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Die wundersame Geldvermehrung in Mouscron

Wie funktionierte das dubiose Geschäft der Agenturen?

Die wundersame Geldvermehrung in Mouscron

Schweigt zu den Vorwürfen: Pini Zahavi.

Schweigt zu den Vorwürfen: Pini Zahavi. IMAGO/PRiME Media Images

Noch viel mehr als für sein glückliches Händchen bei Geschäften berühmt ist Uli Hoeneß für seine öffentlichen Schelten, wenn dem langjährigen Bayern-Manager etwas gegen den Strich geht. Im Alter ist der 70-Jährige zwar milder geworden, doch im September 2020 sah Hoeneß mal wieder die klare Kante als gerechtfertigtes Stilmittel. David Alaba pokerte um einen neuen Vertrag und Hoeneß wetterte: "Er hat einen geldgierigen Piranha als Berater." Gemeint war Pinhas, genannt Pini, Zahavi, einer der einflussreichsten Agenten der Szene. Er werkelte mit am 222-Millionen-Euro-Transfer Neymars nach Paris im Jahr 2017 und an Robert Lewandowskis letzter Vertragsverlängerung beim FCB anno 2019. Zwei öffentlichkeitswirksame Deals waren das.

Wesentlich diskreter dagegen hielt Zahavi sein Engagement bei Royal Excel Mouscron. Zahavis Firma "Gol Football Malta Limited" erwarb im Sommer 2015 die Mehrheit an dem damaligen belgischen Erstligisten und setzte vier Vertreter ein in den Verwaltungsrat des Klubs: seine Familienmitglieder Gil und Adar Zahavi, Marc Rautenberg und Johannes Diederich. Ein problematischer Vorgang, weil Vermittler weder einen Verein besitzen noch als Kluboffizielle fungieren dürfen. Formal löste sich Zahavi schnell mit dem Verkauf seiner Anteile an eine andere maltesische Firma, wobei deren Mehrheit Adar Zahavi übernahm. Und auch Rautenberg, der für die Agentur Lian Sports arbeitet oder arbeitete, zog sich zum 27. Februar 2016 zurück. Dass Lian Sports dennoch auffällig viele ihrer damaligen Klienten in der Provinz Hennegau unterbrachte, dürfte alles andere als Zufall sein. Mouscrons Kader wurde in der Folge zum Durchlauferhitzer für Talente aus aller Herren Länder, teilweise aufgebläht auf bis zu 40 Profis.

Vielleicht, weil die Bande zu den Berateragenturen doch nicht so strikt durchtrennt waren? Sicher, Rautenberg war weg. Doch es gab da ja auch noch Johannes Diederich, der bis März 2018 im Verwaltungsrat saß. Diederich? Nils Diederich gilt als rechte Hand von Alen Augustincic. Augustincic gehört die hessische Spielervermittlerfirma Soccertalk, die Profis wie Benjamin Hübner (TSG Hoffenheim) oder Sonny Kittel (HSV) und Trainer wie Niko Kovac vertritt. Offenbar war man sich der Problematik bewusst, warum sonst hätte Diederich in Mouscron als Johannes und nicht wie in seiner Funktion als Soccertalk-Mitarbeiter als Nils auftreten sollen? Als Nils Johannes Diederich jedenfalls war er beim israelischen Verband 2019/20 als Vermittler registriert - wohlgemerkt nach seinem Aus in Mouscron.

Belgische Justiz Zahavi unter anderem Betrug und Geldwäsche vor

Dort marschierte die Staatsanwaltschaft ein im November 2018. Kurz zuvor hatte das belgische Magazin Sport sehr detailliert die Beziehungen zwischen Zahavi und Fali Ramadani, Rautenbergs Partner bei Lian Sports, beschrieben. Lian Sports, wo Stars wie Leroy Sané (FC Bayern) oder Europameister Federico Chiesa (Juventus Turin) unter Vertrag stehen, und Soccertalk kooperierten damals. Mittlerweile wirft die belgische Justiz Zahavi unter anderem Betrug und Geldwäsche vor. Der Israeli bestreitet dies. Äußern dürfe er sich aktuell nicht, lässt einer seiner Mitarbeiter ausrichten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Vielleicht interessieren sich die Ermittler für den Klub, der mittlerweile nach wiederholten Problemen mit der Lizenzierungskommission abgestiegen ist und heute dem luxemburgisch-spanischen Geschäftsmann Gerard Lopez gehört, wegen ominöser Transfers mit wundersamer Geldvermehrung.

Setzten die Agenturen Strohmänner ein?

Eine solche gab es kurz nachdem sich im März 2018 wesentliche Änderungen im Verwaltungsrat vollzogen. Am 9. März schied Gil Zahavi aus, es kam Pairoj Piempongsant. Der Thailänder übernahm Mouscron im März 2018. Er und Pini Zahavi sollen laut dem britischen Guardian befreundet sein, beide sollen demnach in den Verkauf von Manchester City 2008 involviert gewesen sein, als der frühere thailändische Premierminister Thaksin Shinawatra seine Anteile an die Abu Dhabi United Group losschlug. Wie die Beziehung zwischen ihm und Piempongsant aussehe, diese Frage des kicker lässt Zahavi unbeantwortet. Dann, im Rahmen einer außerordentlichen Sitzung am 30. März 2018, schied mit Gil der letzte Statthalter der Familie Zahavi aus dem Rat aus. An diesem Tag endete auch Diederichs Mandat. Pairoj Piempongsants Sohn Phubate rückte dafür ein.

Und noch eine weitere Person tauchte fortan im Verwaltungsrat von Mouscron auf: Almir Totic. Totic arbeitete früher für eine Belgrader Firma eines damaligen Mitarbeiters von Lian Sports. Insgesamt wirkt das, als hätten die Agenturen Strohmänner eingesetzt, damit formal alles sauber aussieht.

Mouscrons Angaben wirken lückenhaft

Doch zurück zur wundersamen Geldvermehrung von Mouscron: Am 14. März 2018 unterschrieb Marko Hanuljak bei Royal. Zum Nulltarif, weil der Vertrag des 18-Jährigen bei Hypo Limac auslief. Hypo Limac ist eine vom ehemaligen Leverkusen-Star Marko Babic betriebene, private Jugendakademie in der kroatischen Stadt Osijek, die im Nachwuchsbereich an den regulären Meisterschaften teilnimmt. Mitgewirkt an Hanuljaks Wechsel hat laut belgischem Vermittlerregister: Soccertalk, Diederichs Arbeitgeber. Seltsam ist nur: Der belgische Verband weist Hanuljaks Wechsel erst für die Transferperiode 2019/20 aus. Nicht auszuschließen, dass die Klubführung hier falsche Informationen weitergab. Ohnehin wirken Mouscrons Angaben zu den involvierten Vermittlerfirmen beim Verband lückenhaft (siehe Infokasten).

Royals Angaben beim Verband werfen Fragen auf

  • In Belgien müssen alle Vereine dem Verband mitteilen, welche Spieleragenturen an Transfers, Leihen oder Vertragsabschlüssen beteiligt waren. Der Verband publiziert diese Informationen. Die Angaben von Royal Excel Mouscron zwischen 2015 und 2018 werfen Fragen auf. Für den Zeitraum von April 2015 bis März 2016 etwa sind für den Klub lediglich zwölf Transaktionen, also Wechsel oder Vertragsabschlüsse, mit Vermittlerbeteiligung beim Verband gelistet. Laut dem Branchenportal transfermarkt.de aber gab es im Vergleichszeitraum mehr als 40 Transaktionen, ausgenommen Abgänge ohne neuen Verein. Ein ähnliches Missverhältnis herrscht für 2016/17 (Verband: 11/tm.de: 39) und 2017/18 (Verband: 20/tm.de: 45). Keine der Agenturen aus dem Dunstkreis Zahavi, Lian oder Soccertalk wird zwischen 2015 und 2018 auf der Verbandsliste mit einem Royal-Transfer in Verbindung gebracht. Mouscron-Zugänge der Agentur Lian Sports wie zum Beispiel Nikola Gulan tauchen auf der Liste gar nicht erst auf.

Ein Transfer wie ein Lottogewinn

Marko Hanuljak

Brachte den Belgiern gutes Geld ein: Marko Hanuljak. imago images/Gribaudi/ImagePhoto

Zu diesem Zeitpunkt aber war Hanuljak schon gar nicht mehr in Belgien, genau genommen kam der Mittelfeldspieler nie richtig an in Mouscron. Zum 1. Juli 2018 wäre er spielberechtigt gewesen, doch ein Einsatz ist nicht verzeichnet. Stattdessen wurde er bereits am 11. Juli 2018 weitertransferiert zu AC Florenz - für satte 1,5 Millionen Euro. Zehn Tage, null Einsätze, aber 1,5 Mio. Euro Plus. Ein Transfer wie ein Lottogewinn für die Belgier.

Der internationale Transfermarkt scheint anfällig für Geldwäsche-Aktivitäten zu sein. "Obwohl die Europäische Kommission schon seit Jahren darauf hinweist, dass der Fußball ein Geldwäscheproblem hat, gibt es seitens des Staates und der Verbände kaum Bewegung. Vereinzelt kommen zwar Ermittlungen auf. An Strukturen fehlt es aber weiterhin. Insgesamt herrschen Zustände wie im Wilden Westen", kritisiert der Strafrechtsexperte und Rechtsanwalt Dr. Ingo Bott.

In einer kürzlich ausgestrahlten ARD-Dokumentation sagte der Europol-Ermittler Jan Op gen Oorth: "Es gibt natürlich Transfers, wo Spieler transferiert werden, und es wird eine Summe gezahlt, die zu hoch gegriffen ist, um Geld zu waschen. Die Spielervermittler sind da sehr wichtig, weil sie alle Fäden in der Hand führen." Laut der Doku funktioniert das Schema so: Verein A verkauft Spieler B des Vermittlers C zu einem überhöhten Preis an Verein D, die Manager beider Vereine sind eingeweiht. Teile der aufgeblähten Summe gehen als Kickback in Form der Provision an den Vermittler. Damit ist das Schwarzgeld nun sauber. Im Zweifelsfall könnte der Vermittler die Manager mit Bestechungsgeschenken gefügig machen, damit sie mitspielen.

Der Doppeltransfer Hanuljaks nach Mouscron und Florenz weist Parallelen zu dem Schema auf. Soccertalk - also exakt die Agentur, deren Mitarbeiter bis kurz vor Hanuljaks Wechsel nach Italien im Verwaltungsrat saß - wickelte den Millionentransfer nach Florenz im Auftrag von Royal Mouscron ab. Der kicker fand zudem heraus, dass die Fiorentina vertreten wurde von Primus Sports. Diese Firma gehört Lian-Sports-Mitbesitzer Ramadani. Ramadani und auch Augustincics Agentur Soccertalk reagierten nicht auf Fragen.

Erinnerungen an die "Geisterspieler" von Apollon Limassol

Hanuljaks enorme Wertsteigerung binnen zehn Tagen ohne einen einzigen Einsatz weckt Erinnerungen an die "Geisterspieler" von Apollon Limassol. Die Serben Mijat Gacinovic und Luka Jovic wechselten 2015 respektive 2016 für geringe Transfersummen zu dem zyprischen Klub, wurden dort für ein paar Tage geparkt und dann für ein Vielfaches weitertransferiert: Jovic, der bei Lian Sports unter Vertrag steht, von Roter Stern Belgrad über Zypern zu Benfica Lissabon. Gacinovic, vermittelt von Augustincics Agentur, von FK Vojvodina Novi Sad via Zypern zu Eintracht Frankfurt. Allein mit dem Jovic-Deal soll Limassol 4,5 Millionen Euro verdient haben, obwohl der Stürmer, der später auch in Frankfurt landete und von dort ins Star-Ensemble von Real Madrid wechselte, keine einzige Minute für Apollon absolviert hatte. Aufgedeckt hatte diesen Vorgang das vom Spiegel geführte Recherchenetzwerk EIC, das Zugang zu den Football-Leaks-Daten hatte. Seit 2018 läuft eine europaweit angelegte Ermittlung wegen des Verdachts der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung im Fußballtransfermarkt. Europol nennt zwar weder Namen der beschuldigten Agenten noch der Klubs, konkretisierte jedoch im Februar 2020 in einer Pressemitteilung: Das kriminelle Netzwerk verwalte unter anderem Klubs in Belgien, Serbien und Zypern.

Kein Wunder, dass man in Mouscron lieber diskret umging mit der Personalie Hanuljak, eine offizielle Information über die Verpflichtung gab es nie. Die Lesart des Klubs laut lokaler Zeitung damals: "Als wir Marko Hanuljak transferierten, hatte die Fiorentina bereits Interesse an dem Spieler. Nachdem wir den Spieler einen Vertrag unterschreiben ließen, zeigten die Italiener viel mehr Interesse. Sie wollten ihn wirklich. Also haben wir uns mit der Fiorentina geeinigt, ihnen den Spieler zu überlassen."

Für 1,5 Millionen Euro? Die heutige Klubführung in Florenz - im Juni 2019 übernahm der Italoamerikaner Rocco Commisso den Verein - verweist darauf, dass der Transfer nicht unter ihrer Ägide geschehen sei. Hanuljak kam in Italien nur in der U 19 zum Einsatz. Aktuell ist er an NK Osijek verliehen, wo er lediglich in der Reserve in Kroatiens 2. Liga aufläuft. Die wundersame Geldvermehrung aus dem Juli 2018 scheint andere Hintergründe als sportliche zu haben …

Benni Hofmann