Dieses klare Ergebnis (5:2 gegen Italien) bedeutete ein versöhnliches Ende dieses elftägigen Juni-Wettstreits im Kurzturniermodus. Es war ein Sieg gegen aufkommende Selbstzweifel. Die Atmosphäre in der Nationalmannschaft sowie im gesamten deutschen Umfeld wird dadurch beruhigt. Die DFB-Auswahl präsentierte sich gewillt, den in den drei Partien zuvor ambivalenten Eindruck zu korrigieren.
Zu Recht kritisierte Akteure wie Leroy Sané und Timo Werner zeigten eine engagierte Körpersprache, obwohl sie weitere verheißungsvolle Chancen und damit ein noch deutlicheres Resultat verschusselten. Allerdings sahen einige Kombinationen, schnell und teils mit direkten Pässen vorgetragen, richtig gut aus; auch das Pressing geriet immer wieder effizient. An der Klarheit bei den letzten Pässen oder im Abschluss haperte es allerdings in manchen Szenen, in der Defensive erfolgte die direkte Zuordnung manchmal zu lasch, die Räume waren nicht immer abgesichert, so auf der linken Abwehrseite.
Nations League
Personell hat der Bundestrainer mittlerweile eine Achse aufgebaut. Vor dem unbestrittenen Torwart Manuel Neuer wurde Antonio Rüdiger, der sich dringend seine undisziplinierten Einlagen ersparen sollte, zum Abwehrchef befördert, davor ist Joshua Kimmich im defensiven Mittelfeld gesetzt. Außer in Budapest hat der Bayern-Profi drei starke Auftritte hingelegt. Thomas Müller als umtriebiger und organisierender Zehner setzt diese innere Linie fort, nach vorne in den Angriff - zu Timo Werner. Flick vertraut diesem Stürmer, der sich mit zwei Toren bedankte. Da sich Kai Havertz weder als Mittelstürmer noch auf der Position 10 spektakulär vordrängt, stellt der Hochbegabte für beide Rollen vorerst nur die erste Alternative dar. Und weil sich Jonas Hofmann rechts in der Offensive empfohlen hat, weiß Serge Gnabry nun, dass Joachim Löws Einsatzgarantie aus dem September 2019 drei Jahre später bei der WM in Katar nicht unbedingt gelten wird.
Der grundsätzlich torgefährliche Gnabry muss seinen Platz verteidigen wie auch der Bayern-Kollege Sané, den Jamal Musiala bedrängt, eventuell auch Marco Reus, falls der so oft lädierte Dortmunder überhaupt ein Kandidat bleiben wird bei so vielen Ausfällen und der Termindichte einer WM. Auch Leon Goretzka wird gelernt haben, dass ihm in Ilkay Gündogan ein Konkurrent erwachsen ist, der das vermeintlich logische Bayern-Duett Kimmich-Goretzka im Herzzentrum des Spiels nicht brav abnicken wird.
Auch Raum ist ein Gewinner
Wie Hofmann und Gündogan ist David Raum ein Gewinner dieser Tour, dank seiner energetischen Offensivläufe und Hereingaben. Abwehrkräfte sind allerdings zuallererst zum Verteidigen da, und in dieser Kernkompetenz muss Raum noch zulegen. Im Grund sind die vier Außenverteidiger - Lukas Klostermann, Thilo Kehrer, Benjamin Henrichs und Raum - austauschbar, je nach taktischem Bedarf, auf welcher Seite eben mehr Defensive oder Offensive verlangt ist.
Die WM-Partnerschaft im Abwehrzentrum sollten Rüdiger und Niklas Süle eingehen, weil Nico Schlotterbeck noch seine jugendlichen Ungeschicklichkeiten beheben muss und Jonathan Tah der vierte Mann im Quartett der Innenverteidiger sein wird. Karim Adeyemi, von dem Flick viel hält, muss diesen Bonus rechtfertigen, des Cheftrainers Forderung nach dem nächsten Schritt des künftigen Dortmunders klang unmissverständlich.
Es mangelt noch an Konstanz und Souveränität

Bleibt als deutscher Nationaltrainer gänzlich ungeschlagen - und hat die WM immer mehr im Visier: Hansi Flick. IMAGO/Beautiful Sports
Unter dem als Bundestrainer in zwölf Länderspielen (acht Siege, vier Remis) noch unbesiegten Flick gelang nun der erste Sieg gegen einen sogenannten großen Gegner, der zurzeit allerdings nur über eine sehr kleine Mannschaft verfügt. Die gewünschte psychologische Wirkung nach innen - Müller prägte dazu im Vorfeld den Begriff vom "Siegerselbstvertrauen", das es zu steigern gelte - wie nach außen wird sich einstellen, nachdem sich vor dem Saisonabschluss gegen die Squadra Azzurra schon grundsätzliche Fragen aufgetan hatten. Die deutschen Spieler haben in dieser Kampagne der Nations League 2022/23 offenbart, dass ihnen jede Überraschung zuzutrauen ist, im Positiven wie im Negativen. Es mangelt noch an Konstanz und Souveränität. Somit brachten diese vier Begegnungen keine definitive Klärung der Frage, wie weit die DFB-Auswahl mittlerweile auf dem Weg zurück in die Weltspitze ist. Flick hatte sich da Aufschlüsse erhofft.
Die verbleibende kurze Zeit bis zu den September-Tagungen in der Nations League in England und zu Hause gegen Ungarn sowie bis zum WM-Start im November muss nun jeder potenzielle deutsche WM-Kandidat zur Steigerung seiner individuellen Form und zur Eigenwerbung nutzen. Da haben noch einige einiges zu tun.