Nicht aufstiegsreif war auch abermals der Vortrag des großen Favoriten. Er trat zwar präsenter als bei den 1:2-Pleiten in Elversberg und Osnabrück auf, doch wieder stimmte das Verhältnis aus Ballbesitz zu klaren Torchancen nicht, klaffte erneut eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Tim Walter hatte auf der Pressekonferenz vor dem Trip nach Wiesbaden etwas überspitzt formuliert, er bereite seine Mannschaft nicht auf Gegner vor und wollte damit zum Ausdruck bringen, dass es ihm vordergründig immer darum gehe, dass die Seinen ihr Spiel durchbringen. Offenkundig aber ist: Das Erarbeiten von Lösungsansätzen gegen tiefstehende Kontrahenten mit dem Messer zwischen den Zähnen gehört dringend auf die Agenda. Weil der HSV in nunmehr fünf Zweitligajahren den Aufstieg immer wieder mit Niederlagen gegen Aufsteiger und Außenseiter regelrecht weggeworfen hat, und auch in der neuen Spielzeit nun bereits wieder drei Partien angesammelt hat, die das Potenzial haben, am Saisonende richtig weh zu tun.
Viele Fragen werden aufgeworfen
Dass die Dominanz, untermauert durch 23 Torschüsse und einen Ballbesitzanteil von 71 Prozent groß war und die Mannschaft nach dem späten Rückstand dank Miro Muheim nochmal zurückkam und durch den Elfmeter von Laszlo Benes in der Nachspielzeit sogar noch die Chance zum Sieg hatte, kann nicht kaschieren, dass sie sich im Duell "klein gegen groß" abermals nicht wie ein Aufsteiger präsentierte, dass sie zu wenige Antworten gegen kompakte Riegel findet und zu viele Fragen aufwirft.
Zum Beispiel die nach Levin Öztunali, dem nach zwei Jahren ohne Matchpraxis eine gewisse Anlaufzeit zugebilligt werden muss, der aber nicht ansatzweise andeutet, eine Verstärkung für diesen Kader zu sein; die Fragen nach Jean-Luc Dompé werden ebenfalls bohrender, weil der Franzose nicht annähernd sein Potenzial ausschöpft, auch wenn es in Wiesbaden gesundheitlich gehandicapt nur zu einem Kurzauftritt langte. Dass Gleiches aktuell zumindest im Vorwärtsgang auch für Bakery Jatta gilt, ist auffällig. Unter den stotternden Zuliefererdiensten leidet zusehends auch Robert Glatzel. Die Folge: Die Abteilung Attacke, das vermeintliche Prunkstück dieses aufgemotzten Kaders, produzierte zuletzt nur vier Treffer in vier Partien. Auch diese Bilanz ist nicht aufstiegsreich.
"Wir wissen damit umzugehen"
Jonas Boldt mag die Fragen nach Problemen mit Liganeulingen nicht hören und kontert: "Wir werden jetzt wahrscheinlich wieder ein bisschen was ertragen müssen, obwohl wir gegen einen Gegner, der den Bus geparkt hatte, ein gutes Spiel gemacht haben. Aber wir wissen damit umzugehen." Der Ansatz des Sportvorstandes, dass der jüngste Auftritt ein anderer war als die vorangegangenen Minusleistungen in Elversberg und Osnabrück, ist vertretbar - sich an einem zweimaligen Worstcase zu orientieren, ist angesichts der Ansprüche indes wenig zielführend.