Europa League

Selbstkritisches Statement der Eintracht-Ultras

Frankfurt: Ein erster Schritt

Selbstkritisches Statement der Eintracht-Ultras

Einige der Frankfurter Fans - hier gegen Nürnberg - sind in Mailand weit über das Ziel hinausgeschossen.

Einige der Frankfurter Fans - hier gegen Nürnberg - sind in Mailand weit über das Ziel hinausgeschossen. imago

Die "Stellungnahme zum Inter-Spiel" fällt sehr knapp - manche sagen: zu knapp - aus. Allerdings ist es bemerkenswert, dass es überhaupt zu diesem selbstkritischen Eingeständnis kommt. Wörtlich heißt es: "Gude Eintracht-Fans! Das Spiel in Mailand gegen Inter war eines der größten der jüngeren Vereinsgeschichte. Dass die Stimmung im Anschluss trotzdem eisig war, lag vor allem an den Leuchtspuren. Das war scheiße und ist durch nichts - gar nichts - zu entschuldigen! Wir übernehmen die Verantwortung dafür und ziehen daraus interne Konsequenzen. Ultras Frankfurt 97."

Das ist ein erster wichtiger Schritt, weitere müssen folgen. Um das verloren gegangene Vertrauen in der Fanszene und bei den Klub-Bossen zurückzugewinnen, müssen die Ultras in erster Linie dafür sorgen, dass die Verantwortlichen für das Abschießen der Leuchtspurgeschosse aus ihrer Gruppe und aus dem Block verbannt werden. Die Eintracht setzt auf diese Selbstreinigung innerhalb des harten Kerns und hat auch deshalb bisher auf eine öffentliche Stellungnahme zu den Vorkommnissen in Mailand verzichtet - sie will den ohnehin schon großen Druck auf die Szene nicht noch vergrößern.

Reschke: "Die Chancen sind aber nicht gut"

Eintracht-Justiziar Philipp Reschke bewertet die Stellungnahme der Ultras positiv und hofft, dass die Chancen dadurch etwas steigen, den drohenden Fan-Ausschluss in Lissabon abwenden zu können. Auf der Waldtribüne sagte er vor dem Anpfiff gegen Nürnberg: "Das ist, wenn man die Sprache unserer Szene kennt, eine ungewöhnliche Äußerung. Bei der UEFA verstehen sie das auch, die kennen viele Ultra-Szenen auf der Welt und nehmen das zur Kenntnis. Ich hoffe, dass das diesen kleinen ausschlaggebenden Faktor darstellen könnte, der eine Mehrheit im 'Disciplinary Board" dazu bewegt zu sagen: Komm, einmal noch, hohe Geldstrafe, aber die Truppe macht doch insgesamt so viel Freude. Die Chancen sind aber nicht gut. Punkt."

Stellungnahme der Ultras.

Wäre es beim Abbrennen einiger Bengalos geblieben, hätte es wohl keine dramatischen Konsequenzen gegeben. Da aber gezündete Leuchtspurpatronen im Unterrang in einem Inter-Block landeten und nach dem Spiel zwei Mailänder Profis nur knapp verfehlten, drohen in Lissabon leere Gästeblöcke. "Wir werden darum kämpfen, noch einen Strohhalm zu ergattern und so gut wie möglich argumentieren, aber das ist schwer. Leuchtspurmunition gefährdet die Leute auf eine andere Art und Weise. Wenn das zwischen Menschen landet, ist das für die UEFA ein ganz erheblicher Tatbestand", erklärt Reschke. Im Vorfeld des Spiels in Mailand hatten die Anführer der Ultras ihre eigenen Leute explizit vor Dummheiten gewarnt, dennoch schossen einige Bekloppte nach Rom ein weiteres Mal weit über das Ziel hinaus. Welche Verrenkungen muss es in einem Gehirn geben, um auf die Idee zu kommen, mit Leuchtspurgeschossen auf Menschen zu schießen? Nicht im Krieg, bei einem Fußballspiel . . .

Kritik an der Ultras-Stellungnahme

Einigen Fans geht die Stellungnahme der Ultras nicht weit genug. Kritisiert wird unter anderem die fehlende Transparenz - Stichwort "interne Konsequenzen" - und die Einschränkung auf "Leuchtspuren". Eine gute Ergänzung wäre gewesen, den generellen Verzicht auf Pyrotechnik zumindest bis zum Saisonende zu erklären. Auch wenn Pyrotechnik ein fester Bestandteil der Ultra-Kultur ist und bleiben wird, wäre das ein Zeichen des guten Willens gewesen, vor allem in Richtung all jener Fans, für die die Ultras zum roten Tuch geworden sind. Sollte es in näherer Zukunft noch einmal zu Vorfällen wie in Rom oder Mailand kommen, wird der Klub reagieren müssen, und zwar sehr viel restriktiver als bisher. Denn dann wäre die in unzähligen Dialogen über Jahre aufgebaute Vertrauensbasis wohl endgültig zerstört - und der Weg des gemeinsamen Miteinanders gescheitert.

Kölns Einspruch hatte Erfolg

Am 28. März wird sich entscheiden, ob die UEFA die Bewährung aufhebt und keine Eintracht-Fans ins Estadio da Luz in Lissabon dürfen oder ob es noch eine allerletzte Chance gibt. Interessant sind in diesem Kontext die Verfahren gegen den 1. FC Köln in der Saison 2017/18. Am 14. September 2017 war es im Auswärtsspiel bei Arsenal zu Ausschreitungen und pyrotechnischen Vergehen gekommen, die UEFA verhängte daraufhin am 30. Oktober 2017 eine Geldstrafe in Höhe von 60.000 Euro und setzte einen Fan-Ausschluss bei einem UEFA-Auswärtsspiel für zwei Jahre zur Bewährung aus. Das ist fast die identische Strafe, die Frankfurt nach den Ausschreitungen in Rom erhielt. Beim Spiel in Belgrad am 7. Dezember 2017 gab es dann allerdings erneut üble Szenen auf den Rängen, haufenweise Pyrotechnik wurde gezündet, Leuchtspurgeschosse flogen durch die Gegend und gefährdeten Spieler und Fans. Daraufhin hob die UEFA die Bewährung auf und verhängte somit den angedrohten Fan-Ausschluss für das nächste internationale Auswärtsspiel - Köln war zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits aus der Europa League ausgeschieden. Gegen diese Entscheidung legte der FC Berufung ein - mit Erfolg: Mehrere Monate später, am 6. Juni 2018, entschied die UEFA-Beschwerdeinstanz ("UEFA Appeals Body"), dass die Sperre aufgehoben wird.

Um einen Ausschluss ihrer Fans in Lissabon zu verhindern, wird die Eintracht bei der UEFA wohl auch auf diesen Verfahrensverlauf hinweisen. Sollte die UEFA am 28. März dennoch die Bewährung aufheben, könnte die Eintracht natürlich wie damals Köln Berufung einlegen. Problematisch ist allerdings die kurze Zeitspanne bis zum Spiel in Lissabon, das schon zwei Wochen später am 11. April stattfindet. Dass es in dieser kurzen Zeit zu einem Berufungsverfahren kommt und eine Entscheidung fällt, ist kaum vorstellbar. Hinzu kommt, dass Frankfurt für die mögliche Kartenvergabe eine gewisse Vorlaufzeit bräuchte.

Lange Gesichter sind programmiert

Doch auch wenn die UEFA am 28. März wider Erwarten auf eine Kollektivstrafe verzichten sollte, wird es bei Tausenden Eintracht-Fans lange Gesichter geben. Ein Kartenkontingent wie in Mailand (13.500 Gästetickets) wird es im Estadio da Luz nicht annähernd geben. Bei der Eintracht geht man davon aus, im Fall der Fälle nicht mehr als die von der UEFA vorgeschriebenen fünf Prozent des gesamten Kartenkontingents zu erhalten, etwa 3500 Tickets.

Julian Franzke

Bilder zur Partie Inter Mailand - Eintracht Frankfurt