Bundesliga

Schiedsrichter Manuel Gräfe: "Sportpolitische Retourkutsche"

Scheidender Bundesliga-Schiedsrichter übt abermals Kritik an der Altersgrenze

Gräfe: "Eine sportpolitische oder persönliche Retourkutsche"

Wäre gerne noch länger Bundesliga-Schiedsrichter: Manuel Gräfe.

Wäre gerne noch länger Bundesliga-Schiedsrichter: Manuel Gräfe. imago images

"Es war mir eine Ehre." Mit diesen Grußworten verabschiedete Bayern-Profi Thomas Müller am Samstagabend den scheidenden Gräfe im "Sportstudio". Der Berliner hat die Altersgrenze von 47 Jahren bei den DFB-Schiedsrichtern im vergangenen Sommer erreicht und muss daher im Sommer aufhören.

Gräfe, der nach 17 Jahren im Bundesliga-Geschäft aktuell auf 288 Erstliga-Einsätze zurückblicken kann, nimmt sein Ausscheiden durchaus zähneknirschend hin. Er sieht sich selbst absolut noch auf dem nötigen Niveau für die Spielleitung in der 1. und 2. Liga - und zahlreiche Protagonisten aus dem Oberhaus, Spieler wie Trainer und Funktionäre, machten sich zuletzt für ihn stark.

Schiedsrichtersteckbrief
Gräfe

Gräfe Manuel

Schiedsrichtersteckbrief
Winkmann

Winkmann Guido

Auch Winkmann betroffen

Der DFB will dem Nachwuchs keine Chance verbauen und sortiert rein nach dem Alter aus. "Die Entscheidung war für uns sehr schwierig, aber letztlich gaben für uns die Aspekte Weiterentwicklung und Strategie in der Kaderplanung den Ausschlag. Wir setzen daher auf eine Fluktuation im Bereich der Unparteiischen", sagt Lutz-Michael Fröhlich, Schiedsrichter-Chef im DFB, zum bevorstehenden Karriereende Gräfes. Der Berliner Referee indes wollte noch eine Saison dranhängen, sein Kollege Guido Winkmann eine halbe.

"Die Sportliche Leitung hat uns mitgeteilt, dass sie sich gut aufgestellt sehen", sagte Gräfe im Hinblick auf den Schiedsrichter-Nachwuchs und die Fluktuation. Doch wenn man gut aufgestellt sei, könne man "erst recht über die Altersgrenze nachdenken", findet der Referee: "Ich bin grundsätzlich ein Freund davon, dass es nach Leistung gehen sollte." Damit schlägt er in die selbe Kerbe wie die im Sportstudio zu Wort kommenden Bundesliga-Trainer Markus Weinzierl (Augsburg) und Marco Rose (Mönchengladbach) sowie Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc.

"Die Fluktuation ist ja gegeben gewesen, in diesem Fall ging es nur noch um Guido Winkmann und mich. Guido wollte ein halbes Jahr, so sechs, sieben Spiele, ich wollte ein Jahr, also 18 Spiele leiten", rechnete Gräfe vor. Etwa 25 Spiele würden den anderen Schiedsrichtern je ein Spiel "wegnehmen". "Wegen einem Spiel weniger behindern wir keine Fluktuation oder Weiterentwicklung im Schiedsrichterwesen."

120 Minuten in Bremen: "Hatte nicht den Eindruck, nicht hinterherzukommen"

Entscheidend seien in seinen Augen "Fußballkompetenz, das Spiel-Management, die Kommunikation und wie wenig Fehler man macht", so Gräfe, der zudem die Leitung des Pokal-Halbfinals zwischen Bremen und Leipzig als Beispiel für seine gute Fitness ins Feld führte. "Da hatte ich nicht den Eindruck, dass ich nicht mehr hinterherkomme", blickte er auf die 120 Minuten an der Weser zurück.

Von Jahr zu Jahr nach Leistung gehen, individuell - so Gräfes Wunsch nach Flexibilität. Und die 47-Jahre-Grenze sollte eher als Richtlinie zu verstehen sein. "Das ist auch keine Einbahnstraße." In besonderen Fällen könne auch nach dem Leistungsprinzip schon früher Schluss sein für einen Unparteiischen - wenn "die Leistung nicht mehr stimmt oder der Körper nicht mehr mitmacht".

Trainer kommunizieren "mit ihren Führungsspielern offen"

"Ich hätte noch weitergemacht. Wir wären dem DFB sogar entgegengekommen und haben gesagt, von mir aus können wir uns auch verständigen auf ein Jahr, das hätte man miteinander besprechen können", so Gräfe auf die Frage, ob er sich unfair behandelt fühle. "Ich finde es schade", hätte sich Gräfe einen offenen Diskurs mit der Schiedsrichterleitung gewünscht. Ähnlich wie Trainer, die eine offene Kommunikation "mit ihren Führungsspielern" pflegen.

Im April hatte sich Gräfe dem Wunsch Winkmanns nach einer Fortsetzung der Karriere angeschlossen - mit dem Ziel, für alle Seiten eine "Win-Win-Situation" zu erreichen, "die, wie ich glaube, in diesem Fall möglich gewesen wäre". Gräfe hatte gehofft, dass kritische Äußerungen wie schon in den Jahren zuvor nicht persönlich genommen werden, denn: "Es geht um die Sache, um ein besseres Schiedsrichterwesen und um eine bessere 'Marke Bundesliga' - das nutzt dem Fußball und so habe ich mich auch immer verstanden." Als Dienstleister des Fußballs. Doch damit habe er sich "nicht immer nur Freunde gemacht in diesem Verband".

Klage? "Das könnte eine Option sein"

Er verstehe nicht, warum man als "unbequem" gelte, "wenn man versucht, etwas mit zu entwickeln". Es sei vielleicht ein generelles Problem im DFB, der "gerade so ein paar Probleme" habe. Das Beharren auf seinem Ausscheiden stuft er als "sportpolitische oder persönliche Retourkutsche" ein. Zumal alle Versuche, mit dem Verband zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, scheiterten.

Ursprünglich sei Gräfe von seinem Ausscheiden in diesem Sommer ausgegangen. Doch die vielen Anfragen aus der Liga, die besondere Corona-Situation und die eigene Fitness hätten ihn bestärkt, das Gespräch mit der Leitung zu suchen. Ganz ausschließen wollte er eine Klage auf Nachfrage indes nicht. "Das könnte sicherlich auch eine Option sein, aber das war nie mein Ziel. Ich wollte das im Miteinander regeln."

Vor allem wolle er "gerne wissen, welches sein letztes Spiel ist." Eines darf er in dieser Saison noch leiten, im Anschluss steht Urlaub mit der Familie an. "Danach überlege ich mir in Ruhe, wie es für mich weitergeht."

aho