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WM 2022: Alles golden für Mbappé?

Frankreich trifft auf Überraschungs-Halbfinalist Marokko

"Es gibt keine Geheimnisse" - Alles golden für Mbappé?

Frankreichs Kylian Mbappé ist auf dem besten Weg, alles abzuräumen.

Frankreichs Kylian Mbappé ist auf dem besten Weg, alles abzuräumen. IMAGO/AFLOSPORT

Aus Katar berichtet Oliver Hartmann

Es war weit nach Mitternacht, als Kylian Mbappé nach Frankreichs mühsam erkämpften 2:1-Viertelfinal-Sieg über England via Twitter drei Herzchen an Achraf Hakimi verschickte. Wiedersehen macht Freude, sollte wohl diese Botschaft an seinen marokkanischen Freund und Teamkollegen bei Paris St. Germain ausdrücken.

Die Freundschaft ruht

Am Mittwoch (20 Uhr, LIVE! bei kicker) treffen Frankreichs Stürmerstar und Marokkos Rechtsverteidiger im Stadion Al-Bayt im direkten Kräftemessen aufeinander - es dürfte ein Schlüsselduell werden in dieser nicht nur aus sportlicher Sicht brisanten Partie zwischen dem favorisierten Titelverteidiger und dem Überraschungs-Halbfinalisten. Dass dabei die Freundschaft für 90 oder vielleicht auch 120 Minuten ruhen wird, machte Kapitän Hugo Lloris am Dienstag deutlich. "Wenn du in einem WM-Spiel für dein Land antrittst, hat das ganz klar Vorrang vor irgendwelchen Freundschaften", so der Schlussmann.

"Ich hoffe, wir finden eine Lösung"

"Ich habe all ihre Spiele gesehen. Sie waren sehr stark in der Defensive, kein Gegner fand eine Lösung", urteilte Nationalcoach Didier Dechamps über die erste afrikanische Mannschaft in einem WM-Halbfinale, die im bisherigen Turnierverlauf erst ein - obendrein selbst erzieltes - Tor kassierte. "Ich hoffe, wir finden eine Lösung", fügte Deschamps hinzu.

Die Hoffnungen trägt in erster Linie Mbappé, der mit fünf Treffern Frankreichs Weg ins Viertelfinale maßgeblich geebnet hatte. Dort hatten sich zwar die Engländer am Samstag mit dem gleichfalls pfeilschnellen Kyle Walker und doppelter Absicherung einen wirkungsvollen Plan zurechtgelegt, um Mbappés Kreise einzuengen - stattdessen sprang der bei dieser WM auch schon viermal erfolgreiche Olivier Giroud als Siegtorschütze und der wieder aufgeblühte Antoine Griezmann als zweimaliger Vorlagengeber in die Bresche.

Das einzige Ziel ist für mich, die WM zu gewinnen. Das ist der einzige Traum, den ich habe.

Kylian Mbappé

Viel ist in diesen Tagen die Rede vom letzten Halali der WM-Altstars, von Cristiano Ronaldos Tränen und dem anstehenden Showdown zwischen Argentiniens Lionel Messi gegen Kroatiens nimmermüden Luca Modric. Während die Mitdreißiger von einem gebührenden Abschied auf der großen WM-Bühne träumen, ist Mbappé längst auf dem Weg zum neuen Superstar des Weltfußballs. Beim WM-Titelgewinn vor viereinhalb Jahren in Russland wurde der damals 19-jährige Angreifer nach vier Treffern zum besten Jungspieler des Turniers gekürt. Jetzt winken ihm der "Goldene Schuh" als Torschützenkönig sowie der "Goldene Ball" für den besten Spieler des Turniers. Darum gehe es ihm nicht, sagte Mbappé am vorvergangenen Sonntag, seinem bislang einzigen öffentlichen Auftritt in Katar. Zuvor war er nach dem 3:1-Sieg im Achtelfinale gegen Polen zum "Man of the Match" gewählt worden, was laut FIFA-Reglement ein kurzes Nachspiel vor der Weltpresse nach sich zieht. "Das einzige Ziel ist für mich, die WM zu gewinnen. Das ist der einzige Traum, den ich habe", versicherte Mbappé da.

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Anders als Ronaldo, Messi und Modric hat er sich diesen Traum schon einmal verwirklichen dürfen. Wie schon in Russland verkörpert die Equipe Tricolore unter dem Vorsitz von Deschamps auch in Katar wieder die beste Mischung aus mannschaftlicher Geschlossenheit und individueller Qualität, weshalb die Chancen auf eine Wiederholung groß erscheinen. "Es gibt keine Geheimnisse", antwortete Lloris am Dienstag auf die Frage nach dem Erfolgsrezept: "Wir sind seit Turnierbeginn in unserer Blase und voll das Turnier fokussiert. Wir lesen nicht, was außerhalb dieser Blase gesagt und geschrieben wird. Und je näher wir dem Ziel kommen, je größer ist der Fokus."

Ich habe keine politischen Botschaften. Ich bin Trainer und kenne meine Rolle, und bei den Spielern ist es ebenso.

Didier Deschamps

Vermutlich ist genau diese Fokussierung die Erfolgsformel und der große Unterschied zu frühgestrauchelten Mitbewerbern wie beispielsweise Hansi Flick und das deutsche Team, zum Beispiel in der leidigen Affäre um die One-Love-Binde zu Turnierbeginn. Während die Franzosen augenscheinlich frühzeitig die Aussichtslosigkeit dieses Vorstoßes bei der FIFA erkannten und in Person von Lloris noch vor Turnierbeginn öffentlich abrückten, schleppte man beim DFB die Diskussionen mit ins Turnier. Als N’Golo Kanté, Paul Pogba, Christopher Nkunku und zu guter Letzt auch noch Weltfußballer Karim Benzema vor Turnierbeginn verletzungsbedingt wegbrachen, führte dies nicht zum großen Aufschrei, sondern zu einer Jetzt-erst-recht-Mentalität. Und als Deschamps in der Pressekonferenz am Dienstag auf die gesellschaftliche Brisanz der morgigen Paarung und seine Botschaft angesprochen wurde, ließ sich der Coach nicht im Ansatz aus der Reserve locken: "Ich habe keine politischen Botschaften. Ich bin Trainer und kenne meine Rolle, und bei den Spielern ist es ebenso." Alle Konzentration auf das Spiel, das war und ist Deschamps Kernbotschaft.