Aus Köln berichtet Oliver Bitter
"Hätte uns einer vor dem Turnier gesagt, dass wir sogar vorzeitig das Halbfinale klarmachen können, dann hätten wir ihn für verrückt erklärt", hatte DHB-Vizepräsident Bob Hanning vor dem Treffen mit dem zweimaligen Olympiasieger und Weltmeister Kroatien gesagt. Nun also blieb das Team von Christian Prokop auch in seinem fünften Spiel ohne Niederlage und hat mit dem Erreichen das Halbfinales schon die Turniervorgabe erfüllt. Durch den Sieg des DHB-Team ist auch Titelverteidiger Frankreich bereits durch.
Früher Schock: Strobel verletzt
Es war allerdings ein ganz hartes Stück Arbeit: Die Kroaten, die für den Rest des Turniers auf ihren verletzten Spielmacher Luka Cindric vom polnischen Meister Kielce verzichten müssen , erwischten den besseren Start und stellten die deutsche 6:0-Abwehr vor einige Probleme. Doch die Gastgeber blieben dran, mussten dabei aber auch einen Schreckmoment verkraften: Bei einem Wurfversuch verletzte sich Rückraumspieler Martin Strobel und musste mit einer Trage vom Feld gebracht werden. Die WM ist für den Spielmacher wegen einer Knieverletzung beendet .
Die deutsche Mannschaft, die einen Tag länger regenerieren konnte, erlaubte sich zwischendurch ungewohnte technische Fehler und hatte in der Abwehr gegen die technisch versierten und wendigen Kroaten alle Hände voll zu tun. Erstmals in Führung ging das deutsche Team in der 21. Minute durch einen Tempogegenstoß von Hendrik Pekeler zum 8:7, agierte nun etwas offensiver in der Deckung und legte vor allem Superstar Domagoj Duvnjak vom THW Kiel an die Kette.
Wiede ganz stark - Von den Außen kommt zu wenig
Einer der emotionalen Höhepunkte der ersten Halbzeit vor 19.250 Zuschauern: Der wieder mal bärenstarke Abwehrchef Patrick Wiencek fing den Ball bei einer misslungenen Offensivaktion der Kroaten ab und traf vom eigenen Kreis ins verlassene Tor – erstmals lag Deutschland mit zwei Toren vorne (10:8/26. Minute). Manko allerdings in der ersten Hälfte: Von den Außenpositionen brachte die DHB-Auswahl wenig bis nichts zustande, weder Linksaußen Uwe Gensheimer noch Patrick Groetzki auf Rechts kamen mal entscheidend zum Zuge. Im Gegenteil: Groetzki fiel wiederholt durch technische Fehler auf.
Verlass war dagegen auf Linkshänder Fabian Wiede von den Füchsen Berlin, dessen Würfe mit Urgewalt durch die Deckung der Kroaten zischten. Auf sein Konto ging auch der Treffer zum 11:11 unmittelbar vor dem Pausenpfiff; sein strammer Wurf zum 18:15 (46. Minute) brachte das Team von Christian Prokop erstmals mit drei Toren in Führung. Alle sechs Würfe von Wiede fanden an diesem Abend ihren Weg ins Tor.
Doch es blieb eine hart umkämpfte Partie auf Augenhöhe. Grandios weiterhin der deutsche Innenblock mit Wiencek, Kohlbacher und Böhm, aus dem Rückraum drangen die Kroaten zunächst kaum durch, auch weil Pekeler nun in vorgezogener Position störte. Wohl dem, der in Abwehr wie in Angriff verschiedene Varianten mit Erfolg auf die Platte bringen kann.
DHB-Team verliert in der Schlussphase kurzzeitig den Faden
Unübersehbar aber weiter die Schwächen auf den Außenpositionen: Groetzki traute sich nun kaum mehr zu werfen, auf links kam Matthias Musche, Top-Torjäger der Bundesliga, für Gensheimer, vergab aber ebenfalls aus guter Position. Die Folge: Die Kroaten gingen beim Stand von 19:18 sechs Minuten vor Schluss erstmals nach langer Zeit wieder in Führung.
Wolffs wichtige Parade - Gensheimer wünscht sich Dänemark
Das Signal für eine turbulente Schlussphase kam dann vom erneut starken Keeper Andreas Wolff, der gegen den frei vor ihm auftauchenden Zeljko Musa parierte - und dann Hendrik Pekeler den Treffer zum 21:20 auflegte, ehe Gensheimer für die Vorentscheidung auf dem Weg zum 22:21-Erfolg sorgte. In Hamburg trifft die DHB-Auswahl am Freitag auf Dänemark, Norwegen oder Schweden. "Ein Halbfinale gegen Dänemark wäre mein Wunsch", meinte Kapitän Gensheimer. Damit könnte sich auch DHB-Vize Bob Hanning anfreunden, "weil wir dann in Hamburg Heimvorteil hätten". Anders als im Endspiel in Herning.
Kroatien - Deutschland 21:22 (11:11)
Kroatien: Sego, I. Stevanovic - Karacic 4/1, Strlek 4, Sipic 3, Duvnjak 2, Horvat 2, Musa 2, Stepancic 2, Mandic 1, Vrankovic 1, Beciri, Bicanic, Blazevic, Sliskovic, Vida
Deutschland: Heinevetter (Füchse Berlin), Wolff (THW Kiel) - Wiede (Füchse Berlin) 6, Gensheimer (Paris St. Germain) 4/2, Pekeler (THW Kiel) 3, Böhm (TSV Hannover-Burgdorf) 2, Fäth (Rhein-Neckar Löwen) 2, K. Häfner (TSV Hannover-Burgdorf) 2, Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen) 2, Wiencek (THW Kiel) 1, Drux (Füchse Berlin), Groetzki (Rhein-Neckar Löwen), F. Lemke (MT Melsungen), Musche (SC Magdeburg), Strobel (HBW Balingen-Weilstetten), Weinhold (THW Kiel)
Schiedsrichter: Martin Gjeding (Dänemark)/Mads Hansen (Dänemark)
Zuschauer: 19250 (ausverkauft)
Strafminuten: 8 / 10
Disqualifikation: - / -