Herr Wehrle, welche kicker-Note geben Sie sich für den Auftritt als Keeper beim Promi-Spaßkick des Come-Together-Cups?
Dieses Jahr habe ich es leider nicht geschafft, für letztes Jahr vielleicht eine 3,0. Da hat mir mein damaliger Aufsichtsratschef Lionel Souque aus kurzer Distanz rechts unten einen reingelegt, den ich hätte halten können (lacht).
Bei allem Spaß am Kicken - welche Bedeutung hat so ein Turnier aus Ihrer Sicht gesellschaftlich?
Gerade der Standort Köln ist prädestiniert, um dort ein solches Turnier stattfinden zu lassen. Ein Turnier, bei dem nicht nur der Sport im Mittelpunkt steht, sondern auch ein schönes Rahmenprogramm. Es geht um das verbindende Miteinander des Fußballs - die Grundlage, dass jeder spielen kann, egal wen er oder sie liebt. Akzeptanz und Toleranz stehen im Vordergrund, es ist ein Zeichen gegen Berührungsängste, es schafft Aufmerksamkeit für das Thema. Auf dem Spielfeld spielt es keine Rolle, welche sexuelle Orientierung oder Identität man hat - und außerhalb sollte es das auch nicht. Umso mehr freut mich, dass der Come-Together-Cup inzwischen expandiert und auch in anderen Städten stattfindet, zum Beispiel in Nürnberg oder im Ruhrgebiet.
Der Come-Together-Cup ist ein buntes, weltoffenes Miteinander frei von Vorurteilen und Abgrenzungen - wie weit ist denn der Profifußball davon entfernt?
Gar nicht so weit. Ich finde es extrem schade, dass es in der Struktur des Profifußballs vermeintlich immer noch Vorbehalte gibt. Wir sind aber viel weiter als viele denken. In den letzten Jahren und Jahrzehnten ist schon viel passiert, bei den Verbänden und den Vereinen.
Welche Verantwortung hat der Fußball nicht nur beim Thema Diversität?
Der Profifußball hat die Möglichkeit, auf Themen aufmerksam zu machen. Es gibt in Deutschland immer noch Übergriffe auf Homosexuelle und queere Menschen, die Selbstmordrate homosexueller Jugendlicher ist zehnmal so hoch wie die heterosexueller Jugendlicher. Das hat Gründe, insbesondere im ländlichen Bereich. Da hat der Profifußball die Verantwortung, eine Normalität vorzuleben. Dieser Mythos, dass es für offen schwule Fußballer Probleme geben wird, hat ja eine Folgewirkung für einen 12- oder 13-Jährigen auf dem Land, der gerne sein Coming-out hätte, aber denkt: 'Das kann ich nicht machen, wenn selbst ein Fußballer Angst davor hat'. Da haben wir eine Vorbildfunktion, und es wäre wünschenswert, dass man mit dem Thema entspannter umgeht.
Beim FC ist in Ihrer Amtszeit als Geschäftsführer viel passiert: Unter anderem fand 2014 einer der ersten Aktionsspieltage stand, nimmt der Verein seit 2013 mit einem eigenen Wagen am Christopher Street Day teil und seit 2019/20 zusammen mit den Kölner Haien auch am Diversity Day.
Mir ist es ein Anliegen, als Fußballverein auf gesellschaftliche Themen aufmerksam zu machen. Und eines ist der, ich nenne es mal Mythos Homophobie im Fußball. Da wollten wir in Köln zum einen nach außen ein Zeichen setzen, dass wir keine Berührungsängste haben und die Botschaft vermitteln, dass jeder Mensch sein Leben ohne Ängste und Vorurteile bestreiten sollte. Beim CSD sind wir als Verein auf unseren schwul-lesbischen Fanklub ‚Andersrum rut-wiess“ zugegangen und haben gefragt, ob wir auf einem gemeinsamen Wagen mitfahren können. All dies ist inzwischen tief in der DNA des Klubs verankert, das hat nichts mit meiner Person zu tun. Genauso wichtig ist der Auftrag nach innen, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, gerade auch die Jugendteams angeht. Wenn man bei der U14 bis hoch zur U19 oder U23 ein Bewusstsein für das Thema schafft, wenn in Workshops in Kooperation mit dem Kölner LGBTQI-Jugendzentrum "Anyway" diskutiert wird, dann sensibilisiert das und macht Hoffnung, dass ein mögliches Coming-out gar kein Thema mehr ist.
Bei allem Nährboden: Braucht ein Verein dann trotzdem jemanden, der vorangeht und das initiiert?
Es hilft immer, wenn es Akteure gibt, die das authentisch erleben, die von diesem gesellschaftlichen Auftrag überzeugt sind und das auch intern vorleben. Leider müssen wir aber auch respektieren, dass Homofeindlichkeit im Fußball mit seinen Klischees und seinem medialen Fokus immer noch präsent ist.
In Köln, auch beim FC ist Queerness im besten Sinne kein Thema. Wie ist es in Stuttgart?
Ich war ja vor meiner Zeit in Köln schon in Stuttgart. Und schon 2009 hat Erwin Staudt als damaliger VfB-Präsident die Schirmherrschaft des Stuttgarter CSD übernommen, das war überraschend und ein klares Statement des Vereins. Es gibt also eine längere Historie, beim schwul-lesbischen Fanklub "Stuttgarter Junxx“ war ich sogar eines der ersten Mitglieder. Thomas Hitzlsperger, mein Vorgänger, hat in diesem Bereich auch viel bewegt und jetzt, nach meiner Rückkehr, habe ich hier bei der Belegschaft das Gefühl, dass es überhaupt keine Frage ist, dass und wie wir uns positionieren. Wir haben einiges geplant: Wir wollen beim CSD Flagge zeigen, mithelfen, dass der Come-Together-Cup auch nach Stuttgart kommt und wir werden auch im NLZ das Thema bearbeiten.
Wie weit sind die anderen deutschen Vereine über das Thema Symbolik hinaus?
Symbolik ist erst mal besser als gar nichts zu machen und schweigend hinzunehmen, was es immer noch gibt. Die Idealvorstellung wäre, dass jegliche Aktivitäten aus der vollen Überzeugung kommen und nicht weil es einen Aktionstag für alle gibt. Die Verantwortlichen der Profiklubs sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Das gilt aber auch genauso für jeden Dorfverein. Da könnte sich doch der Vereinsvorsitzende am Anfang der Saison kurz hinstellen und sagen: 'Leute, ist mir völlig egal, ob ihr homo, hetero oder bi seid, ob ihr Freundin oder Freund habt: Wir leben hier nach Werten und dazu gehört, dass die sexuelle Orientierung überhaupt keine Rolle spielt.' Das wäre schon ein Schritt mehr in die richtige Richtung.
Sie sitzen im DFL-Präsidium und als DFL-Vertreter auch im DFB-Vorstand. Ist da Platz für diese Themen?
Definitiv. Es gab in den letzten Jahren ja immer wieder auch Aktionstage der DFL, beim DFB werden wir das im Kontext der WM in Katar weiter thematisieren. Auch die FIFA hat die gesellschaftliche Verantwortung, von der ich gesprochen habe. Wenn sie ihr größtes Turnier dort austrägt, muss sie auch dafür sorgen, dass jeder Fan und Spieler unabhängig von seiner Sexualität akzeptiert wird und sich nicht verstecken muss. Da werden wir ganz genau hinsehen. Es gibt aktuell die hervorragende Petition "Liebe kennt keine Pause" dazu, die unterstütze ich gerne. Und bei Bernd Neuendorf weiß ich, dass er ein Werte- und Normensystem hat, das die Thematik vollumfänglich berücksichtigt. Ich habe keine Zweifel, dass wir in Katar Flagge zeigen.

Wehrle ist sich sicher, dass der DFB um den neuen Präsidenten Bernd Neuendorf bei der WM in Katar Flagge zeigen wird. IMAGO/Martin Hoffmann
Selbst die FIFA feiert inzwischen den Juni als Pride Month und flaggt Regenbogen. Wie ist das mit der offenbar geduldeten Situation in Katar vereinbar?
Der Auftrag eines solchen Turniers muss es sein, darauf hinzuwirken, dass jeder unabhängig von seiner sexuellen Orientierung gleichbehandelt wird.
Drängt denn der DFB als einer der wichtigsten Mitgliedsverbände aktiv, dass mehr umgesetzt wird?
Das was ich vom Präsidenten gehört und gelesen habe, ist eindeutig. Es sollen Zeichen gesetzt werden, um darauf aufmerksam zu machen, dass jeder willkommen sein muss. Damit eben auch gleichgeschlechtliche Paare zusammen ein Hotelzimmer buchen können.
Hat dem Verband die EM im vergangenen Jahr mit Manuel Neuers Regenbogen-Binde und der Diskussion um die Beleuchtung der Münchner Arena einen Schub gegeben?
Das war sogar eine länderübergreifende Solidarität bei diesem Thema, wie es in der europäischen Idee vorgesehen ist. Solche Zusammenschlüsse können im Kleinen auch einem 14-Jährigen auf dem Land helfen, sein Coming-out zu haben. Wenn die große Fußballwelt sagt, dass es okay ist, dann hat er vielleicht mehr Mut, damit zu seinen Eltern und Freunden zu gehen.
In der Öffentlichkeit wird das Thema Queerness im Profifußball oft auf ein Männer-Coming-out reduziert. Zuletzt wurde das von Jake Daniels in England sehr positiv aufgenommen. Hätten Sie in Deutschland dabei Bedenken?
Nein, überhaupt nicht. Durch die Basisarbeit beim DFB und bei den DFL-Klubs ist der deutsche Fußball für ein Coming-out eines aktiven Profis bereit, davon bin ich fest überzeugt. Auch davon, dass ein schwuler Fußballer deutlich mehr Unterstützung als Anfeindung bekommen würde. Bei den Fans ist aus meiner Sicht ohnehin nicht mit Gegenwind zu rechnen. Und trotzdem ist es immer eine individuelle und persönliche Entscheidung. Deswegen finde ich es falsch, homosexuelle Profifußballer zum Coming-out aufzufordern. Wenn aber der Erste bereit ist und diese persönliche Entscheidung trifft, sollten die Fans, wir Funktionäre, alle Gruppen im Fußball unterstützend da sein. Ab dem Zweiten oder Dritten ist es dann hoffentlich kein Thema mehr. Es ist ja eigentlich auch überhaupt keine Sensation, es wird nur über die Medien so verkauft. Vielleicht machen es ja mal fünf oder sechs zusammen, auch wenn ich da niemanden auffordern möchte.
Bei den Vorreitern wird es trotzdem ein öffentliches Thema sein.
Natürlich, obwohl es im Jahre 2022 gar keine besondere Aktion mehr sein sollte. Aber das eine Mal müssen wir das doch wohl noch überstehen. Beim Coming-out von Thomas Hitzlsperger als Ex-Profi war die Resonanz wahnsinnig groß, es hat nur der ARD-Brennpunkt gefehlt… Dabei sollte es doch völlig egal sein, welche sexuelle Orientierung ein Profisportler hat.
Wie würde das in der Kabine aufgenommen werden?
Wir reden heute von einer anderen Generation von Spielern als noch vor 10 oder 20 Jahren. Die sind anders sozialisiert und besser aufgeklärt, jeder hat in seinem Freundeskreis eine homosexuelle oder bisexuelle Person und kommt früher damit in Kontakt. In dieser Generation ist das viel normaler.
Interview: Patrick Kleinmann

Der Come-Together-Cup gilt als ein Fußballfest der Vielfalt. Im Mai fand die 28. Auflage in Köln statt. Timo Voss
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