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Nicht nur ein sagenhafter Schuldenberg: Fenerbahce Istanbul schnappt nach Luft

Bedrohliche sportliche und finanzielle Lage beim Traditionsklub

Nicht nur ein sagenhafter Schuldenberg: Fenerbahce schnappt nach Luft

Nicht das einzige Problem: Jagdszenen im Derby gegen Galatasaray rückten Fenerbahce auch international wieder in den Fokus.

Nicht das einzige Problem: Jagdszenen im Derby gegen Galatasaray rückten Fenerbahce auch international wieder in den Fokus. imago

Wer die türkische Liga sonst nicht aktiv verfolgt, der hatte die Süperlig spätestens am 2. November wieder auf dem Schirm: Im stets hitzigen Istanbuler Derby zwischen Galatasaray und Fenerbahce ging es hoch her - nach dem Schlusspfiff. Nach Ende der Partie, die übrigens 2:2 geendet hatte , kam es auf dem Rasen zu einer unschönen Verfolgungsjagd unter den Profis. Auch Auswechselspieler und Betreuer rannten direkt in Richtung Mittelkreis. Referee Firat Aydinus zückte nach dem Schlusspfiff noch drei Rote Karten, Galatasarays Badou sowie die Fenerbahce-Profis Jailson und Roberto Soldado hatte er als Übeltäter ausgemacht.

In der Folge griff der türkische Verband hart durch: Galatasaray-Cheftrainer Fatih Terim wurde für sieben Spiele gesperrt, sein Assistent Hasan Sas gar für acht. Zudem wurden Ryan Donk (sechs Spiele), Badou (fünf Spiele) und Garry Rodrigues (drei Spiele) auf Seiten des amtierenden Meisters aus dem Verkehr gezogen. Bei Fenerbahce traf es die beiden Rotsünder Jailson (acht Spiele) und Soldado (sechs Spiele) nicht viel besser.

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24

Sprung in die Gegenwart: Am vergangenen Montag kam Fenerbahce gegen Kasimpasa nicht über ein 2:2 hinaus. Ein Blick auf die Tabelle verdeutlicht die sportliche Schieflage bei den "Gelben Kanarienvögeln". Platz 15, nur noch einen Punkt vor Belediyespor, die bereits unter dem Strich stehen. 14 Punkte aus 14 Spielen bei nur drei Siegen genügen den Ansprüchen von Fenerbahce freilich nicht.

"Beeindruckende Pläne"? Cocu hält nicht lange durch

In die neue Saison ging der Verein mit Phillip Cocu, der extra aus Eindhoven losgeeist wurde, um Aykut Kocaman am Bosporus zu beerben. "Ich bin sehr beeindruckt von den Plänen, die der Verein für die nahe Zukunft hat", wurde der Niederländer nach Amtsantritt zitiert. Die Bewunderung schien es auch beim Klub zu geben, Cocu unterschrieb einen Dreijahresvertrag bis 2021. Im Oktober 2018 wurde er entlassen. Seine Bilanz war desaströs: Von 15 Spielen gewann der 48-Jährige nur drei. Ein Trostpflaster dürfte die nach türkischen Medienberichten 2,5 Millionen Euro hohe Abfindung gewesen sein.

Ausgaben, die dem einst reichsten Klub am Bosporus früher nicht zwangsweise wehgetan hätte. Die Zeiten haben sich aber auch bei Fenerbahce geändert. Die negativen wirtschaftlichen Entwicklungen der Türkei sollen auch vor dem Fußball nicht haltmachen. Im Fokus steht Ex-Präsident Aziz Yildirim, der 1998 das Amt übernahm und sich anschließend zwei Jahrzehnte kaum reinreden ließ. Der 66-Jährige trat im Sommer zurück, zuvor soll er aber die finanziellen Mittel überstrapaziert haben.

Schuldenberg von 621 Millionen

Der Vorwurf der Manipulation im großen Stil in der Saison 2010/11 führte dazu, dass die Kontroll- und Disziplinarkammer der UEFA Fenerbahce im Juni 2013 für zwei Jahre im Europapokal sperrte und den Klub für ein weiteres auf Bewährung setzte. Erst kursierte in den türkischen Medien eine Schuldensumme von rund 250 Millionen Euro. Die Richtigstellung von Ali Koc, dem neuen Präsidenten, gegenüber dem vereinseigenen TV-Sender im Sommer sorgte für noch mehr Kopfschütteln: Der Schuldenberg ist mittlerweile auf 621 Millionen angewachsen. Ein Großteil der geplanten Einnahmen bis zur Saison 2022/23 sollen bereits ausgegeben sein.

Er hinterließ bei Fenerbahce verbrannte Asche: Ex-Präsident Aziz Yildirim.

Er hinterließ bei Fenerbahce verbrannte Asche: Ex-Präsident Aziz Yildirim. imago

Teure Investitionen stehen nicht mehr auf der Agenda, im Sommer wurden Stars wie Islam Slimani (Leicester City) und André Ayew (Swansea City) nur ausgeliehen. Gleichzeitig wurden die Brasilianer Josef und Giuliano für über 20 Millionen Euro nach Saudi-Arabien verkauft. Ins Bild passt auch das Wechseltheater rund um Frankfurts Marco Fabian , der sich bereits mit einem Fenerbahce-Schal am Atatürk-Flughafen hatte ablichten lassen - und dann doch nicht verpflichtet wurde .

Gomez war die Situation zu heikel

Die ganz großen Namen sind in der Türkei ohnehin nicht mehr zu lesen. Wegen der "politischen Situation" verließ etwa Mario Gomez Istanbul im Sommer 2016 , dabei hatte er bei Besiktas zuvor große Erfolge gefeiert (Torschützenkönig mit 26 Liga-Treffern und türkischer Meister).

Bei Fenerbahce ist derweil auch unter Cocu-Nachfolger Erwin Koeman, zwei Jahre älterer Bruder des niederländischen Nationaltrainers Ronald, kein Kurswechsel gelungen. Dabei liest sich der Kader trotz fehlenden Geldes ganz gut: In der Abwehr sind Ex-Schalker Roman Neustädter und Liverpools Martin Skrtel mit den gegnerischen Angreifern beschäftigt, im Mittelfeld zieht der 52-malige französische Nationalspieler Mathieu Valbuena die Fäden. Ganz vorne sind Ayew, Slimani und Soldado keine allzu schlechten Alternativen.

Der 19-malige türkische Meister, der in der ewigen Tabelle der Süperlig noch immer auf Platz eins steht, wird aber mit dem Abstieg letztendlich nichts zu tun haben, da sind sich die Experten doch sehr sicher. Zuversicht gibt auch der neue Präsident: Ali Koc, Enkel des Gründers der "Koc Holding" und türkischer Multimilliardär, soll schon über 40 Millionen Euro seines Privatvermögens investiert haben, um Spielergehälter zu bezahlen.

msc

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