Es könne nicht aufgrund von "gutem Willen und schönen Erinnerungen" an Solskjaer festgehalten werden, hatte der Guardian schon Mitte Oktober nach dem 2:4 in Leicester geschrieben, das irgendwie sinnbildlich für den Zustand stand, in dem sich Manchester United im Herbst 2021 befand. In der Offensive verließen sich die Red Devils unter Solskjaer in erster Linie auf individuelle Glanzstücke (Klasse bietet der Kader ja zweifellos zuhauf) statt auf einen kollektiven taktischen Plan oder eine Spielidee. Diese vermisste man allzu häufig.
Einen Monat, eine Demütigung durch den Erzrivalen, eine Vorführung durch den Stadtrivalen (jeweils im eigenen Stadion) und eine Blamage bei einem Abstiegskandidaten später ist das Kapitel Solskjaer beim englischen Rekordmeister beendet - viel zu spät entschieden sich die Glazers zu diesem Schritt, der eigentlich spätestens nach dem 0:5 gegen Liverpool im Old Trafford (einmal mehr) unausweichlich war. Zu spät auch, weil mit Antonio Conte (jetzt Tottenham) einer von nicht vielen möglichen Nachfolgern zu diesem Zeitpunkt noch zu haben gewesen wäre.
Als Solskjaer im Dezember 2018 die Nachfolge von José Mourinho antrat, ging es vor allem darum, die Stimmung zu heben, die in den letzten Tagen unter dem Portugiesen in ungeahnte Tiefen gestürzt war. Und das gelang dem einstigen "Super Sub", der den Faktor Nostalgie bis zuletzt auf seiner Seite wusste. Ole’s at the wheel, tell me how good does it feel, sangen die United-Fans. Und es fühlte sich wirklich gut an.
Denn es war ja auch nicht so, dass es keine Erfolge gegeben hätte in dieser Zeit. Die beeindruckende Auswärtsserie von 29 Spielen ohne Niederlage zeugt davon. Doch in jede aufkommende Euphorie mischten sich immer Zweifel.
Als Solskjaer im Sommer verlängerte, freuten sich eher die Fans anderer Vereine
Den letzten großen Schritt zurück zu altem Glanz machen, United taktisch auf ein neues Level heben, in der Premier League ernsthaft um den Titel mitspielen? Dass das dem Rekordmeister unter einem Trainer Solskjaer gelingen konnte, glaubte eigentlich niemand so recht. Die immer wiederkehrenden Probleme konnte er ganz offensichtlich nicht lösen. Als United seinen Vertrag diesen Sommer bis 2024 verlängerte, jubelten in den sozialen Netzwerken vor allem die Fans anderer Vereine.
Gefangen in der Dauerschleife
So schien das große Manchester United in einer düsteren Dauerschleife gefangen zu sein. Im Wissen, dass es für ganz oben trotz massiver Investitionen in den Kader, der längst einer der besten der Premier League ist, irgendwie nicht reicht, lief es oft passabel bis gut. Ehe in schöner Regelmäßigkeit wieder eine Krise heraufzog, die #OleOut in die Twitter-Trends spülte. Und immer dann, wenn der Abgesang auf Solskjaer schon im fortgeschrittenen Stadium war, lieferte United doch plötzlich wieder ab. Und von vorn.
Nachdem er sich irgendwie in die Länderspielpause gerettet hatte, waren nach der Vorstellung von Watford jedoch selbst Solskjaers Leben aufgebraucht. Nach vier Niederlagen aus den letzten fünf Premier-League-Pflichtspielen, muss der 48-Jährige gehen. Ole's at the wheel tönte am Samstagabend noch einmal durch ein Stadion. An der Anfield Road sangen es die Fans von Liverpool und Arsenal gemeinsam.
Nach Watford-Debakel: Manchester United entlässt Solskjaer