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Aerosol-Forscher Scheuch: Tonnenweise Wasser auf die Mühlen des DFB

"Fußball ist völlig unbedenklich"

Aerosol-Forscher Gerhard Scheuch: Tonnenweise Wasser auf die Mühlen des DFB

So viel Abstand muss gar nicht sein: Nach Meinung des Aerosolforschers Gerhard Scheuch kann Fußball bedenkenlos auch mit normalen Zweikämpfen geführt werden.

So viel Abstand muss gar nicht sein: Nach Meinung des Aerosolforschers Gerhard Scheuch kann Fußball bedenkenlos auch mit normalen Zweikämpfen geführt werden. IMAGO / Roland Mühlanger

Erst am Mittwoch machte Gerhard Scheuch, einer der führenden Aerosol-Forscher Deutschlands, in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" deutlich, dass Ansteckungen mit dem Coronavirus zu 99,9 Prozent in Innenräumen stattfänden. Am Tag danach bekräftigte Scheuch in einem Interview auf der DFB-Homepage diese Erkenntnis, die sich insbesondere auf eine Studie aus Irland stützt, nach der von 232.000 untersuchten Infektionsfällen nur 260 ihren Ursprung unter freiem Himmel gehabt hätten.

"Fußball ist völlig unbedenklich", so lautet der Kernsatz, den Scheuch gegenüber dem DFB äußerte. Einschränkungen bei Spiel- und Trainingsformen brauche es nicht: "Spielformen, Zweikämpfe, also ein ganz normales Mannschaftstraining sind problemlos möglich. Kleingruppen und Training streng auf Abstand ergeben keinen Sinn." Bälle und Trainingsmaterialen desinfizieren erst recht nicht: "Gut gemeint, aber letztlich Unsinn. Da hätte man genauso gut einen Zauberspruch aufsagen können, das hätte die gleiche Wirkung", so Scheuch.

Für alle diejenigen, die sich in ihrer Freizeit eher weniger mit dem Wesen von Aerosolen - das sind mikroskopisch kleine Schwebeteilchen, die durch die Atemluft verbreitet werden - beschäftigen, erklärt Scheuch: "Ansteckungen entstehen durch Aerosole, nicht durch Kontakte. An der frischen Luft verflüchtigen sich Aerosole sehr schnell, die nötige Konzentration für eine Ansteckung wird dadurch nicht erreicht." Beim Fußball käme hinzu, dass die Kontaktzeiten sehr kurz seien. Die Nachteile, die das derzeitige Verbot von Amateurfußball mit sich brächten, überwiegen für Scheuch, der unmissverständlich fordert: "Lasst die Leute, speziell die Kids, wieder kicken. Es ist ja Wahnsinn, was wir aktuell machen."

Doch ist alles so unkompliziert, wie es sich anhört? Nein, auch Scheuch sagt, dass gewisse Dingen beachtet werden müssen: "Die Anreise im Auto sollte nicht in Gruppen erfolgen. Zudem sollten möglichst die Fenster offen sein und es ist eine Maske zu tragen. Genau im Blick muss man auch die Toilettenanlagen haben. Dort ist eine ausreichende Lüftungsmöglichkeit zwingend."

Scheuchs Aussagen und das in die gleiche Richtung gehende öffentliche Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF), bei der Scheuch Mitglied ist, vom 11. April bestärken den DFB in seiner Haltung, wiederholt und intensiv für eine baldige Freigabe für den Amateurfußball zu werben. So sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch am Montag: "Die Angst vor dem Amateurfußball als Corona-Treiber ist unbegründet. Das Infektionsrisiko auf dem Spielfeld unter freiem Himmel ist nach allen bisherigen Erkenntnissen und Untersuchungen minimal. Der Amateurfußball ist kein pandemisches Problem, sondern fester Teil der Lösung. Er ist wichtig für unsere Gesellschaft, er ist wichtig für die Gesundheit. Der Sport gibt Menschen Bewegung und Lebensfreude zurück, ganz besonders Kindern und Jugendlichen."

Widerspruch kommt hingegen vom ebenfalls omnipräsenten Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. Dieser twitterte am Montag als Reaktion auf das GAeF-Positionspapier: "Risiko besteht in Innenräumen: stimmt. Risiko besteht NUR in Innenräumen: falsch. Dropletinfektion (Tröpfcheninfektion, d. Red.) draußen ergänzt Aerosolübertragung. Dazu: Treffen am Abend beginnen oft draußen und enden drinnen." Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller wies am Mittwoch bei "Markus Lanz" darauf hin, dass bei Treffen größerer Gruppen im Freien die Menschen oftmals weniger vorsichtig seien und sich schnell dazu verleiten ließen, solche Treffen das eine oder andere Mal auch in Innenräumen fortzusetzen.

Stefan Wölfel

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