Das deutsche Aus nach der Gruppenphase ist gleichbedeutend mit meiner Abreise aus Katar. In der Nacht von Sonntag auf Montag geht mein Flieger zurück in die Heimat. Der Koffer steht bereits gepackt im Flur, wenn Sie diese Zeilen lesen. Am Samstag aber habe ich die Chance noch einmal genutzt, mir eine der Kuriositäten dieser WM anzuschauen: Die überdachte Eishalle auf dem Gelände der Hayya Fan Zone in Lusail, unweit des imposanten The-Raffle-Hotels, das wie eine Sichel in den Himmel ragt.
Als ich um 17 Uhr auf dem weitläufigen Areal eintreffe, ist noch nicht viel los. Darauf, dass in einer Stunde das Achtelfinale USA gegen die Niederlande stattfindet, deutet nur die Deko an einem der kleinen Stände hin, die rund um die drei riesigen Leinwände aufgebaut sind. Viele Menschen sind noch nicht unterwegs, nur vereinzelt haben sich schon ein paar von ihnen in die aufblasbaren Sitzkissen gelegt, die man sich in einer Ecke des Festes ausleihen kann, und dösen auf der Freifläche, die beste Sicht auf die Skyline bietet.
Worum es im Theaterstück geht, ist nicht zu erkennen
Doch wo ist sie nun, die Eishalle? Ich folge meinem Gehör, denn aus einer Ecke des Geländes tönt zwar gedämpfte, aber dennoch nicht zu überhörende Musik. Nach 100 Metern stehe ich vor einer bunten Halle ohne richtigen Eingang. Einer der vielen Ordner, die auch hier alle paar Meter stehen, weist mir den Weg - und plötzlich stehe ich direkt vor einer Eisfläche von der Größe eines halben Fußballfeldes.
Auch eine Idee, das Kleinkind nicht zu verlieren. kicker
Hinter mir sitzen Familien auf den Tribünen und schauen gebannt auf ein Theaterstück, das gerade auf Schlittschuhen aufgeführt wird. Worum es geht, das kann ich in den wenigen Minuten, die ich es in der Eishalle ausgehalten habe, nicht erkennen. Die Kostüme sehen nach einer Mischung aus Schwanensee und Herr der Ringe aus, der Gesang ist zwar auf Englisch, aber fast so schief wie der meiner unter der Dusche. Ganz grob würde ich vermuten, dass in dem Stück ein böser Zauberer einer Mutter ihr Kind wegnehmen will. Eine Allegorie auf den Fußball möglicherweise, der den Fans entrissen werden soll? Das wäre mal subversiv gewesen … Dramatisch geht es in jedem Fall auf dem Eis zu. Aber leider auch dramatisch schlecht. Aber wir sind ja hier auch bei einer Fußball-WM, nicht auf einem Theaterfestival.
Klassische Fans sind in der Unterzahl
Also schnell wieder raus vor die Leinwände. Und schau an: Langsam füllt sich der Platz. Vor allem mit Familien, die es sich bei Burger, Pommes und Eis gutgehen lassen und nebenbei das Spiel schauen. Klassische Fans sind in dem bunt durchgemischten Publikum, das sich aus Katari und Menschen aus gefühlt allen anderen Teilen der Welt zusammensetzte, in der Unterzahl. Die Stimmung ist dennoch gut. Sei es bei der ganz in Orange gekleideten Familie, die es mit den Holländern hält und sich ein ganzes Picknick aufgebaut hat - mobile Fernseh-Unterhaltung für den Kleinsten inklusive. Sei es bei den beiden amerikanischen Pärchen, die sich die Langeweile in der Halbzeitpause mit dem Kartenspiel Uno vertreiben.
Besonders in Erinnerung ist mir aber eine Mutter geblieben, die ihr Kind kurzerhand an eine Leine genommen hat, damit es im größer werdenden Volksfest-Gewimmel nicht verloren gehen kann. Als Vater kann ich nicht verhehlen, dass ich darüber auch schon mal nachgedacht habe. Ich habe den Gedanken aber rasch wieder verworfen, weil ich einen Soforteinsatz des Kinderschutzbundes befürchtete, sollte ich die Idee in die Tat umsetzen. Inzwischen sind meine Kinder groß genug, die Frage stellt sich mir also nicht mehr. Eins aber erscheint mir eindeutig: Sinnvoller als eine Eishalle im brütend heißen Doha erscheint mir eine Sicherheitsleine für Kinder allemal.