Bundesliga

Bosz bestätigt Abschied vom Spektakel-Fußball: "Man muss realistisch sein"

Leverkusens Trainer vermisst Havertzs Kreativität und hat den Spielstil umgestellt

Bosz bestätigt Abschied vom Spektakel-Fußball: "Man muss realistisch sein"

Muss aufgrund des Personals Abstriche hinsichtlich seiner Philosophie machen: Peter Bosz.

Muss aufgrund des Personals Abstriche hinsichtlich seiner Philosophie machen: Peter Bosz. imago images

Die Nacht nach einem Spiel ist für Spieler wie Trainer meist eine unruhige. Erst recht, wenn man wie Peter Bosz erst um 3.30 Uhr am Freitagmorgen zuhause in Düsseldorf angekommen war. Und glücklich konnte der Niederländer mit den Erkenntnissen des Vorabends nicht sein. Nicht nur, weil ein unnötiger Platzverweis von Karim Bellarabi in der Europa League bei Slavia Bayers erste Saisonniederlage einleitete. So erlebte Bosz beim 0:1 in Prag mal wieder im Spiel nach vorne eine sehr überschaubare Leistung seiner Mannschaft.

Im siebten Pflichtspiel gegen eine Profi-Mannschaft in dieser Saison erzielte seine Elf zum fünften Mal höchstens einen Treffer. Einzig das Schützenfest gegen Nizza (6:2) poliert die matte Offensivbilanz von zwölf Treffern in sieben Partien auf. Und auch wenn in Prag die über einstündige Unterzahl als ein Argument für den matten Auftritt herangezogen werden kann, zeigt sich unabhängig davon bislang in dieser Saison: Gegen kompakt verteidigende Gegner offenbart Bayer deutliche Schwierigkeiten, Torgefahr zu entwickeln.

"Alles in der Balance"

Stellen defensiv eingestellte Mannschaften die Bosz-Elf also vor zu große Rätsel? "Ein Problem ist es nicht", widerspricht der Trainer, "es geht am Ende darum, dass man ein Tor mehr macht als der Gegner. Das kann 4:3 sein, aber auch 1:0. Für mich ist das alles logisch. Wenn wir sehr offen spielen, bekommen wir mehr Torchancen, kassieren aber auch mehr Tore - das haben wir letztes Jahr gesehen. Dieses Jahr, wenn die Mannschaften so tief hinten drinstehen und wir weniger nach vorne machen, kassieren wir auch weniger Tore. Das ist alles in der Balance."

Die Ursache dafür, dass Bosz den Spielstil seiner Mannschaft geändert hat, liegt im Verlust des zum FC Chelsea gewechselten Kai Havertz. "Es ist klar: Wenn man ohne Kai Havertz spielt, dass dann das Spiel anders ist. Das bedeutet, dass wir nach vorne weniger Kreativität haben, aber in der Defensive stärker sind. Weil in der Defensive hat Kai weniger gearbeitet. Das hat alles mit den Spielern zu tun, die man zur Verfügung hat. Und aus diesen Spielern muss man das Maximale herausholen", argumentiert Bosz, der bislang mit der Umsetzung nicht unzufrieden ist. "Ich glaube, dass wir das bis jetzt ordentlich gemacht haben", sagt er. Platz 4 in der Liga, in der man noch ungeschlagen ist, sprechen für den Blickwinkel des Niederländers.

Allerdings muss Bosz, dessen oberste Prämisse es eigentlich ist, mit seinem Fußball die Zuschauer unterhalten zu wollen, aufgrund des Personals Abstriche hinsichtlich seiner Philosophie machen. "Ich würde nicht sagen, dass wir in der Offensive zurückschrauben, sondern dass wir es offensiv anders angehen", erklärt er zwar, gibt jedoch zu: "Aber als Fußball-Liebhaber hat man natürlich am liebsten 50 Torchancen pro Spiel, und dass es ein Spektakel ist. Aber auf der anderen Seite muss man auch realistisch sein. Und das sind wir momentan - und wir machen es ganz gut."

In Prag nur eine wirklich herausgespielte Tormöglichkeit

Am Donnerstag in Prag war dies allerdings mal wieder nicht der Fall. So hatte Leverkusen gegen Slavia insgesamt nur drei Chancen, davon eine nach einem kapitalen Fehlpass von Slavia-Keeper Ondrej Kolar in der 3. Minute und eine nach einem Freistoß von Kerem Demiraby, der lange blass blieb, aber nach dem Rückstand die Triebfeder des Leverkusener Spiels war. Wirklich herausgespielt hatte sich die Werkself in Prag aber nur eine Tormöglichkeit, als Nadiem Amiri kurz vor Schluss nach Demirbays feinem Chip-Pass den Ausgleich vergab.

Auch in Unterzahl eine magere Statistik. Als sich Prag nach dem Führungstreffer in der 80. Minute zurückzog, fiel der Werkself wenig ein. Wie schon einige Mal zuvor in der Liga gegen defensiv eingestellte Kontrahenten. Doch Bosz sagt überzeugt: "Wir haben die Qualität, Tore zu schießen - auch gegen tief stehende Mannschaften." Was zu beweisen wäre. Schon am Sonntag. Da wartet mit dem SC Freiburg eine Mannschaft, die als Musterbeispiel für defensive Geschlossenheit gilt.

Stephan von Nocks

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