Nach einer einseitigen ersten Halbzeit und einer komfortablen 3:0-Führung musste der SV Darmstadt 98 am Sonntagabend doch noch die Punkte mit Borussia Mönchengladbach teilen - 3:3 hieß es am Ende. Knackpunkt dieser Partie war eine Szene kurz nach Wiederanpfiff, die zur Folge hatte, dass der SVD-Verteidiger Matej Maglica nach VAR-Eingriff die Rote Karte sah und den Gladbachern ein Elfmeter zugesprochen wurde.
"Auf dem Feld hatte ich keine Wahrnehmung", erklärte Schiedsrichter Timo Gerach nach dem Spiel bei DAZN das Geschehen rund um die Szene, bei der dem SVD-Verteidiger im Laufduell mit Fohlen-Stürmer Tomas Cvancara der Ball im Strafraum an die Hand gesprungen war. "Der Videoassistent hat Kontakt mit mir aufgenommen und mir bestätigt - das zeigen die Bilder in Köln klar -, dass der Darmstädter Abwehrspieler mit der Hand am Ball ist. Damit ist es ein klares Handspiel, eine Wisch-Bewegung. Was sicherlich diskutabel in der Auslegung ist: ob der Gladbacher jetzt eine Ballkontrolle hat oder ob er diese erst in den nächsten Sekunden erlangen wird."
DFB-Regel 12 gibt Aufschluss
Denn in diesem Fall stellt sich die Frage nach der Bestrafung: Gelb oder Rot? Das hängt von der Bewertung der Zweikampfsituation ab. Das DFB-Regelwerk definiert in Regel 12, dass ein Vereiteln einer offensichtlichen Torchance mit Strafstoß und Gelb geahndet wird, "wenn das Vergehen bei dem Versuch, den Ball zu spielen, oder bei einem Zweikampf um den Ball begangen wurde." Die sogenannte Doppelbestrafung - Rot und Elfmeter - ist in diesen Fällen abgeschafft.
Doch bei Handspielen findet dieser Aspekt keine Anwendung. "Wenn ein Spieler ein Tor oder eine offensichtliche Torchance des Gegners durch ein Handspielvergehen vereitelt, wird er unabhängig vom Ort des Vergehens des Feldes verwiesen", schreibt der DFB.
Regelauslegung liegt bei Gerach
Die Frage ist: War es eine "offensichtliche Torchance"? Diese ist so definiert, dass der Spieler den Ball unter Kontrolle haben muss oder dies unmittelbar bevorsteht. Gerach hat diese Frage mit Ja beantwortet und den dafür vorgesehen Platzverweis ausgesprochen. Hätte der Referee bewertet, dass Cvancara noch keine Ballkontrolle erlangt hätte, wäre es laut Definition keine offensichtliche Torchance und die Gelbe Karte folgerichtig gewesen.
Der Punkt der Ballkontrolle ist diskutabel, für beide Entscheidungen lassen sich Argumente finden. Die Rote Karte ist damit eine harte Entscheidung, sie liegt aber noch im Ermessensspielraum des Unparteiischen, der Einblick in seine Entscheidungsfindung gab.
Schiedsrichter versteht den Ärger
"Elf, zwölf Meter vor dem Tor in der Box, der Ball kommt runter auf seinen Fuß. Für mich ist das eine klare Torchance und deswegen habe ich mich auf dem Feld auch für die Rote Karte entschieden", erklärte Gerach seine Entscheidung. Dabei zeigte er aber auch Verständnis dafür, dass der Platzverweis in der Außenwahrnehmung hart gewesen sei. "Das kann ich verstehen, ja", so Gerach. "Für mich als Schiedsrichter geht es aber darum, zu entscheiden. Und das sind manchmal auch unpopuläre und harte Entscheidungen - das war sicherlich so eine, ja."
Maglica selbst tat sich schwer damit, die Bestrafung zu akzeptieren, wie er gegenüber DAZN bestätigte: "In dem Moment hab ich wirklich nicht gespürt, dass ich den Ball mit der Hand spiele. Da sieht man auch nicht, dass der Ball sich anders bewegt. Ich spiele den Ball nicht mit der Hand. Das kann ich nicht bestätigen. In dem Moment habe ich das nicht gespürt."
Lilien-Coach Torsten Lieberknecht hatte auch Probleme mit der Akzeptanz der Roten Karte, zumal das Spiel "mit der Doppelbestrafung einen komplett anderen Verlauf genommen" hatte. Allerdings stellte er auch klar, dass man bereits zuvor den Sack hätte zumachen müssen: "Wir hatten in der ersten Halbzeit die Möglichkeit, auf 4:0 oder 5:0 zu erhöhen. Das ist uns mit ein bisschen Abschlusspech dann nicht geglückt." Somit warten die Lilien nach ihrer Bundesliga-Rückkehr weiter auf ihren ersten Sieg.