Vom im Vorfeld viel zitierten Regenbogen kam in München neben einigen Fahnen auf den Rängen vor allem ein maßgeblicher Teil zum Vorschein - der Regen. Den ungemütlichen äußeren Bedingungen trotzte das deutsche Team zunächst mit kontrolliertem Angriffsspiel, das in einer frühen Gelegenheit für Kimmich (4.) mündete.
Nur kurz darauf passte sich die Stimmung von Bundestrainer Löw auf der Bank aber dem Wetter an - und Grund dafür war ausgerechnet eine Bundesliga-Kombination: Nach einer hervorragenden Flanke des Freiburgers Sallai aus dem rechten Halbfeld setzte sich der Mainzer Szalai zwischen Ginter und Hummels ab und bezwang Neuer per Flugkopfball (11.) - kalte Dusche im Sommerregen.
Hummels trifft die Latte - Deutschland fehlt die Inspiration
Wie auch zuletzt beim 4:2 gegen Portugal musste das DFB-Team also einem frühen Rückstand hinterherlaufen. Bundestrainer Löw hatte im Vergleich zu dieser Partie den angeschlagenen Müller (Bank) durch Sané ersetzt - doch die Chancen hatten keine Akteure aus dem Offensiv-Trio: Gosens verpasste eine Havertz-Hereingabe (17.), Hummels traf nach einer Kimmich-Ecke die Latte (21.), Ginter scheiterte kurz darauf an Gulacsi (22.).

Stand buchstäblich im Regen: Bundestrainer Joachim Löw. Getty Images
Die Ungarn, die in der Anfangsphase durchaus frech agiert hatten, zogen sich nach dem Führungstreffer wenig überraschend weit zurück und setzten auf eine ähnliche Taktik, die beim 1:1 gegen Frankreich mit der gleichen Startelf bereits zum Erfolg geführt hatte. Der Außenseiter agierte giftig in den Zweikämpfen, ließ kaum Vorstöße von Gosens und Kimmich zu - und der nach einer halben Stunde fast schon monsunartige Regenfall tat sein Übriges: Deutschland war weit entfernt vom Spielwitz gegen Portugal, verzettelte sich in langen Querpass-Phasen und hatte kaum Ideen gegen den gut stehenden Gegner.
Mehr als einen harmlosen Havertz-Schuss kurz vor der Pause (45.) bekam Löws Team im ersten Durchgang nicht mehr zustande, Sallais Distanzversuch auf der anderen Seite war da fast noch gefährlicher (39.). Löw stand buchstäblich im Regen, die Jacken-Kapuze über dem Kopf - überraschend früh drohten die letzten 45 Minuten seiner Amtszeit, in der Blitztabelle lag das deutsche Team zur Halbzeit auf dem letzten Platz der Gruppe.
Gruppe F, 3. Spieltag
Wilde Minuten: Ungarn kontert Havertz-Tor postwendend
Nach dem Seitenwechsel hörte zwar der Regen in München auf, die deutschen Offensivprobleme aber nicht. Wieder Havertz gab Gulacsi zumindest mal eine Aufgabe (52.), doch näher dran am nächsten Tor war weiterhin Ungarn: Sallai setzte einen Freistoß an den Außenpfosten (62.).
Mitte des zweiten Durchgangs überschlugen sich die Ereignisse dann plötzlich: Dank eines Torwartfehlers von Gulacsi, der an einem Kimmich-Freistoß vorbeiflog, kam Deutschland zum vermeintlich erlösenden Treffer, da Havertz die Kopfballvorlage von Hummels ins vom Keeper verwaiste Tor köpfte (66.). Doch es war eben nur der vermeintlich erlösende Treffer. Denn nur wenige Sekunden nach Anstoß legte Szalai hoch in den Lauf von Schäfer. Der ungarische Mittelfeldspieler entwischte dem mittlerweile als rechten Schienenspieler aufgebotenem Sané, kam vor dem herausgeeilten Neuer an den Ball und köpfte zur erneuten Führung für Ungarn ein (68.).
Goretzka schießt Deutschland spät ins Achtelfinale
Deutschland musste also wieder gegen das Ausscheiden anrennen - und Löw das Ende seiner Amtszeit verhindern. Und das tat er auch proaktiv, denn das entscheidende Tor zum deutschen Weiterkommen - kurz nachdem Kroos (81.) schon eine gute Möglichkeit vergeben hatte - war schließlich eine Koproduktion von drei Jokern: Der erst kurz zuvor gekommene EM-Debütant Musiala leitete ein, der Schuss des bereits davor eingewechselten Werner wurde geblockt - und am Ende stand einer, der bereits zu Beginn des zweiten Durchgangs ins Spiel gekommen war: Goretzkas entschlossener Abschluss wurde noch leicht abgefälscht und schlug zum 2:2 im Netz ein (84.).
Der Treffer rettete der lange Zeit wenig überzeugenden DFB-Elf also doch noch das Achtelfinale, das Deutschland - aufgrund des 2:2 im Parallelspiel zwischen Portugal und Frankreich - als Gruppenzweiter erreicht hat. Damit kommt es im ersten Spiel der K.-o.-Runde zu einem Klassiker der Fußballgeschichte: Am Dienstag (18 Uhr) trifft die DFB-Elf in Wembley auf England. Ungarn ist trotz einer erneut leidenschaftlichen Leistung ausgeschieden.