Int. Fußball

Lieblingsspiel - An jeder Ecke ein Pub: Griffin Park des Brentford FC

Championship, 31. Spieltag, Brentford-Middlesbrough, 8. Februar 2020

Lieblingsspiel: Einflugschneise und an allen Ecken ein Pub - Farewell Griffin Park!

Championship-Fußball im Griffin-Park von Brentford.

Championship-Fußball im Griffin-Park von Brentford. Dominik Baier

Es gibt auf der Welt nur wenige Städte, die mit so vielen traditionsreichen professionellen Fußballvereinen aufwarten können wie London. Da sind natürlich Chelsea, Arsenal und Tottenham, aber auch Teams wie West Ham, Fulham oder Millwall.

Werbung auf dem Stadiondach

Wer London mit dem Flugzeug erreicht, wird jedoch von der Spielstätte eines anderen Vereins begrüßt. Direkt in der Einflugschneise des Flughafens Heathrow, von oben so gut sichtbar, dass das Stadiondach für Werbung genutzt wird, befindet sich der Griffin Park, Heimat des Brentford FC.

Es ist ein sonniger Nachmittag am 8. Februar 2020 in Westlondon, an dem ich mit einem Freund die U-Bahn in South Ealing verlasse und wir dem Strom der Brentford-Anhänger zum Stadion folgen. Am 31. Spieltag der Championship empfängt Brentford heute Middlesbrough. Während die Heimmannschaft auf Platz 5 aussichtsreich im Aufstiegsrennen liegt, stehen die Gäste aus Nordengland auf Platz 18 - Mittelmaß in einer Liga mit 24 Startern.

Selbst in England einmalig: An allen vier Ecken ein Pub

An allen Stadionecken ein Pub - das gibt es nur im Griffin Park.

Obwohl noch über eine Stunde bis zum Anpfiff ist, wimmelt es rund um den Griffin Park bereits von Fans. Kein Wunder, denn das "Vorprogramm" ist hier außergewöhnlich: An allen vier Ecken des seit 1904 genutzten Stadions befindet sich ein Pub - das ist selbst in England einmalig. Wir entscheiden uns für das "Princess Royal", immerhin sind hier "Fans aller Vereine herzlich willkommen", wie ein Schild am Eingang verrät. Der Pub ist voll, auf den Fernsehgeräten laufen Drittligafußball und die Rugby-WM. Die Atmosphäre ist freundschaftlich und lädt dazu ein, auf ein Bier zu bleiben - mindestens.

Uns zieht es aber ins Stadion, das - so der Stand im Februar - nur noch neun Mal die Bühne für ein Ligaspiel bieten soll. Unter dem Motto "Farewell Griffin Park" erlebt das 1904 eröffnete Stadion gerade seine Abschiedssaison. Seit der Unternehmer Matthew Benham den Verein 2014 mehrheitlich übernommen hat, sind die Ambitionen gestiegen und dafür ist der Griffin Park nicht mehr zeitgemäß. Ab Sommer 2020 soll im modernen Brentford Community Stadium gespielt werden, am liebsten in der Premier League. Dass es Benham ernst meint, hat er beim FC Midtjylland bewiesen. 2014 übernahm er die Dänen, 2015 wurden sie Meister.

Die Fans sind über den Neubau nicht so unglücklich, wie es vielleicht zu erwarten wäre. Sicher, das alte Stadion hat Tradition, aber die Geländer und Drehkreuze sind rostig, es ist eng und eine Videoanzeigetafel gibt es nicht. Das neue Stadion wird von vielen als Chance gesehen. Erstklassigen Fußball gab es hier bisher nur in den 30ern.

Für den Moment genieße ich aber den Griffin Park. Mein Platz ist in der ersten Reihe, direkt am Rasen, fast auf Höhe der Grasnarbe. Der Linienrichter ist so nahe, dass ich ihm für jede richtige Abseitsentscheidung auf die Schulter klopfen könnte. Kurz vor dem Anpfiff ist die Stimmung exzellent, vor allem die Gästefans machen sich bemerkbar: "We're Middlesbrough/We're Middlesbrough/Everywhere we go/Everyone will know/We're Middlesbrough", schallt es aus den Kehlen von rund 2000 mitgereisten Fans.

Die "Bees" verdanken den Spitznamen einem Missverständnis

"Come on Bees", antworten die Heimfans. Ihren Spitznamen "Bees" - Bienen - verdanken Brentfords Spieler einem Missverständnis aus den 1890ern. Studenten des Borough Polytechnic Institute intonierten im Stadion ihren Schlachtruf "Buck up Bs", um einen ihrer Kommilitonen zu unterstützen, der für Brentford spielte. Anwesende Journalisten verstanden "Bees" und verbreiteten den neuen Spitznamen.

Das Spiel beginnt und beide Teams suchen den Weg nach vorne. Middlesbrough setzt auf Laufbereitschaft und Kampf, Brentford versucht es mit seinem 4-3-3 häufig über die Flügel. Vor allem der flinke Dreiersturm mit Mbeumo, Benrahma und Toptorjäger Watkins ist auffällig. Die Bees treten selbstbewusst auf und bemühen sich in jeder Situation um eine spielerische Lösung. Doch auch die Gäste bleiben gefährlich, das Spiel hat ein enormes Tempo und wogt hin und her. Auffällig ist, dass der Schiedsrichter vieles durchgehen lässt und die Spieler sich jegliche Theatralik sparen. Das tut dem Spielfluss gut und ist ansehnlich.

In der 25. Minute gibt es zum ersten Mal Grund zum Jubeln: Jensen schlägt eine Ecke in den Strafraum, Jeanvier steigt nach oben und köpft den Ball zur Führung ein. Danach übernimmt Middlesbrough zunehmend die Spielkontrolle, die Bees verlegen sich aufs Kontern.

Griffin Park

Willkommen im Speckgürtel Londons: Der altehrwürdige Griffin Park muss bald einem Stadion-Neubau weichen. Getty Images

In der 58. Minute markiert Wing mit einem sehenswerten Distanzschuss den Ausgleich, der die beste Phase des Spiels einläutet. Nur zwei Minuten später zieht Mbeumo auf der anderen Seite ebenfalls von außerhalb des Strafraums ab und trifft zur erneuten Führung, die aber nur drei Minuten hält. Dann steht Fletcher nach einer Ecke völlig frei und kann zum 2:2 einköpfen.

In der Folge spielen beiden Teams mit offenem Visier und lassen gute Möglichkeiten liegen. Kurz vor dem Ende der Partie setzt sich der ehemalige Hamburger Nörgaard auf der rechten Seite durch, spielt von der Grundlinie nach innen und Watkins schiebt zum Siegtor ein. Der Griffin Park bebt und zum ersten Mal wird es ruhig im Gästeblock.

Mir wird nach diesem fesselnden Spiel erst jetzt bewusst, dass der Himmel plötzlich stark bewölkt ist und der Wind kräftig an den Eckfahnen zieht. Sturmtief Chiara ist in London angekommen - das sollte den Rückflug noch zu einem Problem machen. Doch trotz der Hetzerei durch den Flughafen, des turbulenten Flugs und meines zwischenzeitlich verlorenen Gepäcks will ich nach London zurückkehren. Zu welchem Verein es dann geht, ist offen. Klar ist aber schon, welches Stadion ich als Erstes aus dem Flugzeug sehen werde.

Tobias Weituschat

Holtby, Glatzel & Co.: Deutsche Spieler in der Championship