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"Hymnen in der Höhe": In der Schweizer Bergwelt soll die EM 2020 steigen

Bergdorf-EM soll trotz Corona-Krise Ende August stattfinden

"Hymnen in der Höhe": In der Schweizer Bergwelt soll die EM 2020 steigen

Gab der Arena auf fast 2000 Meter Höhe seinen Namen: Ottmar Hitzfeld.

Gab der Arena auf fast 2000 Meter Höhe seinen Namen: Ottmar Hitzfeld. picture-alliance

Für Fabian Furrer ist es längst "eine Herzensangelegenheit" geworden. Fast täglich ist er derzeit oben auf dem Gipfel, um die diesjährige Bergdorf-Europameisterschaft vorzubereiten. "Wenn hier in der Höhe dann die Hymnen vor den Spielen erklingen, ist das ein unbeschreibliches Gefühl", sagt der 52-Jährige. Nicht, wie ursprünglich geplant, Mitte Juni, sondern vom 28. bis 30. August soll im Schweizer Kanton Wallis der Ball rollen - beim, wie die Organisatoren sagen, "außergewöhnlichsten Fußballturnier der Alpen". Amateurvertretungen aus Belgien, Spanien, England, Schweden, Frankreich, Italien, Österreich und Deutschland wollen sich mit den Schweizer Gastgebern, die vom ehemaligen Bundesligatrainer und -manager Martin Andermatt gecoacht werden, messen.

Timo Konietzka lieferte neonfarbene Bälle

"Oben auf dem Gipfel" - das heißt für Furrer als Präsident des "Vereins Bergdorf-EM" ziemlich genau 1893 Meter über dem Meeresspiegel. Schon seit über 40 Jahren schmiegt sich hier, unweit des kleinen Ortes Gspon nahe der Gemeinde Staldenried der kleine Fußballplatz des FC Gspon in die Landschaft. Lange wurde auf Schotter gespielt, aber wenigstens stets mit relativ neuem Spielgerät: Wenn ein Ball vom Feld flog, war er meist nicht wiederzubekommen und musste durch einen neuen ersetzt werden. Rund 1000 Kugeln, so geht die Mär, sollen im Laufe der langen Zeit in der Schlucht gelandet sein. "Gut, dass einst Timo Konietzka uns wohlgesonnen war", erinnert sich Furrer. 1990 besorgte der 2012 verstorbene Schütze des historisch ersten Bundesligatores 1963, der später auch Schweizer Staatsbürger wurde und nach der Karriere als Vertreter einer Sportartikelfirma arbeitete, einmal ausreichend Bälle für das Spektakel. "In Neonfarben..."

Gespielt wird in der "Ottmar-Hitzfeld-Gspon-Arena"

Fußballplatz umgeben von der Schweizer Bergwelt.

Fußballplatz umgeben von der Schweizer Bergwelt. picture-alliance

Mit Ottmar Hitzfeld ist ein weiterer deutsch-Schweizer "Grenzgänger" eng mit dem seit 2008 als EM ausgetragenen Traditionsturnier verbunden. 2009 weihte der frühere Erfolgstrainer den neuen Kunstrasen ein. Das Stadion, das seither "Ottmar-Hitzfeld-Gspon-Arena" heißt, erreichen die teilnehmenden Teams nicht im Mannschaftsbus, sondern per Seilbahn. Bis zu 1200 Fans können ihnen dann beim Kick von der Naturtribüne aus zujubeln. "Tickets gibt es bei uns nicht", erklärt Furrer. Der Platz liegt direkt am Wanderwegenetz. "Die Leute kommen oft, verweilen, schauen Fußball und laufen weiter."

Auch in diesem, im Zeichen der Corona-Krise stehenden Jahr? Eine naheliegende Frage. Der Entscheidung jedenfalls, 2020 am Event festhalten zu wollen, gingen "ausführliche und gut bedachte Gespräche" mit Teilnehmern, Sponsoren und medizinischen Fachleuten voraus, teilen die Macher mit. Nicht aus Trotz, sondern aus Überzeugung soll gespielt werden. Furrer: "Wir begrüßen Gastmannschaften aus Ländern mit den aktuell strengsten Sicherheitsregelungen. Jeder weiß um die Situation. Dennoch wollen wir auch diesmal das Verbindende unserer Idee gegen das Trennende stellen."

Bernd Heynemann als Final-Schiedsrichter

Gespielt wird in zwei Gruppen, die Spiele gehen über 15 Minuten in Mannschaften mit einem Torhüter und sieben Feldspielern. Abseits gibt es auf dem Kleinfeld nicht. Und schon gar keinen Videobeweis. "Darüber ist Bernd Heynemann ganz happy ...", schmunzelt Furrer. Der ehemalige deutsche Bundesliga-Schiedsrichter will es sich auch in diesem Jahr nicht nehmen lassen, frei von jeder Technikhilfe das Endspiel zu leiten. Komplikationen, wenn sich ausgerechnet Deutschland mit Trainer Tim Schwander (aus Mainleus, Kulmbach/Bayern) für das Finale qualifizieren sollte, erwartet niemand.

Das Problem der verloren gegangenen Bälle.

Das Problem der verlorengegangenen Bälle. picture-alliance

Vom ersten Anpfiff bis zum Moment der Pokalübergabe steht vor allem das vom Gipfelpanorama umrahmte Miteinander im Vordergrund, in diesem Jahr der Krise mehr denn je als ein Zeichen der Zuversicht. Die sehens- und schützenswerte Bergwelt der Alpen als Lebensraum von rund 122 Millionen Menschen solle es aussenden, so Fabian Furrer. Fünf festansässige Einwohner zählt Gspon. 548 seien sie in Staldenried, wo rund die Hälfte denselben Nachnamen trage wie er, der sich leidenschaftlich für seine Sache engagiert. "Wenn wir hier im Winter eine Lawine haben, sind wir im Nu überall in den Medien. Wenn wir aber Gutes wie eine EM mit diesen Botschaften tun, ist das schon etwas schwieriger."

Michael Richter