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Kimmich: "Wichtig ist, dass wir Bock haben"

Bayerns Defensivspieler im kicker-Interview

Kimmich: "Wichtig ist, dass wir Bock haben"

Zeigte sich selbst in großer Spiellaune: Joshua Kimmich.

Zeigte sich selbst in großer Spiellaune: Joshua Kimmich. Getty Images

Die erste analytische Zusammenfassung, die Joshua Kimmich (24) nach dem 8:0-Kantersieg gegen Estland abgibt, dauert exakt ununterbrochene 56 Sekunden. Der Mann aus der defensiven Mittelfeldzentrale, der in diesem dritten EM-Qualifikationsspiel gegen die schwache Vertretung aus Estland vor allem als Gestalter aus der weit nach vorne verlagerten Tiefe gefragt war, sagte also zum dritten Sieg in der dritten Partie dieser Zulassungsrunde: "Jeder hat gemerkt, dass wir mit sehr viel Spaß an die Sache herangegangen sind; jeder von uns hat Vollgas gegeben und sehr viel Leidenschaft reingesteckt. Speziell in der der ersten Halbzeit gab es fast gar nichts zu bemängeln. Wir haben den Ball schnell laufen lassen, die Leute im Stadion haben es honoriert, es herrschte eine super Stimmung. Wir haben immer auf das nächste Tor gespielt und uns nicht ausgeruht. In der zweiten Halbzeit haben wir es weiter versucht, da war es nicht mehr perfekt, wir haben nicht mehr ganz so schnell gespielt; aber unterm Strich war es ein super Spiel. Man hat gemerkt, dass wir eine Idee haben und diese Idee umsetzen wollten. Und das haben wir gut gemacht."

Auf die Nachfragen des kicker antwortete Kimmich im Folgenden:

EM-Qualifikation - 4. Spieltag
mehr Infos
EM-Qualifikation - Tabelle - Gruppe C
Pl. Verein Punkte
1
Nordirland Nordirland
12
2
Deutschland Deutschland
9
3
Niederlande Niederlande
3

Herr Kimmich, was sagt dieses 8:0 aus über die Verfassung der deutschen Nationalmannschaft zum Ende der Länderspielsaison 2018/19 aus?

Man merkt einfach, dass uns die Spiele am besten tun. Klar, ein Trainingslager ist gut, um ein paar Automatismen und Abläufe reinzubekommen. Aber eine Mannschaft wächst nur in den Spielen zusammen, mit Erfolgserlebnissen. Von daher war es gut; wir haben zweimal zu null gespielt, zweimal recht überzeugend gewonnen. Heute war es besser als gegen Weißrussland. Die Weißrussen waren allerdings stärker, sie haben besser verteidigt. Trotzdem - wir haben es bei Bayern in der vergangenen Saison mehrmals gesehen - muss man gegen die so genannten kleinen Gegner erst Tore machen; heute ist uns das sehr gut gelungen.

Jeder spielt mit wenigen Kontakten, jeder spielt schnell. Man merkt: Jeder gönnt dem anderen ein Tor, eine Vorlage, eine gute Leistung. Das ist etwas Besonderes.

Joshua Kimmich

Was sind die Lernziele für die Saison 2019/20 bis zum EM-Start?

Wichtig ist, dass wir zeigen, dass wir Lust auf Fußball haben; dass wir Bock haben, diese Chance zu nutzen, diese jetzige Situation. Wir haben ja sehr viele verhältnismäßig junge Spieler dabei, die zum Teil eine Weile auf ihre Chance warten mussten. Jeder von uns ist gierig, hungrig; wir wollen diese Spiele machen. Bei jedem, der reinkommt, merkt man, dass jeder Gas geben will, heute Julian Draxler, Marcel Halstenberg, Timo Werner, von denen jeder traf oder Vorlagen zu einem Tor gab. Man merkt, dass wir eine sehr große Qualität haben und miteinander sehr gut klarkommen, was sehr wichtig ist. In Spielen wie heute kann wieder ein Team heranwachsen.

Sie sprachen eingangs von einer Idee, die die Mannschaft habe. Wie sieht diese Idee konkret aus?

Wir haben versucht, dass wir nicht so viele Leute hinter dem Ball hatten und versuchten, die Zwischenräume zu besetzen und immer wieder in die Tiefe zu gehen. Nach Ballverlusten wollten wir immer den Ball möglichst schnell zurückerobern. Wir haben eine gewisse Raumaufteilung, die gegeben sein muss, um unser Spiel durchzuziehen. Jeder spielt mit wenigen Kontakten, jeder spielt schnell. Man merkt: Jeder gönnt dem anderen ein Tor, eine Vorlage, eine gute Leistung. Das ist etwas Besonderes. Wir sind ein großer Block aus den Jahrgängen 1995 und 1996, wir haben schon in der U 21 zusammengespielt, das tut uns gut. Wir haben schon in der Vergangenheit zusammen Erfolge gefeiert und wissen, was möglich ist, wenn wir zusammenhalten und zusammen Gas geben. Wenn wir die Mischung hinbekommen mit den älteren und jüngeren Spielern, wenn wir unsere Qualität zusammen mit dieser Leidenschaft auf den Platz bringen, werden wir noch sehr viel Spaß haben: Dann kann wieder ein gutes Team entstehen.

Wie weit ist die verjüngte deutsche Nationalmannschaft aktuell und mit Blick auf die EM 2020?

Wir haben ja noch eine Saison, und die jetzige Mannschaft ist in dieser Konstellation noch nicht so lange zusammen. Außerdem ist uns bewusst, dass der Gegner Estland kein Maßstab war. Trotzdem muss man gegen eine solche Mannschaft erst so viele Chancen erarbeiten und so viele Tore erzielen. Das ist nicht selbstverständlich. Beim 3:2-Sieg in den Niederlanden zum Auftakt der Qualifikation haben wir gesehen, dass wir eine sehr große Qualität haben, um einen Gegner auf höchstem Niveau zu bespielen und zu dominieren, selbst wenn es uns dort nicht über 90 Minuten gelang. Das ist der nächste Schritt, den wir noch gehen müssen. Bei der nächsten Länderspielreise im September haben wir die Niederlande zu Hause und spielen in Nordirland, da sehen wir, wo wir stehen.

Interview: Karlheinz Wild