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Kampf fürs Leben: NFL-Quarterback Alex Smith übersteht 17 Operationen

Früherer Spieler der Washington Redskins geht an die Öffentlichkeit

Der große Kampf fürs Leben: Quarterback Smith übersteht 17 Operationen

In diesen Momenten ist die Schwere der Verletzung noch nicht abzusehen: Quarterback Alex Smith wird abtransportiert.

In diesen Momenten ist die Schwere der Verletzung noch nicht abzusehen: Quarterback Alex Smith wird abtransportiert. imago images

Alex Smith beschreibt den 18. November 2018 im Rückblick gegenüber "ESPN Daily" als "ganz normalen Tag, es war wie immer". Und anfangs ist es dieser Sonntag auch - normal. Der Quarterback bereitet sich mit den bei 6:3 Siegen stehenden Washington Redskins, die damit als Tabellenführer der NFC East beste Aussichten auf die Play-offs haben, auf das Heimspiel gegen die Houston Texans vor. "Ich wusste schon länger, dass wir es drauf haben - nur in dieser Saison hatte ich wirklich das Gefühl, dass es weit gehen kann für uns", so Smith.

Stunden später ist nicht nur der Traum von den Play-offs zerplatzt und die Saison für den Quarterback selbst beendet, auch sein Leben wird auf dem Spiel stehen - was zu diesem Zeitpunkt allerdings noch niemand ahnt. Denn obwohl schon allein die ersten Bilder dieser Verletzung ein mögliches Karriereende andeuten, wissen zunächst nicht einmal die behandelnden Ärzte genau, was im Körper dieses Athleten vor sich geht. Doch der Reihe nach ...

Theismann: "Alex' Bein sieht exakt aus wie meines vor 33 Jahren"

Zunächst einmal wiederholt sich während dieses Heimspiels in der US-Hauptstadt gegen die Texaner grausame Geschichte: Smith bekommt im dritten Viertel den Snap, hält den Ball in den Händen und sieht, dass die Deckung zusammengebrochen ist. Also geht der Akteur in Abwehrhaltung, um laut eigenen Aussagen "einfach nur den Ball zu sichern". Es folgt etwas ganz Normales: Der Spielmacher kassiert den Sack von seinen Gegenspielern J.J. Watt und Kareem Jackson - und bleibt auf dem Boden liegen. Die Wiederholungen der Szene, die sich den Fans und Zuschauern auf den Bildschirmen darauf bieten, sind nichts für schwache Gemüter: Der Unterschenkel des damals 34-Jährigen steht in einem unnatürlichen Winkel ab und muss noch auf dem Feld provisorisch mit einem Aircast, einer mit Luft aufgepumpten Schiene, stabilisiert werden. Spieler sinken dabei sofort zu Boden, stoßen Gebete aus, sprechen dem Verletzten Mut zu. "Ich wusste, es war gebrochen. Das Bein war verdreht, wie es nicht sein sollte. Es war sehr schmerzhaft", erinnert sich Smith.

J.J. Watt und Kareem Jackson verpassen Alex Smith einen Sack.

Der Horror nimmt seinen Lauf: Nach diesem normalen Sack von J.J. Watt und Kareem Jackson verdreht sich Alex Smith das Bein. imago images

Die vorhin beschriebene Horror-Parallele dabei: Auf den Tag genau 33 Jahre zuvor, also am 18. November 1985, hat der damalige Redskins-Quarterback Joe Theismann die fast gleiche Verletzung erlitten und seine Karriere beenden müssen. Doch nicht nur das: Es handelt sich wie damals ums rechte Bein, es passiert wie damals beim dritten "Sack" der Partie, es geschieht an der gleichen Yard-Linie und am Ende steht dasselbe Ergebnis auf der Anzeigentafel (23:21). Ein Unterschied: Gegner damals sind die New York Giants gewesen, den "Sack" verpassen damals die Linebacker Lawrence Taylor und Harry Carson.

"Es war ein gruseliger Moment", äußert sich Theismann, der Super-Bowl-Champion von 1982/83, damals zum Unglück von einst. Der 69-Jährige hat das Geschehen live auf der Tribüne gefolgt. "Es war surreal. Ich musste wegsehen. Es tut mir so leid für ihn. Alex' Bein sieht exakt aus wie meines vor 33 Jahren", hat der frühere NFL-Profi im Jahr 2018 dazu noch getwittert.

Spiralbruch, Aircast, erste Operation

Nach Smiths jetziger Enthüllung, die "ESPN" in Form von Texten, einem Podcast und einer 60-minütigen Dokumentation verbreitet, steht allerdings fest: "Exakt so" ist es nicht um sein Bein bestellt gewesen. ESPN-Medizinreporterin Stephania Bell, die Smith in den eineinhalb Jahren und damit vom Start weg begleitet hat, beschreibt das Prozedere: "Er hat damals einen Spiralbruch erlitten, der sich vom Knöchel bis fast komplett hoch zum Knie erstreckt hat." Doch damit nicht genug: Nachdem damals auf dem Feld abseits der schlimmen Fehlstellung des Beines nichts weiter auf den ersten Blick erkannt wird, finden die Ärzte später etwas Blut im Aircast - und stellen so einen offenen Bruch fest.

Smith kommt nun ins Krankenhaus, wird operiert - und erinnert sich selbst ans Gespräch mit den Doktoren am nächsten Tag: "Sie haben gesagt, dass alles gut gelaufen sei. Gute Neuigkeiten also, zumal in der damaligen Woche Thanksgiving ansteht und Smith selbst natürlich gern zuhause bei der Familie wäre. "Der Arzt hat auch nichts dagegen gehabt." Bis auf leichtes Fieber, was ganz natürlich als Abwehrreaktion infolge einer OP auftreten könne, sieht es also gut aus.

Die Sepsis tritt ein

Doch das Fieber wird schlimmer. Nach Rücksprache mit Redskins-Doktorin Dr. Robin West, die "in 17 Jahren NFL schon viele schlimme Verletzungen gesehen hat, aber noch nie so etwas", bleibt Smith aber im Krankenhaus. Die wohl wichtigste Entscheidung, wie Reporterin Bell meint: "Anders hätte er sein Leben verlieren können, er hätte in der Nacht im Schlaf sterben können." Denn was der Spielmacher nun durchmachen muss, ist ein septischer Schock infolge einer Blutvergiftung.

Bell dazu: "Über die kleine offene Wunde sind Bakterien in seinen Körper, in sein Blut gekommen. Das kann nach der Verletzung entweder über die Kleidung, den Schweiß oder den Rasen passiert sein. Und als sich die Ärzte das genauer angesehen haben, sah die Wunde auch noch relativ normal aus - wie eben eine Wunde nach einer Operation. Doch wenig später wurde das Bein schwarz, Gewebe starb ab."

Smiths Frau: "Es war mein schlimmster Alptraum!"

Alex Smith ist langjähriger NFL-Spielmacher.

"Project 11": Zusammen mit "ESPN" hat Alex Smith seine eineinhaljährige Geschichte an die Öffentlichkeit gebracht. imago images

Es folgen zehn Tage, an die sich Smith nicht mehr erinnern kann - und in denen es viele weitere Operationen (mittlerweile sind es 17 Eingriffe) gibt, die zunächst kaum erfolgsversprechend scheinen.

Bei einer Not-OP wird unter anderem viel Haut und Gewebe entfernt, diese Prozedur muss am nächsten Tag - dem Freitag nach Thanksgiving - wiederholt werden, denn Smith hat weiterhin viele, gewebevernichtende Bakterien in seinem Bein. "Es war mein schlimmster Alptraum! Alex hat Bakterien, die quasi sein Bein auffressen, dazu eine Blutvergiftung. Er liegt im Sterben", berichtet seine Frau Elizabeth, die ihn in den folgenden Monaten pflegen muss, im Rahmen der ESPN-Dokumentation "Project 11" in Anlehnung an seine Trikonummer.

Kann ich mich so weit pushen?

Alex Smith wünscht sich eine Rückkehr aufs Feld

Die Ehefrau führt sogar private Unterhaltungen mit dem behandelnden Arzt, das Bein eventuell abnehmen zu lassen, um so das Leben ihres Gatten zu retten. Die Antwort, die sie bekommt: "Unsere erste Priorität ist, sein Leben zu retten. Dann werden wir unser Bestes tun, sein Bein zu retten. Alles weitere wäre ein Wunder."

Alex Smith ist langjähriger Quarterback in der NFL.

Der Glaube ans Comeback: Der 35-jährige Quarterback Alex Smith träumt davon, aufs Feld zurückzukehren. imago images

Und die Amputation kann tatsächlich trotz schlimmer Bilder vermieden werden. Der einst im NFL-Draft 2005 überraschend noch vor einem gewissen Aaron Rodgers (Green Bay) an 1. Stelle von den San Francisco 49ers gezogen und später zu den Kansas City Chiefs gewechselte (2013-2017) Spielmacher erholt sich in der Folge, lehnt sogar eine Transplantation vom großen Rückenmuskel für sein nahezu muskelloses Bein ab - und träumt inzwischen tatsächlich wieder vom Comeback auf dem Platz. Eineinhalb Jahre später richtet dieser Sportler, der schon wieder laufen kann und fleißig Kraft aufbaut, folgende Worte an die Öffentlichkeit: "Kann ich mich so weit pushen? Ich will rausfinden, wohin der Weg führt."

Unterstützung genießt der Quarterback, der es in 13 NFL-Spielzeiten auf 34.068 Yards, 193 Touchdowns, 101 Interceptions und sieben Play-off-Spiele (zwei Siege, fünf Niederlagen) bringt, dabei auch von den Washington Redskins. Doch allen voran von seiner Frau, der laut ESPN-Reporterin Bell "wahrscheinlich wahren Heldin in dieser Geschichte. Sie war es, die die emotionale Last in der schlimmen Woche, in der Alex kaum bei Verstand war, getragen und überwunden hat".

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