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Stendel im Interview: "Gefühlt ist das Premier League"

Der deutsche Trainer über seine Mission in Barnsley

Stendel im Interview: "Gefühlt ist das Premier League"

"Technisch und physisch könnten unsere Jungs in Deutschland gut mithalten": Daniel Stendel.

"Technisch und physisch könnten unsere Jungs in Deutschland gut mithalten": Daniel Stendel. imago images

Die Generalprobe gegen Premier-League-Aufsteiger Sheffield United ging am vergangenen Wochenende 1:4 verloren. Vor dem Start in die Championship ist Trainer Daniel Stendel (45) nach dem Aufstieg mit dem FC Barnsley dennoch guter Dinge. Mit dem kicker sprach der einstige Coach von Hannover 96 über seine ebenso reiz- wie anspruchsvolle Mission.

Wie bewerten Sie die Vorbereitung, Herr Stendel?

Sheffield hat uns die Grenzen aufgezeigt, aber das war gut so. Denn mit dem FC Fulham erwartet uns am Samstag zum Liga-Auftakt auch Premier-League-Niveau.

Gegen Bochum und Bielefeld haben Sie vor zwei Wochen während Ihrer Deutschland-Tour jeweils gewonnen.

Das hat uns selbst etwas überrascht, gerade weil die deutschen Teams ja in der Vorbereitung eine Woche weiter waren. Die Spiele liefen von der Chancenverwertung her sehr gut für uns. Aber auch die muss man sich erarbeiten.

In Bochum waren an einem Mittwochabend gut 50 Fans da, am Samstag in Bielefeld dann sogar 200. Die sind alle eigens wegen der Spiele rübergekommen. Ein Anhänger kam sogar aus Australien.

Daniel Stendel über die Barnsley-Fans

Erstaunt waren deutsche Beobachter von der stimmgewaltigen Fan-Unterstützung bei den Tests.

Das ist tatsächlich etwas Besonderes, aber andererseits auch wieder typisch für Barnsley. In Bochum waren an einem Mittwochabend gut 50 Fans da, am Samstag in Bielefeld dann sogar 200. Die sind alle eigens wegen der Spiele rübergekommen. Ein Anhänger kam sogar aus Australien. Er ist in Barnsley geboren und war mit seiner Familie auf Heimatbesuch. Als sie hörten, dass wir in Deutschland spielten, sind sie hinterhergereist.

HSV-Sportdirektor Michael Mutzel urteilte kürzlich über die Championship: Die Spieler seien keinesfalls besser als in der Zweiten Bundesliga, würden aber deutlich mehr verdienen...

Dabei kann er nicht an uns gedacht haben (lacht). Wir haben mit den niedrigsten Etat der Liga und wären vom Gehaltsniveau auch in der Zweiten Bundesliga eher ein kleines Licht. Aber technisch und physisch könnten unsere Jungs in Deutschland gut mithalten. Und das sage ich nicht nur wegen der gewonnenen Testspiele.

Mit den Innenverteidigern Ethan Pinnock und Liam Lindsay sowie Keeper Adam Davies hat Barnsley nach dem Aufstieg drei Top-Leistungsträger aus dem Defensivzentrum abgegeben. Ist das für Sie als Coach nicht ärgerlich?

Das war ja schon im Winter ähnlich, trotz unserer Aufstiegsambitionen. Es ist die Philosophie des Vereins, immer wieder junge Spieler zu entwickeln und lukrativ zu verkaufen. Damit kann ich mich identifizieren, auch wenn man als Trainer grundsätzlich natürlich jeden Leistungsträger lieber behalten würde.

Wir haben die mit Abstand jüngste und unerfahrenste Mannschaft der Liga.

Daniel Stendel

Aber ist Ihre einstige Zielsetzung, möglichst nicht nur gegen den Abstieg zu spielen, noch realistisch?

Wir haben jetzt die mit Abstand jüngste und unerfahrenste Mannschaft der Liga. Unsere Neuzugänge bringen kaum Championship-Erfahrung mit. Ich bin absolut überzeugt, dass wir uns entwickeln werden. Aber wir werden auch eine Menge Lehrgeld zahlen, das gehört dazu. Deshalb kann es aus heutiger Sicht nur darum gehen, drinzubleiben.

Torwart Samuel Radlinger-Sahin, den Sie ablösefrei aus Hannover holten, ist mit 26 Jahren schon der Routinier...

Ich erwarte von ihm deshalb auch eine Führungsrolle. Er muss sich umstellen, weil hier in England im Fünfmeterraum längst nicht alles so abgepfiffen wird wie in Deutschland. Aber er bringt alles mit, um unser Spiel zu verbessern.

Das heißt konkret?

Auch mal die Box zu verlassen, um außerhalb mitzuspielen. Wir wollen auch eine Liga höher früh pressen und hoch verteidigen. Dieser Stil birgt Risiken, aber letzte Saison haben wir ihn konsequent durchgezogen und kassierten so die wenigsten Gegentore der Liga.

Offensivmann Mike-Steven Bähre, einen anderen alten Bekannten aus Hannover, haben Sie nach der letztjährigen Leihe fest verpflichtet.

Er hat sich gut entwickelt, sportlich wie charakterlich. Mit 23 Jahren kommen auch ihm in unserem jungen Kader schon Führungsaufgaben zu.

Zum Start geht es gleich gegen den Top-Favoriten Fulham. Ein möglicher Vorteil, weil der Gegner jetzt noch keinen Rhythmus hat?

Darüber mache ich mir keine Gedanken. Auf uns wartet eh Woche für Woche ein anderer Brocken. Queens Park Rangers, West Brom, Nottingham Forest oder unser großer Lokalrivale Leeds United. Gefühlt sind das nach wie vor alles Namen und Vereine aus der Premier League.

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