Die Bankettrede: Am 6. März 2001 ging der FC Bayern in der Champions-League-Zwischenrunde, der "zweiten" Gruppenphase, die es damals noch gab, mit 0:3 bei Olympique Lyon unter. Kurz nach Mitternacht hielt Franz Beckenbauer beim Bankett eine 240-sekündige Rede (hier im Wortlaut), die bis heute unvergessen ist. Der Präsident kanzelte die Bayern-Elf als "Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft" ab, legte Stefan Effenberg & Co. einen anderen Beruf nahe und empfahl ihnen mitten in der Saison, ihr "Spiel komplett umzustellen".
Der Vergleich mit der Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft? Spontan, sagte Beckenbauer später
Die Hintergründe: In der Bundesliga waren die Bayern nach drei teils peinlichen Auftritten in Unterhaching (0:1), gegen Köln (1:1) und Rostock (2:3) gerade auf den zweiten Platz abgerutscht, und in der Champions League drohte nach dem Lyon-Debakel plötzlich das Aus - gegen Arsenal musste zum Abschluss ein Sieg fürs Viertelfinale her. Er habe die Mannschaft mit seiner "Spontan-Aktion" "wachrütteln" wollen, erklärte Beckenbauer später, den Vergleich mit der Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft habe er während des Redens entwickelt. Übrigens: "Ottmar Hitzfeld wollte ich überhaupt nicht angreifen."
Die Reaktionen: Kapitän Stefan Effenberg, der sich kurz vor Schluss auch noch eine völlig unnötige Gelbsperre abgeholt hatte ("Ich habe nicht gewusst, wie es in London steht, sonst hätte ich mich zurückgehalten"), und Oliver Kahn gefiel Beckenbauers Vortrag nicht besonders - so viel stand schnell fest. Effenberg drohte dem Präsidenten öffentlich ("Wenn man so in eine Ecke reingetrieben wird, werde ich persönlich unangenehm"), Kahn ("Hinten bist du der Depp") tat etwas Neumodisches: Er veröffentlichte ein Statement auf seiner eigenen Internetseite. "Warum diese Dinge nicht intern angesprochen wurden, wird mir ein Rätsel bleiben", schrieb er dort. "In einer Situation, in der man eigentlich eine gewisse Rückendeckung erwartet hätte, wird man als Versager abgestempelt."
Effenberg und Kahn reagieren gereizt, Beckenbauer ist es "wurscht"
Beckenbauer fand seine Kritik weiterhin "berechtigt", nur "die Wortwahl würde ich mir heute noch mal überlegen". Aber dass Effenberg und Kahn so gereizt reagierten, sei ihm "eigentlich wurscht". Er diagnostizierte, dass "bei uns zu viel geredet und zu viel lamentiert wird", und legte nach: "Früher dachten die Gegner, oh Gott, wir müssen zu den Bayern; heute sagen sie: Gott sei Dank, es geht gegen die Bayern!" Trotzdem sprach er sich schon bald mit Kahn und Effenberg aus.
Die Folgen: Bayern schlug Arsenal auch ohne Effenberg mit 1:0, wurde Meister und Champions-League-Sieger. Gar nicht übel für eine "Altherrenmannschaft", die im März noch "eine andere Sportart" betrieben hatte.
Als nur einer klatschte: Franz Beckenbauers Bankettrede im Wortlaut