Motorsport

"Kubica packt das. Er ist ein Idol in unserem Sport"

DTM-Kollegen über den Tourenwagen-Neuling

"Kubica packt das. Er ist ein Idol in unserem Sport"

Robert Kubica debütiert in der DTM.

Robert Kubica debütiert in der DTM. imago images

Wäre schierer Mut das wichtigste Kriterium für eine große Karriere im Motorsport, dann müsste der Pole Robert Kubica seit Jahren überall dort, wo er antrat, Weltmeister geworden sein. An reinem Mut kann es kaum jemand mit ihm aufnehmen, an gelegentlichem Übermut allerdings auch nicht. Seinem verheerend aussehenden, aber nahezu völlig glimpflich verlaufenen Unfall beim Formel-1-Rennen von Kanada 2007 folgte nur ein Jahr später sein einziger Sieg in der Königsklasse, ebenfalls auf dem Kurs von Montreal. Dann, er galt vielen Experten als angehender Weltmeister, warf ihn Anfang Februar 2011 ein schlimmer Unfall während einer in Italien privat bestrittenen Rallye aus dem Rennen. Nach diesem Crash in einem Skoda Fabia schwebte Kubica für einige Tage in Lebensgefahr und lief danach Gefahr, seine vom schweren Einschlag aufs Übelste verletzte rechte Hand zu verlieren. Bis zum heutigen Tag kann er sie nur zu bestenfalls 50 Prozent nutzen, vom Virus Motorsport aber hat ihn das nicht befreit.

Kubica wandte sich, nachdem die Formel 1 zunächst nicht mehr infrage kam, seiner großen Liebe Rallyesport noch intensiver zu. Einem Aufbaujahr mit dem WM-Titel in der kleineren WRC-2-Klasse folgte, nicht zuletzt dank seiner polnischen Sponsoren, der Einstieg in die Topkategorie WRC. Dort wechselten sich trotz seiner Behinderung erstaunliche Wertungsprüfungs-Bestzeiten, die sich oft niemand erklären konnte, mit Bäumen und Hindernissen ab, die (zu) häufig im Wege und am Wegesrand standen.

Für einen rennverrückten Mann wie ihn konnte es aber weiterhin kein anderes Ziel geben, als doch noch einmal in die Formel 1 zurückzukehren. 2018 bekam er tatsächlich ein Cockpit beim Nachzüglerteam Williams, 2019 wechselte er zum Alfa-Romeo-Ferrari-Rennstall, für den er auch jetzt noch als Testfahrer unterwegs ist.

Der Umstieg von der Formel 1 in die DTM steckt voller Tücken

Ins Renngeschehen eingreifen wird Kubica in dieser Saison jedoch in der DTM - einer Kategorie, in der nur ganz selten vormalige Formel-1-Fahrer wirklich groß auftrumpften. Der Umstieg aus einem einsitzigen Monoposto in einen deutlich schwereren Tourenwagen steckt voller Tücken. Am Rande der seit Montag auf dem Nürburgring laufenden Testfahrten berichtete Kubica von seinen ersten Eindrücken in dem vom privaten ART-Team eingesetzten BMW M4 Turbo DTM. "Zum ersten Mal seit 2003 sitze ich wieder in einem Rennwagen, in dem ich die Kupplung mit dem Fuß treten muss."

Seine in der DTM längst arrivierten Kollegen René Rast, Marco Wittmann und Nico Müller glauben trotzdem eher nicht, dass Kubica wirklich Ratschläge ihrerseits benötigt, um sich in der neuen Szene rasch einzuleben. Auf kicker-Nachfrage waren sie dennoch gerne bereit zu sagen, worauf es in der DTM aus ihrer Sicht besonders ankommt. So sieht der amtierende Champion Rast Neuling Kubica bereits auf dem rechten Weg: "Er hat schon gut Meilen gesammelt beim Testen, das ist erst mal wichtig, um zu verstehen, wie du so ein Auto fahren musst. Er wird wahrscheinlich die meisten Runden von uns allen haben, bevor die Saison losgeht. Mein Ratschlag wäre, so viel und intensiv zu arbeiten, wie er nur kann, und sehr rasch zu verstehen, warum er manchmal schnell und warum er manchmal vielleicht nicht so schnell ist."

Wittmann: "Er macht bis hierher einen großartigen Job"

Als BMW-Markenkollege kommt Wittmann, wie Rast zweimaliger Champion, möglicherweise am ehesten die Rolle des Ratgebers für Kubica zu. "Er macht bis hierher einen großartigen Job", lobt ihn Wittmann, "und er war schon beim Wintertest sehr stark. Wichtig in der DTM ist es, die Ruhe zu behalten. Ich habe viele gesehen, darunter mich selbst, die ihre erste Saison beginnen - und erst einmal sieht alles super leicht aus, du bist schnell von Anfang an. Dann aber, nach drei oder vier Rennen, bist du im Nirgendwo und lädst dir Druck auf. Doch Robert ist erfahren genug, der packt das."

Vizemeister Nico Müller (Audi) freut sich ebenfalls darauf, ab dem Start im belgischen Spa-Francorchamps (1./2. August) einen starken Konkurrenten hinzugewonnen zu haben: "Robert ist ein Idol in unserem Sport. Für uns alle ist es eine große Ehre, ihn in unserem Feld zu haben, und ich bin sicher, dass er das gut machen wird. Wenn ich also wirklich einen Rat geben soll, dann am ehesten den, ganz, ganz schnell in den Rhythmus unserer Art von Rennwochenenden hineinzukommen. Das ist nicht leicht, aber für jemand mit seinem Talent machbar."

Für DTM-Boss Gerhard Berger schließlich ist Neuzugang Kubica in einem Jahr mit schlechten Meldungen (Corona, Audi-Ausstieg zum Jahresende) eine Nachricht, die ihm ein Lächeln ins Gesicht zaubert: "Robert bringt so viel an Erfahrung mit. Er hat einen großen Namen, ist ein guter Junge, einfach perfekt für die DTM, fantastisch für die Meisterschaft", sagt der Tiroler. Aus dem Mund eines zehnmaligen Grand-Prix-Siegers könnte kaum ein größeres Lob kommen für den Debütanten des Jahres.

Stefan Bomhard