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Zidanes Hauptziel ist das vielleicht schwerste - Real Madrid im Check

Trafen die Königlichen die falschen Personalentscheidungen?

Zidanes Hauptziel ist das vielleicht schwerste - Real Madrid im Check

Der neue Star, der neue alte Trainer, die alten Probleme: Was passiert mit Real Madrid um den derzeit verletzten Eden Hazard und Zinedine Zidane?

Der neue Star, der neue alte Trainer, die alten Probleme: Was passiert mit Real Madrid um den derzeit verletzten Eden Hazard und Zinedine Zidane? imago images

Stellt euch vor, es ist Derbi madrileño - und Real kassiert sieben Gegentore. Und ist mit sieben Gegentoren gut bedient.

Solch ein Jahr, wie Real Madrid es 2018/19 erlebte, steckst du eben selbst als Real Madrid nicht einfach weg. Jüngstes Beispiel war die mehr schlecht als recht absolvierte Vorbereitung, an deren Ende analytische Stellungnahmen noch rarer gesät waren als harmonische Passstafetten. Alles sollte anders werden, bis dato wirkt alles nahezu unverändert. Obwohl die heilige Glatze an die Seitenlinie zurückgekehrt ist.

Wie hungrig ist der Weltklub wirklich? "Wir bestritten ein Testspiel, sie ein Finale", klagte Sergio Ramos nach der 3:7-Klatsche gegen Stadtrivale Atletico. Die Rojiblancos haben sich nichts vorzuwerfen. Es sind die Königlichen, die gar nicht so stark an ein erfolgreiches Schalterumlegen glauben können, dass am Samstag beim Liga-Auftakt in Vigo (17 Uhr, LIVE! bei kicker.de) plötzlich ein überzeugender Auswärtssieg herausspränge. Einen solchen Turnaround geben dieses Team und seine Einstellung offensichtlich nicht her.

Schon mit Ronaldo: 17 Punkte Rückstand

Denn die Probleme begannen nicht erst mit dem Abgang von Zugpferd Cristiano Ronaldo - auch wenn die Tore des Portugiesen in der abgelaufenen Spielzeit spürbar fehlten. Der CL-Titel 2017/18 hatte noch ein wenig überstrahlen können, dass Spaniens Rekordmeister dem FC Barcelona im Meisterrennen schon in Ronaldos letztem Jahr satte 17 Punkte hinterherhinkte. Seit geraumer Zeit ist zu beobachten: Wenn nicht gerade die CL-Hymne ertönt, gelingt es den Königlichen nicht, ihre Höchstleistungen abzurufen. Für manch gewöhnliches Ligaspiel gegen Levante, Girona oder Eibar schien man zu oft nicht bereit, 100 Prozent zu geben. Oder ging einfach nicht mehr?

Diverse Leistungsträger von einst wirken nach all den Jahren und Erfolgen überspielt, spielerisch erschöpft. In der Kreativabteilung ziehen mit Toni Kroos, Luka Modric, Marcelo oder Isco seit fünf Jahren die gleichen Spieler die Fäden - es scheint ihnen nicht nur das Spinnmaterial auszugehen, ihre eingerostete Methodik ist längst entschlüsselt.

Der Rekord-Champion hat es in diesen fünf Jahren nie wirklich geschafft, sich neu zu erfinden - oder seine Zentrale zumindest neu zu beleben. Nun wurden also rund 300 Millionen Euro investiert.

Luka Modric (li.) und Isco

Modric, Isco und Co. wirken nach erfolgreichen Jahren spielerisch erschöpft. imago images

Keylor Navas oder Thibaut Courtois: Ein Torwartproblem haben die Blancos nicht. Mit Ferland Mendy (24) kam ein neuer Außenverteidiger, Eder Militao (21) ist eine Option mit Zukunft für innen. Auf den Flügeln gelang Jungspund Vinicius (19) schon in der vergangenen Rückrunde der Durchbruch, zudem spielt Königstransfer Eden Hazard (28) dort am liebsten. Der Neuzugang fällt allerdings wegen einer Oberschenkelverletzung erst einmal einige Wochen aus. Den Angriff um Mr. Zuverlässig, Karim Benzema, verstärken Luka Jovic (21) und Rodrygo (18).

Fehler Llorente - was ist mit Pogba, Neymar und Co.?

Für die Schaltzentrale kam bislang keiner. Noch kursieren Namen. Paul Pogba, Donny van de Beek - selbst der offensiv flexible Neymar wird mit Real in Verbindung gebracht. Nur Gerüchte reichen allerdings nicht aus. Einen begabten defensiven Zentrumsspieler, Eigengewächs Marcos Llorente, gab man dafür ohne große Not ausgerechnet an Atletico ab, was sich nicht nur in puncto Balance noch als großer Fehler herausstellen könnte. Zudem verabschiedete sich Mateo Kovacic endgültig, Dani Ceballos auf Leihbasis nach London. Die Personalie James Rodriguez scheint ungewiss. Trafen die Königlichen die falschen Personalentscheidungen?

Wir wollen alle möglichen Titel gewinnen - doch die Liga wird unsere Priorität.

Zinedine Zidane

Ganze sieben der letzten zehn Meisterschaften gingen an Barcelona, nur zwei wanderten in die Trophäenvitrine an der Concha Espina. Aktueller Zwischenstand: Real 33, Barça 26 - knapper war es lange nicht. Weil dieser Vorsprung weiter zu schmelzen droht, hat Zidane bereits bei seiner Rückkehr im April klargemacht, dass der Gewinn der Meisterschaft (was ihm 2017 gelang) für die kommende Saison klares "Hauptziel" sei: "Wir wollen alle möglichen Titel gewinnen - doch die Liga wird unsere Priorität", erklärte die 47-jährige Legende.

Vergeigt Real die Liga schon im Herbst?

Doch um dieses Vorhaben in die Tat umsetzen zu können, muss Real sein Mentalitätsproblem lösen, denn Barça und Atletico leisten sich in der Liga kaum Ausrutscher. So wären Punktrückstände, die sich Real (mal wieder) wegen schwacher Frühform einhandeln könnte, kaum noch aufzuholen. Und die Meisterschaft einmal mehr die größte Herausforderung des CL-Spezialisten.

Noch schwerer wiegt das spielerische Dilemma - helfen soll ein neues System. Es geht nicht nur darum, die Quantität der endlosen Flanken herunter- (oder deren Qualität wieder hochzufahren?), sondern scheinbar auch um die taktische Formation: Zidane testete in Salzburg eine Dreierkette; probierte zudem das 4-2-2-2 aus, in dem der Franzose einst selbst für Real spielte. Bislang jeweils mit überschaubarem Erfolg. Doch wundert das, wenn das entscheidende Personal unverändert ist - und agiert?

Bis zum Ende dieses Transfersommers muss Real Madrid für seine größte Baustelle nochmals tiefer in die Tasche greifen, weil sich auch Barça und Atletico augenscheinlich verstärkt haben. Ansonsten könnten 300 Millionen nur dafür reichen, Platz drei zu sichern.

Real Madrid 2019/20: Wer kam, wer ging?

Platzierung in der letzten Saison: 3.

Neuzugänge: Eden Hazard (28, Angriff, Chelsea), Luka Jovic (21, Angriff, Frankfurt), Eder Militao (21, Abwehr, Porto), Ferland Mendy (24, Abwehr, Lyon), Rodrygo (18, Angriff, Santos)

Abgänge: Mateo Kovacic (25, Mittelfeld, Chelsea), Marcos Llorente (24, Mittelfeld, Atletico), Raul de Tomas (24, Angriff, Benfica), Theo Hernandez (21, Abwehr, AC Mailand), Jesus Vallejo (22, Abwehr, Wolverhampton, Leihe), Martin Ödegaard (20, Mittelfeld, Real Sociedad, Leihe), Dani Ceballos (22, Mittelfeld, Arsenal, Leihe), Borja Mayoral (22, Angriff, Levante, Leihe), Sergio Reguilon (22, Abwehr, FC Sevilla, Leihe), Andriy Lunin (20, Tor, Valladolid, Leihe), Luca Zidane (21, Tor, Santander, Leihe).

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