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Sport statt Zocken: Das eSport-Training 2.0?

Sporthochschule Köln untersucht

Sport statt Zocken: Das eSport-Training 2.0?

Strampeln für eine bessere und langlebigere eSport-Karriere.

Strampeln für eine bessere und langlebigere eSport-Karriere. kicker eSport

Keuchen, Schwitzen, Strampeln. In den Räumen der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) wird am 23. Mai drei eSportlern auf den Zahn gefühlt. Fast fühlt man sich in den Sportunterricht versetzt, doch hier schwitzen Yannick 'Jeff95' Reiners, Stefan 'Topik' Beer und Yaya Blank freiwillig, während sie auf einem Fahrradergometer ordentlich in die Pedale treten. Immerhin ist es im Zeichen der Wissenschaft.

Die Wissenschaft wird an dem Tag von Kevin Rudolf und seinen Kollegen aus dem Forschungsteam, die unter Prof. Dr. Ingo Froböse arbeiten, vertreten. Rudolf gehört schon seit mehreren Jahren zum Team und beschäftigt sich mit Präventions- sowie Rehabilitationswissenschaften. Reiners, Beer und Blank hat er eingeladen, um Daten zu sammeln für ein neues Projekt. Drei Tage lang nehmen die erfahrenen Zocker von Borussia Mönchengladbach an diversen Trainingseinheiten teil. Ein eSport-Leistungstest, Eye-Tracking, Brain Fitness, Ausdauer- sowie Krafttraining stehen auf dem Stundenplan. Nebenbei verraten Rudolf und sein Team Kniffe aus der Welt von Ergonomie, Regeneration und Ernährungswissenschaft. Ihr Ziel ist klar: "Wir wollen eine Trainingsserie für eSportler entwerfen, anhand derer wir Profis, Amateuren aber auch Gelegenheitsspielern Empfehlungen geben können, wie sie bestmöglich ihre Leistungen im eSport steigern," so Rudolf.

Parallelen zum Sport

Ein Ausdauertraining, wie es die drei eSportler ins Schwitzen bringt, ist keine Norm im eSport. Nach einer Umfrage der DSHS, findet Training von eSportlern zu 90 Prozent digital statt. Ein Fehler, wenn man Rudolf und sein Team fragt. Es gehört mehr dazu, als vor Konsole und Computer zu sitzen. Das hätte man bereits in anderen Sportarten gelernt. Rudolf erklärt: "Es gibt viele Parallelen. Auch im klassischen Sport wurde zu Beginn häufig nach dem Prinzip 'viel hilft viel' trainiert. Damit kommt man aber nicht auf die nächste Leistungsstufe. Erst als Sportler auch Wert auf andere Dinge legten, wie Ausdauer, Fitness und Koordination, ging es eben doch noch einen Schritt nach oben." Die Trainingseinheiten, die Rudolf und Co. für das Bootcamp zusammengestellt haben, finden daher hauptsächlich abseits der Konsole statt. Eye-Tracking brachte zum Beispiel im Tennis wichtige Erkenntnisse, Brain Fitness ist beliebt beim ehemaligen Skirennläufer Felix Neureuther und Fußballtrainer Jürgen Klopp. Ohne Ausdauer- und Krafttraining kommt derweil keine Sportart aus - auch eSport nicht.

Kevin Rudolf gehört einem mehrköpfigen Forschungsteam rund ums Thema eSport an.

Kevin Rudolf gehört einem mehrköpfigen Forschungsteam rund ums Thema eSport an. kicker eSport

Wer lange läuft, spielt lange gut

Rudolf schwört auf Ausdauertraining, denn es steigert die Grundfitness und hat zahlreiche positive Nebeneffekte. Das will auch sein Kollege, Konstantin Wechsler, den eSportlern vermitteln. Er spricht von besserer Regenerationsfähigkeit und gestärktem Immunsystem, die an langen Turniertagen sowie gegen Jetlag helfen. Auch Reaktionszeit und Konzentration würden profitieren, so der Forscher. Wechsler hofft, dass sich das Trio davon überzeugen lässt. Er weiß aber auch, dass die von der DSHS empfohlenen 150 Minuten Ausdauertraining pro Woche viel verlangt sind - zu viel für die meisten eSportler. Sein Appell deswegen: Vielleicht nicht 150 oder 100 Minuten üben, aber zumindest damit anfangen.

Ein weiterer zentraler Punkt des Bootcamps ist das Eye-Tracking. Erste Tests hatten Rudolf und seinem Team gezeigt, dass eSportler weniger Zeit als Amateure benötigen, um Spielsituationen zu erfassen. Das wiederum erlaubt ihnen, größere Bereiche auf dem Bildschirm zu beobachten und ist in fast allen Spielen hilfreich. Sei es in FIFA, um das Radar oder Passstationen besser im Blick zu behalten oder League of Legends, um die Fähigkeiten des Gegners frühzeitig zu erkennen.

Verletzungssorgen auch im eSport

Die Sporthochschule Köln beschäftigt sich nicht nur mit Sport auf dem Rasen, sondern auch Sport vor der Konsole.

Die Sporthochschule Köln beschäftigt sich nicht nur mit Sport auf dem Rasen, sondern auch Sport vor der Konsole. kicker eSport

Allerdings ist die Karriere der eSportler gefährdet. Nicht obwohl, sondern weil sie viel sitzen, plagen Profis immer wieder gesundheitliche Beschwerden - im eSport sind vor allem Rücken- und Nacken betroffen. Auch die Handgelenke leiden unter den täglichen Anstrengungen. Spüren tun die Borussen das nicht. Ihr Gefühl trügt jedoch, denn die Folgen des langen Sitzens offenbaren sich erst nach einiger Zeit. Gerade deswegen zeigt Rudolfs Kollege, Chuck Tholl, dem Trio zahlreiche Dehnübungen. "Das ist wichtig, um Leistung und Gesundheit zu halten", sagt er und ergänzt: "Ein Training ersetzt es aber nicht." Kraftübungen sind ebenfalls vonnöten. Auch das will die Sporthochschule zu vermitteln.

Das perfekte Training?

Den optimierten Trainingsplan für eSportler will Rudolf mit seinem Team in der Zeit nach dem Bootcamp entwickeln. Erste Erkenntnisse gibt es aber schon jetzt. Einerseits ist den Experten klar, "ohne Ingame-Training kommt kein Spieler voran", andererseits wollen sie die Zeit sitzend vor dem Bildschirm möglichst geringhalten. Sie empfehlen eine Aufteilung in zahlreiche Einheiten, von Kraft- bis Ingame-Training. Das hilft Körper und Kopf, denn nach wissenschaftlichen Erkenntnissen kann sich ein Mensch nur 90 bis 120 Minuten konzentrieren, bis er eine Pause braucht. Rudolf weiß aber auch: "Letztendlich sind es alles nur Empfehlungen und Ratschläge." Dass eSportler zukünftig zu Sportkanonen mutieren - da ist Mönchengladbachs 'Jeff95' skeptisch: "Die meisten Profis werden wahrscheinlich nicht jeden Tag 30 Minuten Rad fahren. Ich bin zwar davon überzeugt, dass körperliche Fitness wichtig ist, um auch mental fit zu sein. Doch ich habe Zweifel daran, dass es in der gesamten Szene populär wird." Sport ausüben, um besser zu zocken, klingt zu Beginn auch nicht nach einer nahe liegenden Herangehensweise. Laut Sporthochschule ist das jedoch genau der richtige Weg in eine Zukunft mit noch leistungsfähigeren eSportlern. Das wäre dann eSport-Training 2.0.

Christian Mittweg