFA 17 unter die Lupe genommen.

In unserem umfangreichen Test haben wir sämtliche Aspekte des neuen FIFA 17 unter die Lupe genommen. kicker eSport

EA SPORTS schlägt mit FIFA 17 ein neues Kapitel für die Fußballsimulation auf und hat einiges geändert. Erstes Prunkstück soll dabei die neue Grafik darstellen. Mit FIFA 17 stellt EA erstmals die Frostbite-Engine für seine hauseigene Fußballsimulation vor. Die Engine kam bereits in Spielen wie Battlefield zum Einsatz und soll nun auch für zukünftige FIFA-Teile eingesetzt werden. Eine durchaus logische Vorgehensweise, allerdings zeigen sich in FIFA 17 noch einige Kinderkrankheiten. Die Belichtungseffekte der Spieler und im Stadion selbst sehen zwar schon sehr gut aus, genauer betrachtet fallen dann doch einige Fehler auf. In unseren Testversionen auf der PS4 und Xbox One flackerte die Belichtung des Rasens stellenweise sehr stark. Der Faltenwurf der Spielertrikots sieht auch nicht immer besonders realistisch aus und so stellen viele Kleinigkeiten am Ende die Engine dann doch etwas schwächer dar, als sie eigentlich ist.

Frostbite mit Fehlstart

Neue Einwürfe und Trainer: In der Premier League stehen die bekannten Trainergrößen am Spielfeldrand.

Neue Einwürfe und Trainer: In der Premier League stehen die bekannten Trainergrößen am Spielfeldrand. kicker eSport

Das größte Problem fiel uns jedoch beim Kollisionssystem auf. Clipping-Fehler waren keine Seltenheit. So faustet der Keeper den Ball nach einer Ecke schon mal durch den Kopf seiner Mitspieler. Hinzu glitten die Spieler bei Zweikämpfen des Öfteren teilweise einen halben Meter über den Boden. Solche Fehler trüben den Eindruck auf dem Spielfeld leider etwas, da die Präsentation ansonsten ziemlich gut ist. Der Einlauf in die Stadien, die Fans samt Fan-Gesänge machen einiges her und geben einem das Gefühl einer echten Live-Übertragung. Grafisch muss FIFA 17 aber im Vergleich zu PES 2017 einige Abstriche machen. Die Spielergesichter sehen zwar gut aus, aber manche realen Vorbilder erkennt man nicht auf Anhieb und selbst bei Stars wie Lewandowski oder Buffon wirkt die Mimik teilweise geradezu leblos. Dafür könnt Ihr in der Premier League die virtuellen Abbilder der Trainer sehen. Generell tut sich am Seitenrand schon wesentlich mehr als im letzten Jahr und das trägt noch einmal zur Stimmung bei. Natürlich gibt es auch neue Jubelposen bei Torerfolgen. Das Feeling auf dem Platz ist zusammengefasst sehr authentisch, was auch durch die Kommentatoren unterstützt wird. Die Sprüche sind natürlich und wirken nicht einfach nur schlecht zusammengeschnitten. Man hat das Gefühl, dass sich Wolff-Christoph Fuss und Frank Buschmann wirklich unterhalten und das Spielgeschehen live kommentieren. Hin und wieder verfallen die beiden aber in eine selbstdarstellerische Phase, die das Spiel zur Nebensache werden lässt. Wenn Buschmann und Fuss einen Spruch nach dem anderen abfeuern, ist das mal ganz lustig, aber über die Dauer kann das schon etwas anstrengend werden. Insgesamt betrachtet liefert EA mit seinen Kommentatoren in diesem Jahr aber gute Arbeit ab.

Shielding und taktische Erweiterungen

Das neue Menü im Überblick.

Das neue Menü im Überblick. kicker eSport

Neben der Frostbite-Engine hat EA einige spielerische Dinge überarbeitet. So stellen sich vor allem beim Zweikampf einige Neuerungen ein. In FIFA 17 ist es wichtiger denn je, den Ball sicher zu verarbeiten. Das berühmte Kick & Rush der Vergangenheit wurde im neuen Teil deutlich zurückgeschraubt. Zwar sind Konter und schnelle Spieler immer noch ein wichtiger Bestandteil, aber das Spiel ist insgesamt langsamer geworden. Pässe müssen von Eurem Spieler richtig angenommen werden, um diese sicher und direkt weiterverarbeiten zu können. Dazu ist vor allem das Shielding sehr wichtig. Die neue Funktion lässt Euren Spieler den Ball besser abschirmen. So stellt sich der Spieler zwischen Gegner und Ball und nutzt seinen Körper und die Arme, um sich in die bestmögliche Position zur Ballkontrolle zu bringen. Nutzt man diese Funktion nicht, kann der Ball schnell weg sein. Es erfordert eine große Umgewöhnung, denn aus FIFA 16 ist man es noch gewohnt, den Ball möglichst schnell nach vorne zu bringen. Langes Mittelfeldgeplänkel war oftmals eher hinderlich. Dies hat EA jetzt auch eingesehen und bringt mehr Realismus in den Spielaufbau, der von den Spielern auch mal mehr Finesse und Geduld im Mittelfeld erfordert. Hin und wieder machen die eigenen Spieler aber mal einen Strich durch die Rechnung und so wird ein simpler Rückpass zum Keeper ein verkrüppelter Ball ins Aus. Diese Dinge stehen auch sehr häufig in Verbindung mit der Position des Spielers und dem Shielding. Hin und wieder kommen dann schon mal merkwürdige Aktionen der eigenen Spieler raus, die man nicht immer nachvollziehen kann. Übung ist hier auf jeden Fall angesagt.

Ebenso kann nicht jeder Spieler den Ball so gut abschirmen, wie es ein Zlatan Ibrahimovic macht. Chelseas Eden Hazard oder Emre Mor vom BVB können da körperlich weniger entgegensetzen, was sich auch im Spiel bemerkbar macht. Hier ist das technische Geschick des Spielers gefragt. Wer dennoch lieber das Mittelfeld überbrücken möchte, hat nun auch mit langen Bällen die Möglichkeit dazu. Schnelle Seitenwechsel und Flanken machen in FIFA 17 jetzt wieder wesentlich mehr Spaß, denn die langen Bälle finden auch mal wieder einen Abnehmer. Im Vorgänger war dies eher seltener der Fall, weshalb die Varianz etwas auf der Strecke blieb. Die Chancenerarbeitung ist dagegen in FIFA 17 deutlich vielseitiger. Angriffsmöglichkeiten lassen sich über die Mitte und mit langen Bällen ebenso gut planen, wie mit schnellen Kontern.

Sprint im Schneckentempo

zum Thema:

Die bereits angesprochene Entschleunigung des Spielaufbaus macht sich aber an allen Ecken und Enden auf dem Platz bemerkbar. Die Spieler besitzen jetzt einen Antritt – theoretisch hatten sie den auch schon früher, aber jetzt bemerkt man ihn. Die virtuellen Kicker benötigen drei bis vier Schritte, bevor sie auf Touren kommen und den Sprint einlegen können. Dies vermittelt einem des Öfteren das Gefühl, dass die Sprinttaste kaputt ist, aber sie ist es nicht. Der Spieler braucht jetzt einfach nur etwas, um in die Gänge zu kommen. Habt Ihr Euch einmal mit dem Shielding und den Bewegungen Eurer Spieler bekannt gemacht, wird einem die neue Vielfalt an Angriffsmöglichkeiten erst so richtig bewusst. Denn die virtuellen Kollegen haben einige schicke neue Angriffszüge auf Lager, die es in dieser Saison zu nutzen gilt. Anfangs müssen die Laufwege zwar erst einstudiert werden, aber das ist wie in jedem Jahr die große Herausforderung. Interessant sind auch die neuen Abschlüsse, die dabei rauskommen. Überaus effektiv und mit neuen Akzenten versehen, sind die flachen Abschlüsse, mit denen Ihr den gegnerischen Keeper überwinden könnt. Hinzu kommen noch die Kopfbälle, die in FIFA 17 ein kleines Comeback feiern. Über Varianz im Angriffsspiel kann man sich also nicht beschweren.

Taktisch lässt sich auch mit der Anweisung "Falsche 9" ein sehr attraktiver Angriffszug definieren. In der realen Fußballwelt schon längst etabliert, lässt sich dies nun auch in FIFA 17 als spielerisches Element einbinden. Wer mit dieser Funktion in seiner Formation richtig umzugehen weiß, hat eine starke Alternative zu den bisher bekannten Angriffszügen. In der Defensive muss EA aber vermutlich noch einen Patch nachlegen, denn die Abwehrspieler geben in manchen Situationen keine besonders glückliche Figur ab. Hin und wieder rollt der Ball an den Defensivleuten vorbei und es kümmert sie nicht - den Gegner allerdings schon und so bringen einen die eigenen Leute oftmals unnötig in Verlegenheit. Bei den Keepern ist es wie im realen Fußball, hier sind sie mal großartig und manchmal etwas zu sorglos. Die Torhüter lassen in FIFA 17 den Ball des Öfteren einfach abklatschen, was Eure Abwehr manchmal ganz schön ins Schwitzen bringt.

Standards und das Problem mit ruhenden Bällen

Geht der Ball mal ins Aus, fallen einem sofort die neuen Standardsituationen und Einwürfe auf. Letztere sind jetzt nicht mehr auf eine Stelle fixiert. Ihr könnt mit dem Spieler an der Seitenlinie einige Meter hin und herlaufen und Einwürfe antäuschen. Im Vergleich zum Vorjahr funktionieren die Einwürfe jetzt auch wieder wesentlich besser. Gewöhnungsbedürftig sind dagegen die neuen Standardsituationen. Ecken können nun sehr präzise auf einzelne Spieler anvisiert werden, doch das nötige Timing und Feingefühl muss man erst noch entwickeln, damit die neuen Eckstöße auch effektiv sind. Schwerer sind dann schon die Freistöße. Diese lassen sich jetzt mit Anlauf schlagen, was allerdings noch mehr Technik erfordert, damit dabei etwas Zählbares herauskommt und die Trainingseinheiten solltet Ihr Euch geben. Und wenn Ihr schon beim Training seid, übt auch gleich die Elfmeter! Die wurden ebenfalls überarbeitet und lassen sich jetzt auch mit Anlauf ausführen. Technisch wurde ebenfalls einiges geändert. Wirklich besser sind die neuen Funktionen unserer Meinung nach zwar nicht, aber wer in der Weltspitze mitspielen will, der muss die Elfer beherrschen. In der Trainingsarena warten zu diesen und anderen Aufgaben natürlich wieder die passenden Trainingseinheiten und Skillspiele auf Euch.

The Journey - keine Seifenoper

Am Anfang steht ihr noch bei Alex Hunter im Zimmer und geht von einem Probetraining zum nächsten.

Am Anfang steht ihr noch bei Alex Hunter im Zimmer und geht von einem Probetraining zum nächsten. kicker eSport

Mit einem weiteren neuen Modus will EA SPORTS in diesem Jahr richtig Punkten. Neben dem normalen Karriere-Modus, in dem Ihr ein Team managen könnt oder einen eigens erstellen Spieler zum Erfolg führen müsst, kommt jetzt der "Journey"-Modus. Dabei begleitet Ihr den Spieler Alex Hunter bei seinen Abenteuern in der Premier League. Anfangs wählt Ihr einen Verein aus der englischen Liga aus und beginnt dann die Geschichte, als der kleine Alex auf dem Rasen sein erstes Turnier gewinnt. Danach dreht sich alles um die Höhen und Tiefen einer Fußballerkarriere. Besonders raffiniert ist die Story zwar nicht, aber der Weg von Alex ist schon sehr stimmungsvoll aufgebaut. Für Spieler der NBA 2K-Reihe ist der Journey-Modus bestimmt nichts Neues, denn 2K benutzt für die Basketballsimulation seit Jahren diese Art des Storytellings. Was EA jedoch im Vergleich anders macht, ist die Bildung eines Spielcharakters. In The Journey müsst Ihr immer mal wieder Dialoge führen, wobei Ihr die Wahl aus drei Antwortmöglichkeiten habt. Jede Antwort hat eine Auswirkung auf Euren Charakter und auf die Öffentlichkeit. Dabei charakterisieren sich die Antworten nach "cool", "hitzköpfig" oder "ausgeglichen". Im Spielverlauf erhaltet Ihr auch Aufgaben, die es während des Spiels zu erfüllen gilt. Schieß ein Tor, mach eine Vorlage - diese Ziele gilt es, dann zu erreichen. Schafft Ihr das, entwickelt sich die Geschichte anders, als wenn Ihr schlecht spielt.

Ultimate Team - die goldene Gans

Der neue FUT-Modus bietet in FIFA 17 einige Neuerungen und Modi.

Der neue FUT-Modus bietet in FIFA 17 einige Neuerungen und Modi. kicker eSport

Mit dem Ultiamte Team-Modus geht EA in diesem Jahr neue Wege und will vor allem die FUT-Community noch weiter ausbauen. Neue Anreize gibt es auf jeden Fall. Wer schon im letzten Teil dabei war, bekommt für den Aufbau des neuen Teams einige Packs zum Start geschenkt. Denn wie in den Jahren zuvor, kann man seine Teams nicht in den neuen Teil übernehmen. So fängt man quasi immer von vorne an. Schaut man sich aber die kommenden Ereignisse an, ist dieser Neustart besonders in diesem Jahr eine gute Sache, denn erstmals wird es den FUT Champions-Modus geben. Hier können die Spieler mit ihrem Team an Turnieren teilnehmen und im besten Fall bei guter Platzierung, sogar bei der Qualifikation zum FIFA Interactive World Cup mitmachen. Erstmals verbindet EA diese beiden Turniere miteinander. Drei FUT Champions-Seasons soll es in diesem Jahr geben. Einen faden Beigeschmack hat das Ganze aber schon, denn vor allem in den Online-Qualifikationen soll es laut EA und der FIFA zwar mehr Sicherheit geben, aber die komplette Ausgrenzung von Cheatern wird man wohl nicht garantieren können. Gleichzeitig kann man auch nicht von der Hand weisen, dass die Spieler, die mehr Geld in FUT ausgeben, einen Vorteil haben könnten. Denn nach wie vor kann man im Ultiamte Team-Modus Spielerkarten auf dem Transfermarkt auch mit der EA-internen Währung kaufen und diese FIFA Points gibt es nur mit Echtgeld zu erwerben. Packs und Spieler können so schneller für den Aufbau des FUT-Teams benutzt werden. Ein Weg, der für EA aus finanzieller Hinsicht vermutlich Sinn macht, aber ob das für die Spieler am Ende der beste Weg ist, bleibt dahingestellt.

Abgesehen davon bietet der FUT17-Modus noch weitere Neuerungen. So gibt es Manageraufgaben im Spiel zu lösen. Für das Ändern des Vereinsnamens gibt es beispielsweise eine Belohnung oder für das Durchblättern von Spielerkarten. Früher musste man alle Aufgaben erst beenden, um eine Belohnung zu bekommen. Jetzt gibt es für jede abgeschlossene Aufgabe eine Belohnung. Coins, Packs oder Verträge können so schon relativ einfach verdient werden. Weiterhin gibt es noch die Squad Building Challenges, welche ebenfalls frischen Wind in die FUT-Umgebung bringen.

Fazit

FIFA 17 soll der Umbruch für weitere gravierende Änderungen sein. Das erzählte uns EAs Peter Moore in einem Interview und genau das merkt man FIFA 17 auch an. Das Spiel hat mit dem Journey-Modus einen sehr unterhaltsamen Mehrwert, der zwar keine hochgradig originelle Story liefert, aber dennoch sehr viel Spaß macht. Des Weiteren kann EA besonders auf die Shielding-Funktion sehr stolz sein und auch die Entscheidung das Gameplay langsamer aufzuziehen, empfinden wir als äußerst positiv. Hinzu kommt der FUT-Modus, der mit seinen neuen Modi ebenfalls einiges an Spielzeit fressen wird und zumindest dem eSport die Tür etwas öffnet. Das EA in diesem Jahr immer noch keinen Zuschauermodus beinhaltet ist für den eSport eine Enttäuschung und lässt den angesprochenen Fortschritt zumindest in dieser Hinsicht verblassen. In Sachen Lizenzen ist EA immer noch der uneingeschränkte Platzhirsch. Über 30 Ligen und 650 spielbare Teams sprechen eine deutliche Sprache. Grafisch kann FIFA 17 dagegen keine Akzente setzen. Dafür ist die Frostbite Engine in diesem Jahr zu anfällig.

Nicole Lange