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Sandro Wagner: "Wenn ich diese ganzen kleinen Instagram-Gangster sehe mit ihren Goldketten..."

Ex-Münchner über Geld, soziale Medien, seinen Ruf und das Leben in China

Wagner: "Wenn ich diese ganzen kleinen Instagram-Gangster sehe mit ihren Goldketten..."

Neues Land, neues Glück: Sandro Wagner.

Neues Land, neues Glück: Sandro Wagner. imago images

Acht Länderspiele absolvierte Sandro Wagner mit dem Bundesadler auf der Brust (fünf Tore), für insgesamt sieben Vereine (FC Bayern München, MSV Duisburg, Werder Bremen, 1. FC Kaiserslautern, Hertha BSC, SV Darmstadt 98, TSG Hoffenheim) traf er in 265 Erst-, Zweit- und Drittligaspielen insgesamt 68-mal. Nach zwölf Profijahren in Deutschland hat der gebürtige Münchner nun einen radikalen Schnitt vollzogen und ist mit seiner Familie nach China umgesiedelt.

Nur mit Familie nach Fernost

Ohne seine Familie wäre er nichts, "meine Familie ist mein Leben", gibt der mittlerweile 31-Jährige im Interview mit "t-online.de" zu. Wagner ist "seit mehr als zehn Jahren glücklich verheiratet", Vater dreier Kinder, das vierte ist aktuell unterwegs. Dementsprechend war für ihn klar, dass er das Abenteuer Fernost nur als Familie antreten werde, da er zudem "gar nicht mehr wisse, wie es ist, ohne Dauerbeschallung zu leben und keine Puppen frisieren zu müssen". Allerdings, und das stellte er ganz deutlich dar, war dies "auch der Punkt, bei dem ich mich mit der Entscheidung am schwersten getan habe, als das Angebot kam".

Meine Tochter hat mich gefragt, warum ich noch mehr Geld verdienen möchte. Ich hätte doch bereits schon einen Porsche...

Sandro Wagner

Herausgerissen aus dem "schönsten Leben in München - Familie, Freunde, eine super Schule und unser tolles Zuhause" -, habe ihn seine achtjährige Tochter "gefragt, warum ich noch mehr Geld verdienen möchte. Ich hätte doch bereits schon einen Porsche..." Eine entwaffnende Frage, die den Angreifer nach eigener Aussage sehr zum Lachen gebracht habe: "Ich finde es erfrischend, wie simpel Kinder argumentieren und einfach im Hier und Jetzt leben", so Wagner. "Davon können wir Erwachsenen uns manchmal durchaus eine Scheibe abschneiden. Ich denke aber, dass sie die Entscheidung irgendwann nachvollziehen können, zumal ich diese perspektivisch auch im Sinne der Familie getroffen habe."

Strikte Trennung zwischen Fußball und Familie

In Tianjin zieht die Familie Wagner seit nunmehr neun Monaten an einem Strang. Fließend Englisch, ein bisschen Chinesisch - von Tag eins an haben Frau Denise und die Kinder "sämtliche Gegebenheiten und die neue Kultur angenommen". Von seinem Leben als Profi will er sie jedoch möglichst fernhalten und ist darum bemüht, dass "Fußball bei uns zu Hause nahezu überhaupt kein Thema" sei. Überhaupt findet es Wagner "immer ein wenig befremdlich, wenn Kollegen das ganze Wohnzimmer wie ein Fußball-Museum dekorieren. Müllmänner haben schließlich auch keine besonders gut geleerte Tonne dort rumstehen."

Wenn meine Kinder Müllmänner werden wollen - eines fährt, die anderen schieben die Tonnen rein -, ist das für mich völlig in Ordnung. Hauptsache, sie sind glücklich.

Sandro Wagner

Apropos Müllmänner: In die Berufswahl seiner Sprösslinge will sich Wagner nicht einmischen, ihnen jeglichen Freiraum lassen und sie schon gar nicht "irgendwo reindrängen. Ich habe es schon einmal gesagt und meine es nicht despektierlich dem Berufszweig gegenüber. Wenn meine Kinder Müllmänner werden wollen - eines fährt, die anderen schieben die Tonnen rein -, ist das für mich völlig in Ordnung. Hauptsache, sie sind glücklich."

Sandro Wagner

Kein Kind von Traurigkeit: Sandro Wagner provoziert während seiner Zeit im Trikot des SV Darmstadt 98 die Anhänger von Ex-Klub Hertha BSC. imago images

In Deutschland hatte und hat Wagner den Ruf eines polarisierenden, teilweise auch unangenehmen Profis. "Ich weiß, dass ich teilweise arrogant rüberkomme - vor allem für Leute, die mich nicht gut kennen", sagt der 31-Jährige. "Aber Ehrlichkeit und Arroganz sind zwei verschiedene Paar Schuhe", so Wagner, der gleich ein Beispiel liefert: "Was machen wir Fußballer denn schon Besonderes? Wir können gut gegen den Ball treten, oder wie ich eher mal den Gegner."

Soziale Medien: "Quatsch" und "ein ganz großes Übel"

"Wir sind als Menschen nicht anders als beispielsweise diejenigen, die für acht Euro in der Stunde unsere ältere Generation pflegen", ist sich Wagner sicher, dass es der heutigen Spielergeneration guttun würde, wenn sich "der ein oder andere Kollege" - Stichwort "soziale Medien" - "nicht so wichtig nehmen würde".

Wagner selbst nutzt "diesen Quatsch" nicht, wird deshalb nach eigener Aussage "immer hingestellt wie ein Steinzeitmensch". Die vorgeheuchelte und "glattgeleckte Glamour-Welt" stelle für ihn "ein ganz großes Übel" dar. "Wenn ich diese ganzen kleinen Instagram-Gangster sehe mit ihren Goldketten...im echten Leben muss Mami kommen, wenn es ein Problem gibt", wählt Wagner einmal mehr klare Worte. "Ich finde, das hat schlimme Auswirkungen auf die Gesellschaft. Aber vielleicht ist das heutzutage einfach alles normal", so Wagner. "Und ich bin nicht normal, kann ja auch sein."

kög