Motorsport

Gerhard Berger fordert: "Lasst uns kämpfen!"

Der DTM-Chef über die unsichere Zukunft der Serie

Gerhard Berger fordert: "Lasst uns kämpfen!"

DTM-Boss Gerhard Berger hat derzeit enorm viele Baustellen.

DTM-Boss Gerhard Berger hat derzeit enorm viele Baustellen. imago images

Die harten letzten Monate sind ihm anzusehen, sie haben Spuren im Gesicht des 60-jährigen Österreichers hinterlassen. Doch aufgeben will er keinesfalls. Gleich mehrmals sagt er am Rande der seit Montag laufenden offiziellen Testfahrten auf dem Nürburgring stattdessen: "Let's fight for it!"

So wie die Fußballfans wieder Spiele sehen wollen, hoffen die Motorsportfans wieder auf Rennen.

Gerhard Berger

Kämpfen wofür? "Wir alle erleben schwierige Zeiten und wünschen uns, zu einem in jeder Hinsicht normalen Leben zurückzukehren", wiederholt Berger einen Satz, den wohl tatsächlich so oder wenigstens so ähnlich jeder von uns in den letzten Monaten schon mal gesagt hat. "Wir wollen aber nicht nur zurück ins Büro zum Arbeiten. So wie die Fußballfans wieder Spiele sehen wollen, hoffen die Motorsportfans wieder auf Rennen."

Berger: "Wir kommen stark zurück"

Über Wochen und Monate hat der Tiroler gekämpft, nicht nur für eine Anfang August verspätet beginnende Saison. Jetzt, so der einstige Formel-1-Fahrer, "bin ich zuversichtlich, dass wir 16 Autos am Start haben werden mit sehr starken Fahrern. Zudem haben wir einige Regelmodifikationen vorgenommen, die das Feld hoffentlich noch enger zusammenbringen werden. Lasst uns nach vorne blicken auf den Start in Spa, wir kommen stark zurück". Eine Portion Optimismus drückt sich da aus, wobei die Einschränkung nicht lange auf sich warten lässt: "Ohne Zuschauer, das tut schon weh, denn Emotionen sind in unserem Sport ein wichtiger Faktor. Dieser Faktor wird uns fehlen. Aber wenigstens können wir vor dem Fernsehgerät sitzen und hoffentlich gutes Racing mitverfolgen."

Mit Ausnahme des von den örtlichen Behörden untersagten Auftaktrennens am Nürnberger Norisring gelang es, einen kompakten Kalender mit neun Rennwochenenden in nur dreieinhalb Monaten zu erstellen. "Die wichtigsten Prinzipien werden uns vom Gesetz vorgegeben", berichtet Berger, "aber es war insofern nicht leicht, als selbst innerhalb Deutschlands unterschiedliche Regelungen gelten und Probleme zu beachten sind. Wenn man dann die Grenze überschreitet nach Belgien oder in die Niederlande, dann ändern sie sich erneut."

Geholfen hat den DTM-Verantwortlichen eine enge Kooperation mit anderen Rennserien, insbesondere mit der Formel 1, die im steirischen Spielberg am 5. Juli erstmals in diesem Jahr am Start steht. Berger schildert: "Wir haben ein sehr strenges Konzept erstellt und uns dem vorliegenden für Österreich mit dem ersten Formel-1-Rennen am Red-Bull-Ring angepasst. Jede Form von Erfahrung ist in dieses Konzept eingeflossen."

Berger: "Eine neue Transparenz"

Gerade der letzte Punkt ist ihm wichtig, denn Corona hat in der DTM offenbar dazu geführt, nicht mehr so stark mit verdeckten Karten zu spielen wie bisher gewohnt. Berger nennt dies "eine neue Transparenz. Jeder legte seine Probleme offen auf den Tisch, womit klar war, wer welche Schwierigkeiten hatte. Corona hin oder her - es ist ein fantastischer Kalender dabei herausgekommen. Ich spüre, dass die Fahrer extrem happy damit sind, dass es vom sportlichen Gesichtspunkt her sehr attraktiv sein wird, und wir die Ersten überhaupt sind, die einen kompletten Kalender präsentieren konnten".

Corona hat uns auch beigebracht, neue Sichtweisen auf die Dinge zu entwickeln.

Gerhard Berger

Einen Kalender, dem - vom engen Zeitablauf mal abgesehen - niemand ansieht, unter welch widrigen Umständen er zustande gekommen ist. "Wir hatten nie das Ziel, nur ein Notprogramm aufzustellen", erläutert Berger, "sondern, unter den gegebenen Umständen das zu tun, was wir zu tun hatten: eine Meisterschaft zu realisieren. Seitens der Rennstrecken bekamen wir eine Menge Unterstützung, wobei sie ihre eigenen Probleme zu regeln hatten, zum Beispiel wegfallende Zuschauereinnahmen. Aber Corona hat uns auch beigebracht, neue Sichtweisen auf die Dinge zu entwickeln."

Berger: "Audi war im letzten Jahr ein bisschen zu stark"

Auf dem rein sportlichen Sektor darf es nach Bergers Wünschen noch enger als ohnehin schon zugehen. Gerade gegen Ende der Saison gingen BMW im Kampf mit Audi die Waffen aus, während R-Motorsport mit Aston Martin zu keiner Zeit eine Rolle spielte. Vom sogenannten Class-1-Reglement mit den Vierzylinder-Turbomotoren und den vielen Einheitsbauteilen ist Berger unverändert überzeugt: "Wir haben unsere Basis, die gegenüber allen anderen Sportregeln, die Formel 1 mal ausgenommen, einen Riesenvorteil hat: keine Balance of Performance und keinen Ausgleich zwischen unterschiedlichen Konzepten. Wir haben ein einziges Konzept, und das funktioniert sehr gut. Es ist eine Garantie, dass die Autos auf einem sehr ähnlichen Level sind und am Schluss der beste Fahrer gewinnt. So sollte es sein im Sport." Einzige Einschränkung: "Audi war im letzten Jahr ein bisschen zu stark, aber ich bin hundertprozentig überzeugt, dass BMW seine Hausaufgaben gemacht hat und beide jetzt auf dem nahezu gleichen Niveau sind."

Dies jedoch für lediglich noch neun Rennwochenenden, ehe Audi beim Saisonfinale in Hockenheim am 7./8. November nach 20 ununterbrochenen Jahren in der neuen DTM den Stecker ziehen wird. Danach wartet auf Organisator Berger eine Art organisatorischer Mount Everest mit höchster Absturzgefahr für den professionellen Tourenwagensport hierzulande und in Mitteleuropa. "Wir prüfen im Moment alle Möglichkeiten. Für eine Antwort ist es noch zu früh, denn, ganz ehrlich, ich habe keine. Im Moment müssen wir die Lage klären, wie wir mit dem Ausstieg von Audi umgehen, was jetzt zu tun ist. Zuvor müssen wir garantieren, dieses Jahr eine gute Saison hinzubekommen. Was dann künftig die richtigen Möglichkeiten für die DTM sein werden? GT3 ist machbar, aber eine andere Philosophie, dann wären wir bei solchen Dingen wie bei einer Balance of Performance."

Den Racer Berger schüttelt es beim Gedanken an jedwede Ausgleichsmaßnahmen - in seinem ersten Jahr als Chef der DTM musste er 2017 zu oft zu einer äußerst eigenartigen Gewichtsausgleichsregelung Stellung beziehen. Aber in seiner Antwort auf die Frage, ob die Corona-Krise oder der Audi-Ausstieg ihn stärker getroffen habe, steckt am Ende ein Stückchen Optimismus: "Ganz klar: Audi hat mich stärker getroffen. Denn mit Corona hat ja jeder zu tun. Der Ausstieg von Audi war eine schlechte Neuigkeit. Das Leben bringt gute Nachrichten. Und schlechte. Lasst uns kämpfen!"

Stefan Bomhard