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Umstellung auf Kalendersaison? Meinungsbeiträge gehen auseinander

Spielzeit-Revolution: Nicht alle sind begeistert

Umstellung auf Kalendersaison? Meinungsbeiträge gehen auseinander

Kalendersaison "Ja" oder "Nein": Die Meinungen gehen auseinander.

Kalendersaison "Ja" oder "Nein": Die Meinungen gehen auseinander. imago images

Der SV Germania Bredenborn will den Fußball revolutionieren und die Saison an das Kalenderjahr anpassen. Die Resonanz auf die Forderung des kleinen ostwestfälischen Vereins war groß. Per Mail und auf den sozialen Medien gingen einige interessante Meinungen zum Thema bei uns ein.

Martin Meier ist Jugendleiter beim südbadischen FC Hochrhein. Er unterstützt den Bredenborner Vorstoß. Meier sagt, er habe seinem Verbandsvorsitzenden diesen Vorschlag ebenfalls unterbreitet, eine Reaktion gab es jedoch nicht. "Die Saison auf den Jahreskalender umzustellen, finde ich keine schlechte Idee", sagt er. Einzig negativ sei für ihn bei einer Kalendersaison der Aspekt, dass eventuelle Titelfeiern bei Schmuddelwetter stattfinden müssten. "Solche Feste feiert man doch lieber, wenn das Wetter schön ist" Einfacher, so Meier, wäre die Handhabung mit den Jahrgängen in der Jugend, die leichter festgelegt werden könnten. Eine Wechselfrist könnte sich Meier zum Jahresende oder -anfang vorstellen. Positiv würde sich eine Umstellung laut des Jugendleiters auch auf den Terminkalender auswirken. Mehr Freiraum sei dadurch bei eventuellen Nachholspielen gegeben, und auch Staffelleiter wären bei der Gestaltung der Spielpläne flexibler.

Auch kicker-Leser Malheiro erachtet einen Umstieg in den Amateurklassen als sehr sinnvoll. "Die Kriterien von früher, dass im Sommer viele Spieler aufgrund von Betriebsferien fehlen würden, sind doch schon lange nicht mehr gegeben", sagt er. Auch das Wetter habe sich gewandelt. Manchmal sei es im Mai wärmer als im Juli. "Die Argumentation, dass die Plätze im Sommer dann schneller kaputt gehen würden, könnte man damit kontern, dass sie dafür im Winter weniger beansprucht werden."

Tomschewsky geht einen Schritt weiter

Steffen Tomaschewsky aus dem sächsischen Hohenstein-Ernstthal setzt sich ebenfalls für eine Anpassung der Saison an das Kalenderjahr ein, geht aber noch einen Schritt weiter als Bredenborn, Meier oder Malheiro. "So eine Chance wie jetzt bekommen die Verbände nie wieder", sagt er. Tomaschewsky fordert zudem noch eine Strukturreform. "Wichtig wären regionale Derbys." Je nach Interesse sollten seiner Meinung Spielklassen erhöht, verringert und Playoffs eingeführt werden - sowohl im Aufstiegs- als auch Abstiegskampf. "Das kann im Amateurfussball und im Profifußball gelten. Im Profifußball würde ich auf Grund der Turbulenzen nur die 1. Bundesliga lassen." Die 2. und 3. Liga würde Tomaschwesky auflösen. "Ich würde vier bis sechs Regionalligen bilden und dann eine Aufstiegsrunde spielen." Aufsteigen würden drei bis fünf Mannschaften. "Die Bundesliga müsste natürlich auf 20 bis 24 Mannschaften aufgestockt werden." Nach zwei, drei Jahren könne man dann über eine neue Struktur nachdenken, sagt er, wenn sich alles beruhigt habe. "Das bezieht sich auf die Gesundheit, Wirtschaft, die Leistungsfähigkeit der Vereine und vieles andere. Wichtig ist die Einheit zwischen Amateur- und Profifußball. Der Fußball ist für alle da."

Es tauchten aber zahlreiche Argumente auf, die gegen eine Umstellung sprechen. Für Tobias Brand macht die Idee heute weniger Sinn als noch vor 10 bis 15 Jahren. Damals, ist er der Meinung, waren die Winter noch wesentlich härter mit Schnee von November bis März. "Aktuell zeigt sich aufgrund des Klimawandels, dass man teilweise ohne Probleme bis Weihnachten spielen kann." Meist käme es nur noch in den Monaten von Januar bis März vereinzelt zu Wintereinbrüche. Und dies, so Brand, auch nur regional und nicht flächendeckend. Ein weiteres Problem sieht er bei der Platzpflege. Im Winter wachse bekanntlich kein Rasen. "Die Sperrzeit im Sommer müsste also trotz der Umstellung bestehen bleiben." Als wesentlich prekärer empfindet er jedoch die zunehmende Wärme in den Sommermonaten mit bis zu teilweise 40 Grad Celsius auf den Plätzen. "Mehr Abendspiele ab 19 oder 19:30 Uhr wären hier in den heißen Monaten angebracht. Alles in allem erachtet Brand eine Anpassung der Saison ans Kalenderjahr mit Hinblick auf den Klimawandel als nicht wirklich sinnvoll.

Bedenken beim Wetter

Marcel Koltermann greift die von Brand genannten Punkte ebenfalls auf, sieht aber ein weiteres Problem in den Sommerferien, wenn die Hälfte der Mannschaft mit Familie in den Urlaub fährt. Außerdem wirft er die Frage in den Raum, was mit wegen schlechten Wetter ausgefallenen Spielen im November passiert? Und gibt selbst eine sarkastische Antwort darauf: Notfalls würden diese eben noch am 4. Advent oder zwischen Weihnachten und Silvester nachgeholt. Ins gleiche Horn bläst Stephan Mohr. Durch eine Umstellung "besteht die Gefahr, dass bei einem frühen Wintereinbruch, wie er im Süden schon mal vorkommen kann, eventuell die letzten Spieltage ausfallen und im gleichen Kalenderjahr nicht mehr nachgeholt werden können." Die Saison müsste seiner Einschätzung deshalb in Teilen Deutschlands, um auch noch Relegationsspiele zu ermöglichen, spätestens Mitte Oktober beendet sein. Auch den Gedanken sich im Januar oder Februar bei Kälte, Wind, Schnee und Regen auf ein Saison vorzubereiten, empfindet er nicht als prickelnd sondern eher als demotivierend.

Ingo Stöckl - Befürworter einer Kalendersaison - kontert diese Argumente und versucht sie zu entkräften. "Dass es im Sommer zum Sporttreiben zu heiß sein könnte, halte ich aus eigener Erfahrung für eine Mär." Es sei natürlich nicht sinnvoll sportliche Wettkämpfe in den heißen Mittags- oder Nachmittagsstunden auszutragen, jedoch könne dank der Sommerzeit bis in die späteren Abendstunden Sport getrieben werden. "In Stadien und Sportstätten, die mit Flutlicht ausgestattet sind, können Fußballspiele regelmäßig - wie in südeuropäischen Ländern - am späten Abend stattfinden. Flutlichtspiele, insbesondere bei warmen Außentemperaturen, bergen auch, wie ich glaube, für viele Zuschauer einen besonderen, zusätzlichen Reiz." Und die Urlaubszeit im Sommer? "Ob die überwiegende Mehrzahl der Zuschauer und insbesondere Spieler auf eine spielfreie Zeit gerade im Sommer angewiesen ist, um sich Urlaubswünsche erfüllen zu können, bezweifle ich in Zeiten, in denen sommerliche Reiseziele auch im Winter angeflogen werden." Zumal es, sagt Stöckl, gerade unter Sportlern nicht wenige wintersportaffine Menschen geben würde, für die der Winter die Hauptreisezeit darstellt und die wissen, dass der Sommer die schönste Zeit in heimatlichen Gefilden sei. Auch dass der Rasen im Sommer eine Ruhezeit braucht, bezweifelt Stöckl, der über vier Jahrzehnte aktiver Vereins-, hauptsächlich aber Freizeitmannschaftsfußballer war. "Ohne über botanische Fachkenntnisse zu verfügen, nehme ich an, dass eine Regeneration des Platzes - wie wohl in Skandinavien - auch zu anderen Jahreszeiten möglich ist."

dw