Colchester United war irgendwie schon immer für eine Überraschung gut. So waren die "U's" 1947/48 der erste Amateur-Klub, der einen Verein aus der höchsten englischen Spielklasse aus dem FA-Cup (1:0 gegen Huddersfield Town) warf. Viele Jahre später gab es den nächsten Pokal-Coup: 1970/71 wurde mit einem 3:2-Sieg über Leeds United erstmals das Viertelfinale des FA-Cups erreicht - und das als Viertligist!
Erstligafußball kennt man in Colchester primär aus dem Fernsehen - oder eben aus den Pokalwettbewerben. Diesmal wehte sogar ein Hauch von Champions League im Stadion des Klubs, der über die Jahre hinweg meist viertklassig war. Das Starensemble der Tottenham Hotspur gab sich die Ehre - und traf auf einen Gegner, der sich etwas vorgenommen hatte.
Defensivstrategie geht auf
Colchester spielte natürlich defensiv, tat dies aber gut. Dennoch kamen die mit einer B-Elf angetretenen Spurs zur Geltung und hatten ein klares Chancenplus. Nach 90 Minuten standen 19:4 Schüsse (4:0 aufs Tor) für Tottenham zu Buche - Treffer gab es aber keine. Da halfen auch die Wechsel von Trainer Mauricio Pochettino, der im Laufe der Zeit Heung-Min Son, Christian Eriksen und Erik Lamela gebracht hatte, nichts.
"Es war klar, dass wir wenig Ballbesitz haben werden", fasste Heimtrainer John McGreal nach Abpfiff zusammen und sagte, dass er wusste, dass "wir im Elfmeterschießen eine Chance haben" würden.
Viertligist packt die Chance beim Schopf
Chance vertan: Tottenham schied überraschend im Elfmeterschießen aus. Getty Images
Und die ergriff der Außenseiter auch: Eriksens verschossenen Elfmeter machte Spurs-Schlussmann Paulo Gazzaniga zwar noch wett, indem er einen von Jevani Brown gefühlt in Zeitlupe getretenen Elfmeter noch abwehrte - bemerkenswert bei dieser Parade war, dass der Torhüter schon im falschen Eck quasi am Boden lag und trotzdem noch Zeit hatte, um aufzustehen und den Schuss mit der Faust abzuwehren.
McGreal: "Eine brillante Nacht"
Brown lief Gefahr, die Lachnummer des Abends zu werden, doch dazu kam es nicht, weil Lucas Moura die Latte traf und alle Dämme brachen, als Tom Lapslie den entscheidenden Schuss verwandelte. Die Fans hielt es nicht mehr auf den Rängen, es kam zu einem Platzsturm und vielen beachtlichen Szenen.
Lapslie selbst gab später zu, dass er beim Elfmeter "bloß nicht lange nachdenken wollte" und dies dann auch nicht getan habe: "Ich habe mir das Eck ausgesucht und den Ball getreten. Das war alles". Ohnehin sei sein Schuss nicht ausschlaggebend gewesen, vielmehr sei der Erfolg das "Verdienst der gesamten Mannschaft". Für Coach McGreal war es schlicht "eine brillante Nacht für Team und Klub".