Ohne ihn hätte dem ersten Finale des Hochglanz-Wettbewerbs Champions League etwas gefehlt: Bernard Tapie, dessen Foto man im Lexikon ohne Probleme neben "schillernde Persönlichkeit" drucken konnte.
Ob Sänger, Moderator, Multi-Unternehmer und am liebsten noch Staatspräsident - Tapie probierte alles mal. Und hatte jede Menge Erfolg. Das hatte sich auch Gaston Defferre gedacht, 1986 Bürgermeister der Stadt Marseille, als er den Tausendsassa darum bat, Olympique als Vereinspräsident zu übernehmen. Anderthalb Jahrzehnte waren die letzten Meisterschaften da her.
Unter Tapie blühte "OM" wieder auf, aber eben auf seine Weise. Pompös wäre noch eine Untertreibung gewesen. Als Macher mit unbändigem Charme gewann er Michel Hidalgo, Trainer der großen französischen Nationalmannschaft der 1980er Jahre, als Manager für seinen Verein. Als Trainer kam nach der WM 1990 kurzzeitig Deutschlands Weltmeister-Teamchef Franz Beckenbauer.
Das erste Champions-League-Finale
Tapie, ein moderner Sonnenkönig, bekam sie alle. Vor allem die Spieler. Jean-Pierre Papin, Chris Waddle, Enzo Francescoli, Dragan Stojkovic, Abedi Pelé, Eric Cantona, Didier Deschamps. Fast sogar Diego Maradona, doch den Größten ließ Napoli nicht ziehen. Er hätte zu Tapies Starensemble gepasst wie die Faust aufs Auge.
Nur Völler soll sich dem Doping verweigert haben
Mit der Faust voran war Tapies mitunter gefürchtete Gangart. Seine Regeln schrieb er selbst. Normalerweise wurde ihnen Folge geleistet, auch in der Kabine, wenn er seinen Spielern vorsorglich Aufputschmittel verabreichte. Nur Rudi Völler, der deutsche Weltmeister, soll vor dem Champions-League-Finale 1993 getobt und sich geweigert haben, ließ Teamkollege Jean-Jacques Eydelie Jahre später durchblicken.
Die erste Ausgabe der Königsklasse - zwei Jahre zuvor hatte OM bereits das Landesmeister-Finale verloren - war schon Marseilles letzte Chance, weil Tapies Gebilde allmählich in sich zusammenbrach. Die Bestechung gegnerischer Spieler in den Wochen vor dem Finale war aufgeflogen, seine unlauteren Machenschaften wurden dem Sonnenkönig schließlich zum Verhängnis.
Doch vor dem Ausschluss aus der Champions League, vor dem Zwangsabstieg und dem Konkurs, reckte Tapie, ein wahnsinniges Genie, den Henkelpott am 26. Mai 1993 in den Münchner Nachthimmel. Sein Plan war aufgegangen, der Coup geglückt. 1:0 im Finale gegen die AC Mailand, ein Erfolg, verankert in der Geschichte des europäischen Klubfußballs. Seinen schillernden Schöpfer überdauernd, der 2021 dem Krebsleiden erlag.